Keese: Leistungsschutzrecht – „gute Lösung“

Christoph Keese | Foto: © Jörg Wagner
Christoph Keese | Foto: © Jörg Wagner


Snippet oder/und kürzester Textauszug? Fällt diese Suchausgabe unters Leistungschutzrecht?

Screenshot: Google
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„Die Verlage können mit dem Ergebnis zufrieden sein.“

Was: Statements zum Leistungsschutzrechtsgesetz nach der Abstimmung im Deutschen Bundestag am 01.03.2013
Wer: Christoph Keese, Konzerngeschäftsführer Public Affairs Axel Springer AG; vertritt gemeinsam mit Prof. Robert Schweizer von Burda alle deutschen Zeitungs- und Zeitschriftenverlage in Fragen des Urheberrechts
Wann: 02.03.2013, veröffentlicht im radioeins-Medienmagazin, rbb


1. Das Leistungsschutzrechtsgesetz wurde kurz vor der Abstimmung geändert. Verschlimmbessert? Oder sind Sie zufrieden?

Nun, die Verlage können mit dem Ergebnis des jetzt verabschiedeten Leistungsschutzrechtes doch zufrieden sein. Es ist längst nicht alles dort aufgenommen worden, was Verlage vorgeschlagen hatten. Es ist aber doch eine gute Lösung. Die Veränderungen, die am Gesetzestext und an der Begründung noch kurz vor der Verabschiedung vorgenommen worden sind, sind aus Sicht der Verlage durchaus akzeptabel. Warum? Was ist geändert worden?

Der Gesetzgeber hat noch einmal deutlich gemacht, dass das Leistungsschutzrecht nicht darauf abzielt, Überschriften oder kürzeste Auszüge aus Texten unter das Leistungsschutzrecht fallen zulassen. Also, einzelne Worte, Schlagzeilen, wie zum Beispiel ‚Bayern schlägt Schalke‘ sollen ausdrücklich nicht umfasst sein, aber die so genannten Kurzzusammenfassungen, die in den Nachrichten-Aggregatoren, in den zusammenfassenden Diensten angezeigt werden, sollen durchaus davon erfasst werden. Man spricht hier von so genannten Snippets. Diese Snippets ausdrücklich sind Bestandteil jetzt auch des Leistungsschutzrechtes.

Das hat der Gesetzgeber sehr deutlich zum Ausdruck gebracht. Der Wille des Gesetzgebers ist deutlich manifestiert worden in der parlamentarischen Debatte im Bundestag. Die Redner der Regierungsfraktion, also der Mehrheit mit deren Stimmen das Gesetz verabschiedet worden ist, haben deutlich gemacht, dass diese Snippets umfasst sein sollen. Und damit sind sie einem Vorschlag der Verlage deutlich entgegengekommen. An der Stelle lohnt es sich, sich die Rede einmal anzuschauen, die Dr. Günter Krings, der stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Union im Bundestag gehalten hat. Ich zitiere. Er sagt:

„Genau so aber, wie dieses Gesetz niemals eine Lex Google war, ist auch die Ausnahme, die wir Mittwoch im Rechtsausschuss beschlossen haben, nicht dazu geeignet, dass jetzt Suchmaschinen insgesamt herausfallen. Für mich war’s eine wichtige Klarstellung, denn wir wollten von vornherein ein schlankes Leistungsschutzrecht. Aber zur Beruhigung: auch aufgrund der Änderung am Mittwoch und der eingefügten Klarstellungen unterfallen so genannte Schnipsel-Angebote – man kann das auch auf Deutsch sagen, was sonst als Snippet bezeichnet wird – und da fallen so genannte Schnipselangebote von Suchmaschinen immer noch dem Leistungsschutzrecht, wenn sie eben über eine Überschrift und einige wenige Wörter hinausgehen.“

So viel zum Zitat von Herrn Dr. Krings. Er hat also an der Stelle in seiner Bundestagsrede sehr deutlich gemacht, dass Snippets enthalten sind. Und insofern stellt die Änderung, die im Rechtsausschuss am Mittwoch beschlossen worden war, keine Verschlimmbesserung für die Verlage dar, sondern das ist eine Verdeutlichung dessen, was der Gesetzgeber von Anfang an hatte regeln wollen.

2. Ist das Leistungsschutzrechtsgesetz praktikabel oder müssen Sie jetzt mit Suchmaschinen und Aggregatoren um Wörter feilschen?

Nun, jedes Gesetz muss abstrakte Normen formulieren. Gesetze sind dann gut und halten sich über die Jahre und halten den Test der Zeit aus, wenn sie Normen formulieren, die hinreichend abstrakt sind, um komplexe Sachverhalte auch in der Zukunft zu erfassen. Der Gesetzgeber hat immer wieder in vielen unterschiedlichen Rechtsgebieten die Erfahrung gemacht, dass er nicht gut damit fährt, wenn er Gesetze zu konkret ausgestaltet, weil sie damit [durch] Änderungen der Umstände sehr schnell auch an Bedeutung und Gültigkeit und auch Praktikabilität verlieren.

Deswegen gibt es aus guten Gründen in Gesetzen abstrakte Normen. Auch im Urheberrechtsgesetz, um das es hier geht, gibt es abstrakte Normen aber auch in anderen Gesetzen ist das der Fall. Denken Sie beim Bürgerlichen Gesetzbuch an den Eigentumsbegriff oder die Formulierung „Treu und Glauben“, ganz wichtige Rechtsbegriffe, die im Gesetz eigentlich nicht weiter spezifiziert sind, gar nicht definiert worden sind, sondern in der Rechtsprechung, in der Rechtsanwendung dann ihren Kerngehalt gefunden haben.

So ist es auch hier. Hier haben wir es mit einer abstrakten Norm zu tun, die nicht in Wörtern oder Buchstaben ausdrücklich ausformuliert, wie lange Textauszüge sein können oder sein müssen, damit sie nicht vom Leistungsschutzrecht umfasst werden, sondern der Gesetzgeber hat auf eine abstrakte Formulierung zugegriffen. Er spricht von „einzelnen Wörtern“, ohne sie mit einer Zahl zu benennen oder „sehr kurzen Auszügen“ aus Texten ohne eine Buchstabenzahl anzugeben. Und das ist auch richtig.

Wenn Sie fragen, ob das Gesetz dadurch verkompliziert wird in der praktischen Anwendung, dann heißt die Antwort ganz eindeutig: nein. Das ist nicht der Fall. Warum ist das nicht der Fall? Alle Leistungsschutzrechte, die es jetzt schon im Gesetz gibt, beispielsweise für Musik, Film, Fernsehen – diese Leistungsschutzrechte bestehen seit vielen Jahrzehnten – in diesen Leistungsschutzrechten sind die Rechtsbegriffe auch nicht deutlicher, nicht klarer, nicht konkreter formuliert, sondern ganz im Gegenteil, sie sind noch abstrakter formuliert.

Es ist noch weniger im Gesetz definiert und trotzdem lassen sich diese Vorschriften in der Praxis seit vielen Jahrzehnten völlig problemlos anwenden. Da findet sowohl der Richter, der damit befasst wird relativ schnell eine Auslegung, die sich dann durchsetzt, die dann auch Teil der Rechtsliteratur wird, aber auch in der praktischen, wirtschaftlichen Verhandlung finden die Parteien zueinander schnell eine Lösung. Das ist nicht Aufgabe des Gesetzgebers, denke ich, hier konkrete Vorschriften zu machen, sondern er muss einen Rechtsrahmen setzen. Diesen Rahmen auszufüllen, ist aber Sache der beteiligten Verhandlungspartner, deswegen kann man, glaube ich, zuversichtlich sein, dass es auch hier, genau wie in den anderen kreativen Branchen zu schnellen und gütlichen, wirtschaftlichen Einigungen kommt.

Da spricht nichts gegen, zumal Verlage immer wieder erklärt haben, dass sie an dem Zu-Stande-Kommen solcher Einigung ein großes Interesse haben. Sie wollen hier ein Geschäft machen. Sie haben auch oft erklärt, dass es ihnen nicht daran liegt, abschreckende, prohibitive Preise zu erheben, sondern ganz im Gegenteil, sie möchten Angebote machen, die auch angenommen werden und nicht Angebote machen, die aufgrund überhöhter Preise nicht angenommen werden. Also, wir werden schnell erleben, dass das Leistungsschutzrecht in kürzester Zeit in eine geordnete Anwendungspraxis übergeht.

Sowohl wirtschaftlich, als wahrscheinlich auch juristisch und es ist keine gewagte Prognose, wenn man sagt, dass die aufgeregte Debatte, die jetzt geführt worden ist, schnell an Aufregung verlieren wird und das Schutzrecht sich genau so problemlos in die wirtschaftliche Wirklichkeit einfügt, wie andere Leistungsschutzrechte das auch getan haben. Deswegen viel Aufregung jetzt. Ein Sturm im Wasserglas. Aber wir werden uns wahrscheinlich alle gemeinsam in wenigen Jahren, vielleicht auch schon früher nicht mehr wirklich daran erinnern können, was eigentlich Grund dieser Empörung und Aufregung war, wie wir sie doch in der Debatte teilweise haben feststellen können. Leider.








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