„Internet – Segen oder Fluch“

Gebrauchsanweisung für Internetdiskussionen


Sascha Lobo – Kathrin Passig

Kurz vor der Frankfurter Buchmesse 2012 haben Kathrin Passig und Sascha Lobo das Internet grundsätzlich hinterfragt.

Vera Linß hatte wiederum Gelegenheit, grundsätzlich das Buch mit den beiden Autoren zu hinterfragen. So lautet ihre erste Frage auch:

„Es gibt schon so viele Bücher über das Internet, warum muss nun noch ein weiteres dazu kommen?“

Wer: Sascha Lobo, Kathrin Passig (Foto), Vera Linß
Was: Interview zum Buch „Internet – Segen oder Fluch“
Wo: Berlin
Wann: 04.10.2012

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Titel: „Internet – Segen oder Fluch“
Autoren: Kathrin Passig, Sascha Lobo
Verlag: Rowohlt Berlin (05.10.2012)
320 Seiten, gebunden
ISBN-10: 3871347558
ISBN-13: 978-3871347559
Auch als Digitalbuch ohne DRM!

Vera Linß: Es gibt schon so viele Bücher über das Internet, warum muss nun noch ein weiteres dazu kommen?

Sascha Lobo: … weil das Thema die Gesellschaft ganz intensiv beschäftigt, müssen noch mehr Bücher zum Internet geschrieben werden. Und unseres „Segen oder Fluch“ versucht die Debatte so ein bisschen sachlicher zu machen. Kathrin Passig und ich haben beobachtet, dass zwar sehr, sehr viel vom Internet geredet wird, aber nur wenig wirklich diskutiert. Und weil im Internet keine Naturgesetze gelten in dem Sinn, kann man mit einer Diskussion viel erreichen. Über die Schwerkraft kann man lange diskutieren und sie wird sich nicht ändern. Über Zusammenhänge in der digitalen Welt, wenn man da diskutiert, dann gibt es eine gute Chance, dass man da Einfluss drauf hat. Deswegen ist die Debatte so wichtig und dewegen ist es so schade, dass sie so hysterisch und so wenig sachlich geführt wird.

(00:53)
Vera Linß: Kann man wirklich sagen, dass die Debatte etwas bringt? Und was ihr in eurem Buch ja doch auch sehr deutlich zeigt, ist, dass viele Probleme schon seit 500 Jahren diskutiert werden. Natürlich immer an anderen Phänomenen arbeitet man sich daran ab, aber das Kernproblem ist ja immer dasselbe, also die Folgen von Technologien.

Sascha Lobo: Natürlich bringt die Debatte etwas. Obwohl wir in dem Buch sehr deutlich sagen, dass ganz häufig schon diskutiert wurde. Aber genau daraus kann man etwas lernen. Nämlich die Fehler, die in der Vergangenheit häufig schon gemacht wurden, versuchen jetzt nicht zu machen. Einer der Fehler ist zum Beispiel, dass man, wenn man mit Metaphern arbeitet in der Diskussion, dass man da automatisch eine Bewertung mit rein bringt und automatisch schon eine Richtung festlegt in der Wahl der Metapher. Das ist bei Internetdiskussionen zum Beispiel häufig die Verkehrsmetapher. Und die hat Vorteile und Nachteile. Vor allem aber legt sie schon eine Richtung fest. Und sich da so ein bisschen von fern zu halten von den Fehlern, die schon ganz oft gemacht wurden, das bringt auf jeden Fall etwas. Und da könnte die Debatte auch besser werden.

(01:54)
Vera Linß: Einen großen Teil dieses Buches nimmt ja wirklich ein, auch Verständnis für beide Seiten zu erwecken, ja. Ihr versucht schon deutlich zu machen, dass jeder gute Gründe hat, so skeptisch oder so optimistisch zu sein und jede Seite auch von eigenen Interessen getrieben ist. Und man fragt sich manchmal, wo steht ihr? Was ist euer Standpunkt dabei?

Kathrin Passig: Das, glaube ich, wussten wir beide vor dem Schreiben wirklich genauer, als dann während der Recherche und hinterher. Das wird dann ein bisschen schwieriger, so klare Positionen zu vertreten. Aber man muss halt auch sagen, dass wir beide schon in den letzten Jahren ziemlich viel Zeit auf oft sehr unfruchtbaren Diskussionspodien zugebracht haben, wo es einfach nur drum geht, dass beide Seiten ja mehr oder weniger anderthalb Stunden lang „Nein! – Doch!“ rufen und dann geht man wieder nach Hause.

Sascha Lobo: Meine Haltung zur digitalen Welt insgesamt ist zwar noch eine optimistische und wahrscheinlich auch optimistischer, als die meisten Leute, aber inzwischen und durch das Buch weiß ich, dass das eine sehr subjektive Position ist. Und dass es nicht so selbstverständlich ist, dass dieser Optimismus von allen geteilt werden sollte. Und schlimmer noch: es gab viele Leute, die in vergangenen Jahren und Jahrhunderten ähnlich optimistisch waren und deren Hoffnungen haben sich sogar nicht erfüllt. Es gab Leute, die haben gesagt, das Maschinengewehr führt jetzt wirklich zur Abschaffung des Krieges, weil, welcher Soldat würde schon in so ein Mündungsfeuer rein laufen. Und ähnliche Prognosen haben sich immer wieder auf beiden Seiten nicht bewahrheitet. Insofern bin ich immer noch Optimist auf eine Art, aber habe sehr viel mehr Verständnis für die Haltung der Skeptiker und habe vor allem mehr Verständnis dafür, dass meine Position eine äußerst relative ist.

Kathrin Passig: Wobei man da, denke ich, unterscheiden muss zwischen den ganz großen Weltveränderungsprognosen: ‚Untergang des Abendlandes‘ versus ‚Endlich tritt der Weltfrieden ein‘, ‚Freiheit – Gleichheit – Brüderlichkeit‘ und ‚Meinungsfreiheit für alle‘. Zwischen diesen Maximalbehauptungen und der Ansicht durch irgendeine technische Neuerung würde die Welt eventuell ein bisschen benutzerfreundlicher, ist ja ein weites Spektrum. Und man kann jetzt nicht alle optimistischen und alle skeptischen Prognosen da in einen Topf werfen.

(…)

(Fotos © Vera Linß, Abb.: Rowohlt)


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