Bellut, Thomas

Dr. Thomas Bellut | Foto: © Jörg Wagner
Dr. Thomas Bellut | Foto: © Jörg Wagner

„Wie schafft man Schleichwerbung völlig ab?“

Wer: Dr. Thomas Bellut, ZDF-Intendant
Was: Interview zu neuerlichen Schleichwerbevorwürfen
Wo: Berlin, ZDF-Hauptstadt-Studio
Wann: 17.01.2013, 15:38 Uhr; veröffentlicht im radioeins-Medienmagazin auf radioeins vom 19.01.2013, in gekürzter Fassung im Inforadio 20.01.2013


00:00
Jörg Wagner: Thomas Bellut, „Der Spiegel“ hat eine Titelgeschichte in dieser Woche, wo man den Eindruck hat, hier werden Dokumente veröffentlicht, die Sie z. B. als Intendant des ZDF so noch nicht gesehen haben. Nun weiß ich aber, dass das ZDF wenigstens seit 2003 in die Offensive geht, was das Problemfeld Produktplatzierung bzw. Schleichwerbung angeht. Was haben Sie denn persönlich Neues erfahren?

00:26
Thomas Bellut: Nun, ich habe einen Vertrag gesehen, der nie unterschrieben worden ist mit einer Autofirma. Ich hab den gelesen. Wenn der unterschrieben worden wäre, wäre in einem Passus das ein Versuch einer Produktplatzierung gewesen. Das geht nicht nach den Regeln. Es ist ein älterer Vertrag. Der ist nicht unterschrieben worden. Insofern habe ich nicht viel daraus gelernt, sondern wir bewegen uns in einem Thema, das wir im Grunde seit 2003 sehr intensiv bearbeiten. Wie geht man mit Partnern aus der Wirtschaft um, mit Gewinnspielen und wie schafft man Produktplatzierung oder Schleichwerbung völlig ab? Und das ist das Ziel unserer Bemühungen gewesen.

01:04
Jörg Wagner: Stefan Niggemeier, der Medienjournalist schrieb 2009 in einem Essay:

“Das ZDF scheint nicht einzusehen, dass es nicht darum geht, ob Thomas Gottschalk das Recht hat oder nicht, in ‚Wetten, dass ..?‘ demonstrativ das Logo eines Werbepartners sekundenlang in die Kamera zu halten. Es geht darum, dass das ZDF dafür Gebühren erhält, dass er das nicht tun muss. ARD und ZDF müssten offensiv erklären, was sie alles nicht machen, weil sie öffentlich-rechtlich sind: Sie müssten auf faule Kompromisse wie die Autowerbung in ‚Wetten, dass ..?‘ verzichteten, mutig und entschlossen gegen Schleichwerbung vorgehen.”

Wie gesagt im Jahre 2009! Wenn Sie jetzt ankündigen, dass das das Ziel ist, warum ist es denn bisher nicht geschehen?

01:45
Thomas Bellut: Das Ziel, Autos als Gewinnspiele zu präsentieren, ist absolut legal. Das kann man machen nach bestimmten Regeln. Das Auto wird von der Firma gestellt. Es wird kein Geld dafür gezahlt. Es wird an das Publikum sozusagen verlost, ausgeschrieben oder an den Wettgewinner aus „Wetten, dass ..?“. Und da gibt es eigentlich auch keine Grauzone.


Richtig ist, in den letzten Jahren ist der Eindruck bei „Wetten, dass ..?“, in den Gottschalk-Jahren entstanden, hier wird viel zu viel in diesem Bereich gemacht. Das geht nicht. Das ist zu viel. Das ist eine Geschmacksfrage. Diesen Eindruck teile ich. Also, insofern teile ich den Eindruck von Niggemeier, das muss nicht sein.

Wir hatten einen alten Vertrag mit Thomas Gottschalk in den Neunzigern geschlossen, da war ihm – und wir standen ja unter Druck nicht zu viel zu bezahlen, aber auch ökonomisch sinnvoll zu handeln – da hat man ihm genehmigt, statt eines hohen Honorars, dass er in der Lage ist, Partner, aber nach den Regeln natürlich, für „Wetten, dass ..?“ zu beschaffen. Das hat sein Bruder gemacht: die Gründung dieser Firma Dolce Media. Erst waren wir, das ZDF mit ZDF Enterprises, daran beteiligt.

Und das haben wir dann nach und nach zurückgefahren, weil ich glaube, nach dem Ausscheiden von Thomas Gottschalk, man sieht es ja an dem neuen „Wetten, dass ..?“ – ja man wird es noch einmal sehen, wenn im Sommer die letzte Vereinbarung mit Audi ausläuft, dass sich „Wetten, dass ..?“ völlig verändert hat. Ich möchte noch einmal hervorheben, dass das Verhalten von Markus Lanz, der jetzt „Wetten, dass ..?“ moderiert, tadellos ist. Es gibt nicht den Hauch von Kritik an der jetzigen Form der Präsentation von Gewinnspielen und in Zukunft werden wir das natürlich noch deutlicher reduzieren.

Ich glaube einfach, dass die Diskussion jetzt schon zu lange dort gegangen ist. Es müssen nur kleine Preise sein für Normalos, die sich anstrengen eine Wette zu gewinnen und mehr nicht. Das werden wir schaffen.

So, dieser Alt-Vertrag war gültig so lange Thomas Gottschalk beim ZDF moderiert. Ein einseitiger Ausstieg des ZDF wäre sehr teuer gewesen. Das war eine am Markt operierende Firma, deren Teil aber wir alle hätten heraus kaufen müssen. Da haben wir gesagt, nein – das machen wir nicht. Wir entscheiden uns für eine andere Strategie. Wir kontrollieren ganz genau, was auf dem Schirm passiert, dass dort nie etwas passiert, was nicht erlaubt ist.


Es war nicht immer einfach, das gebe ich im Nachhinein zu, diese Punkte genau zu kontrollieren. Es gab gelegentlich Präsentationen von Autogewinnen z. B., die uns nicht richtig vorkamen, die übertrieben waren. Und das geht nicht. Es gibt da ganz klare Regeln, die übrigens für alle Sender gelten. Das ist ja nichts, was nur das ZDF macht. Das ist in allen Sendern üblich.

Im Maße ist es bei uns gering. Und in dem Fall gab es gelegentlich wirklich den Eindruck, es wird übertrieben. Und das haben wir korrigiert. Und dann lief es über viele Jahre korrekt. Nach meinem Eindruck. Wir kontrollieren natürlich jetzt ganz exakt, gab es tatsächlich vielleicht doch den Versuch, uns über die Firma Dolce Media bestimmte Sachen unterzuschieben. Ja, das ist ja das Gefährliche. Ein Gewinnspiel ist für jeden Zuschauer zu erkennen, wenn es korrekt gehandhabt wird auch auch nicht problematisch, aber das Unterschieben, das, was man dann als Schleichwerbung bezeichnen könnte, dass also irgendein Produkt gegen Bezahlung in eine Sendung gebracht wird und wie nebenbei dann dem Zuschauer untergejubelt wird …

05:03
Jörg Wagner: … die Gummibärchen zum Beispiel.

Thomas Bellut: Das war ein früherer Fall, ja. Das war jetzt auch direkt … ja, aber wir haben das dann beendet. Das hat Thomas Gottschalk damals nicht gefallen, ja. Aber das war klar nach der Bewertung der Juristen, an die ich mich immer gehalten habe, es geht nicht. Damit war Schluss damit.

05:21
Jörg Wagner: Unabhängig davon, ob nun der „Spiegel“ für seine eigene Auflage diese Titelgeschichte aufs Frontcover gehoben hat oder ob es auch berechtigte Zweifel gibt, ob beim ZDF möglicherweise das zu lange dauert, sind die öffentlich-rechtlichen Anstalten momentan sehr stark in der Kritik, was Programminhalte betrifft, was Verträge betrifft, was auch Honorare betrifft. Welche davon sind aus ihrer Sicht berechtigt im Zusammenhang mit der Gebühren/Beitragsumstellung?

05:51
Thomas Bellut: Also, dass das öffentlich-rechtliche System gerade jetzt, wo die Gebühren umgestellt werden auf Haushalte, das halte ich für normal. Ich glaube, es ist nicht gut, wenn man ein solches Haus wie das ZDF leitet, wenn man sich versteckt. Man muss diese Diskussion führen. Deswegen sehe ich es ehrlich gesagt auch gar nicht als tragisch an, dass der „Spiegel“ dieses Thema noch einmal aufgegriffen hat. Wir haben alle Fragen dem „Spiegel“, als er über uns recherchiert hat, versucht zu beantworten.

Bisher, ich darf das nur noch einmal sagen, das was suggeriert wird, auch teilweise geschrieben wird, das sei Schleichwerbung gewesen, können wir nicht bestätigen. Es gab nach unserem jetzigen Kenntnisstand keine Schleichwerbung. Wir haben an Dolce Media, also an Christoph Gottschalk geschrieben: Bitte, wenn es solche Verträge gibt, ich will sie haben. Das Schreiben, hat er uns bestätigt, ist angekommen, ja. Und jetzt warte ich auf die Antwort. Aber, solange die nicht da ist, kann ich mich noch nicht verbindlich äußern. Auf unserer Seite checken wir noch einmal alles, ob es da vielleicht doch etwas gegeben hat. Bisher ohne Ergebnis.

06:51
Jörg Wagner: Noch einmal die Frage. Was ist möglicherweise berechtigte Kritik? Gab es so etwas wie eine Kommunikationsschwierigkeit dem Gebühren-, jetzigen Beitragszahler zu erklären, was da eigentlich passiert?

07:03
Thomas Bellut: Also, wenn ein Ergebnis nicht stimmt und die Diagnose: irgendetwas ist da schief gelaufen, die muss ich natürlich ernst nehmen. Das müssen wir überlegen, aber es gab zahlreiche Ansätze zu informieren, nicht nur im Programm, sondern auch über Printangebote, im Internet. Der Versuch wurde gemacht. Dieses Angebot auf Information wurde nicht so rege angenommen. Jetzt, wo die Umstellung passiert ist und einige Zeitungen in Schlagzeilen darüber berichten, gibt es ein gewisses nicht überbordendes, aber anwachsendes Interesse. Deshalb müssen wir uns bemühen, das klarzumachen.

(wörtliches Transkript)








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