Gutjahr, Richard

„Was sagt das Netz?“


Er hat den Anspruch vorzudenken und vorzumachen. Er wird nicht müde, die technische Plattform Internet als Werkzeug und Kommunikationsmittel zu propagieren. Zu tief sitzt ein Missverständnis, dass das Internet ein Medium sei wie TV oder Radio. Oder eine Parallelwelt, in die man sich hinein und wieder heraus begeben kann. Ohne zu begreifen, dass das, was mit dem Internet passiert in Wirklichkeit Teil unseres echten Lebens ist.


Er verspottet die, die die sogenannte Netzgemeinde für völlig andere Menschen halten, als uns selbst, die wir täglich das Internet benutzen. Mehr als die Hälfte aller Deutschen. Niemand würde telefonierende Menschen „Telefongemeinde“ oder „die da im/am Telefon“ bezeichnen. Doch die Gefahr im Sog des alten Denkens den eigenen Anspruch nicht zu verdrängen, ist groß. Und schneller als es einem selbst lieb ist, ist man mittendrin in den alten Verständnis-Strukturen. Ein sich ahnungslos und staunend gebender („verrückt“, „irre“) Journalist fragt, was die Netzgemeinde während eines TV-Duells so „live dabei“ macht. Und der weltweit erste tablet-PC-Käufer Richard Gutjahr taucht hinab zu den Leuten, die mit dem „Laptop auf dem Schoß“ sitzen und bringt die Erklär-Perlen hoch. Wie auf anderen Kanälen auch, wo Moderatoren angeheuerte Beobachter „ins Netz gucken“ lassen und staunen, was da so alles los ist.

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Wie erklärt Gutjahr selbst den Rollenwechsel vom mahnenden Spötter, Kollegenkritiker und Internet-Vordenker zum Wassagtdasnetz-TV-Beobachter? Warum muss man nach Washington reisen, um für die ARD das Netz zu beobachten?

Wer: Richard Gutjahr, Freier Journalist und Blogger
Was: Interview zu seinen neuen Aufgaben in der ARD im Umfeld der US-Wahlen
Wo: München, ICM, 26. Medientage München
Wan: 24.10.2012

Vgl.:
* gutjahrs blog
* US-Wahl bei DasErste
* tagesschau-blog
* twitter-Diskussion um neue Fernsehformate bei Carta.info

* http://gastauftritt.net/2012/11/ja-ich-bin-twitter-tussi-na-und – „Ja, ich bin Twitter-Tussi. Na und?, Titus Gast, 10.11.2012 (depubliziert)
* http://wdrblog.de/digitalistan/archives/2012/11/twitter-tussis_und_ipad-idiote.html – Twitter-Tussis und iPad-Idioten, Dennis Horn, 11.11.2012 (depubliziert)
* Fernseh-Senioren brauchen Internet-Erklärbären, Bernd Oswald, 21.11.2012


Netzerklärerin Jeannine Michaelsen (links) während der Fußball-EM im ZDF. In der Rolle der staunenden, ahnungslosen Journalistin hier Katrin Müller-Hohenstein.

„Milena, was sagt das Netz?“

Netzerklärerin Sonja Schünemann


(Fotos: © Jörg Wagner, ZDF)







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5 thoughts on “Gutjahr, Richard

  1. @Sandra Müller Es war kein Lustigmachen. Es war das Aufzeigen eines Widerspruchs und die Nachfrage, wie er, Richard Gutjahr, diesen selbst erklärt. Schließlich schreibt er oben selbst, dass er mich für verrückt gehalten hätte, wenn ich ihm vor einem Jahr diese MoMa-Situation vorausgesagt hätte. Und dann zum Verständnis:

    1. für mich ist das Netz kein Medium wie Zeitung oder TV. Es ist ein technischer Zusammenschluss von Computern, der uns sehr viel ermöglicht: telefonieren, elektronische Wandzeitungen (z. B. Homepages) speichern und aufrufen, Fernsehen, Radiohören, spielen, kommunizieren … ich spare mir weitere Aufzählungen. Es ist eine technische Plattform, die verschiedene Medien aufnehmen kann.

    2. ist die Präsentationsform der Presseschau eine andere. Da steht in den meisten Fällen kein ahnungsloser Moderator und fragt einen anderen, der Lesen kann, was die Zeitungen so schreiben. Man erwartet von einem MoMa-Moderator, dass er Zeitungen gelesen hat, bevor er aktuelle Gespräche führt oder dass er sagt, XY hat für sie heute alle Zeitungen gelesen, er gibt uns eine Auswahl. Bei Kinofilmen oder TV-Events, die Fachjournalisten im Kollegengespräch präsentieren, ergibt sich die Rollenverteilung Schlauer – Ahnungsloser aus der Tatsache, dass es eine Informations-Exklusivität durch die Premiere oder Erstausstrahlung gibt. Der Kollege hat also einen Informationsvorsprung.

    3. ist die Frage „Was sagt das Netz?“ oder „die Netzgemeinde“, wenn man mal Punkt 1 ignoriert, das Verstärken von zwei Haltungen, die für mich die journalistische Glaubwürdigkeit herabsetzen:
    * ich möchte keine Journalisten sehen, die sich „das Internet“ erklären lassen wie in einer Kochsendung eine spezielle Brattechnik. Das Internet ist ihr Werkzeug. Man kann nicht alles wissen. Aber ahnungslos sollte man nicht sein.
    * es gibt nicht das WIR und „die da im Netz“ in dieser uns weismachenden Größe als Fremdkörper. WIR sind im Netz. Nicht alle. Aber ziemlich viele (75,6% der Deutschen). Auf jeden Fall alle Journalisten. Die Frage nach der Netzgemeinde ist in den meisten Fällen unsinnig. Es sei, sie dient zur Abgrenzung von Menschen ohne Internetzugang.

    Es ist die vermittelte Haltung, die suggeriert, dass es eine Parallelwelt gibt, „die da im Internet“. Zeitungsverleger sind Netzgemeinde, Schüler, Piraten, CDUler, Hausfrauen, Taxifahrer usw. Wichtig wäre eher bei Fragestellungen die Unterscheidung in soziale Gruppen oder, ob sie twittern oder facebooken.

    Was ich mir wünsche ist mehr Selbstverständlichkeit und weniger Kokettieren mit Nichtwissen.

    PS: Natürlich kann man ins Telefon hinein fragen. Das mache ich im Radio seit 25 Jahren. Nennt man mittlerweile Call-In. Öffentliche Telefongespräche. Wie sie Richard Gutjahr in der rundshow führte, als die Hangout-Verbindungen schlecht waren. Wurde die Netzgemeinde aber dadurch zur Telefongemeinde?

  2. Ich finde, dass Gutjahrs Auftritt im Moma einfach nur zeigt, wie überflüssig es ist, sich über eine „Netzschau“ lustig zu machen. Es hat in den Medien schließlich Tradition, zu schauen und zusammenzufassen, was in anderen Medien passiert und berichtet wird. Presseschauen in Hörfunk und Fernsehen zum Beispiel gibt es bis heute. Warum also nicht auch fragen „was sich im Netz tut“?

    Und die leicht überheblich wirkende Ironie, die Internet-User erheitert, weil ja auch keiner von der „Telefongemeinde“ redet, hat sich mir noch nie erschlossen. Denn mal ehrlich: Nichts täten althergebrachte Medien lieber als „ein Ohr in die Telefongemeinde werfen“, wenn sie’s denn könnten. Nur leider/glücklicherweise ist das Telefon halt kein öffentliches Medium. Das Internet aber überwiegend eben schon! Warum sollte also lächerlich sein, sich dort nach spannenden, ungewöhnlichen Themen umzusehen und darüber zu berichten? Eben. Schön also, dass sich Gutjahr selbst ad absurdum geführt hat.

  3. @Richard Gutjahr Ich denke, Glaubwürdigkeit ist das höchste Gut. Es geht hier um die Linien, die man nicht überschreiten sollte, um sie nicht einzubüßen. Aber wo verlaufen diese? Für Dich, für die, Dir Dir zusehen, Dir vertrauen? Das wird unterschiedlich sein. Es wird auch kein Patentrezept geben. Aber hilfreich ist seit jeher, nicht erst seit den Piraten – Transparenz. Du hast Dich meinen Fragen gestellt, Du hast Deine Motivation erklärt – und das wird anderen helfen, Dein Tun zu verstehen oder Dich auch doof zu finden. Das ist das Risiko. Auch für mich 😉

  4. Lieber Jörg, wir haben oft über diesen Spagat gesprochen. Ich bin froh, dass die Diskussionen der Menschen (ob im Netz oder am Telefon – völlig egal) überhaupt berücksichtigt werden. Wir alle tasten uns an dieses Thema heran und müssen uns geeignete Formen für die Verbindung beider Plattformen ausdenken. Wie Du ja selbst bemerkt hast: Ich rede nicht nur, sondern handle auch – habe wie Du weißt oft dabei auch meinen Job riskiert. Wenn Du mir vor einem Jahr gesagt hättest, dass mich der WDR ins MoMa einlädt, um dort mit iPad und offenen WLAN im Studio das Netz zu beobachten, hätte ich Dich für verrückt erklärt. Es tut sich was – und wenn ich dabei helfen darf, bin ich der letzte der sagt: Nein, Ihr macht das falsch. Lass uns mal bei anderer Gelegenheit darüber (gerne auch öffentlich) diskutieren. Ich muss jetzt zu den Mormonen 😉 Liebe Grüße aus Washington

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