dju: dapd-Insolvenz – Hoffen auf ein Wunder

Planlosigkeit bei dapd

Wer:
* Cornelia Haß, dju-Bundesgeschäftsführerin (Foto)
* Vera Linß, Medienjournalistin
Was: Interview zur zweiten dapd-Insolvenz
Wann: 07.03.2013, ca. 17:20 Uhr
Wo: Berlin


(wörtliches Transkript)

00:00
Vera Linß: Im Moment kursieren ja die wildesten Verschwörungstheorien. Dass alles von langer Hand geplant gewesen sei und jetzt hätten wir das Ergebnis. Was halten Sie von solchen Ideen?

Cornelia Haß: Ich glaube nicht, dass es einen großen Plan gegeben hat, das Ding jetzt ein zweites Mal so an die Wand fahren zu lassen. Mir wäre nicht klar oder einleuchtend, was da für eine Strategie dahinter stecken sollte, was damit für ein Ziel erreicht werden soll. Ich habe eher den Eindruck, dass aus einer ganz großen Planlosigkeit jetzt die Tatsache entstanden ist, dass der Laden einfach gegen die Wand gefahren ist. Was sicherlich so weder beabsichtigt noch gewollt gewesen ist. Es ist einfach passiert und das zeugt aus meiner Sicht von einer Planlosigkeit.

Vera Linß: Sie haben ja Ulrich Ende auch erlebt in Berlin auf einer Diskussionsveranstaltung vor einigen Wochen. Was war Ihr Eindruck von ihm als Manager oder als Geschäftsführer dieser Agentur?

00:52
Cornelia Haß: Es wäre vermessen zu sagen, dass ich nach dieser Veranstaltung schon diese schnelle negative Entwicklung hätte absehen können. Aber ich war schon entsetzt darüber, wie Herr Ende mit Zahlen jongliert hat und einen Arbeitsplatzabbau versucht hat, durch prozentuale Berechnungen klein zu reden, der objektiv stattgefunden hat. Und wie alles überhaupt so unter so einem Mantel des Wohlbefindens zusammengekuschelt wurde, ohne dass mir klar geworden ist an diesem Abend, was er eigentlich mit der Agentur vorhat. Wie er sie erfolgreich in die Zukunft fahren will. Da ist mir schon ein bisschen angst und bange geworden.

Vera Linß: Ein Thema sind ja auch die Investoren. Bis zum Schluss hat er ja auch nicht offen gelegt, wer eigentlich investieren sollte und auch investiert hat. Zwei wurden genannt, aber nicht das gesamte Paket. Ist das eigentlich üblich, dass man sich da so bedeckt hält?

01:43
Cornelia Haß: Ich fand das eher unüblich. Oder, ich fand das tatsächlich sehr befremdlich. Ich hätte mir gewünscht, dass da eine Transparenz hergestellt worden wäre. Dass man auch so ein bisschen einschätzen kann, wie viel Geld ist da eigentlich im Hintergrund vorhanden? Denn es war klar, es würde Investitionen geben müssen in die Akquise neuer Agenturpartner, in die Akquise neuer Kunden, dass das nicht zum Nulltarif zu haben sein würde und auch schon gar nicht jetzt nach dem Arbeitsplatzabbau, dass da alles so weitergehen könnte, wie vorher, das wäre nicht möglich gewesen. Also musste Geld her und ich fand es nicht positiv für die Aussichten der Agentur, nicht zu wissen, wer da tatsächlich in diesem fünf- oder siebenköpfigen Konsortium drinsteckt und was sich da tatsächlich für Gelder verbergen.

Vera Linß: Nun war ja ein Argument dafür, dass es die Insolvenz jetzt gegeben hat, nach so kurzer Zeit wieder eine Insolvenz, ein Argument waren diese Kündigungsschutzklagen. Dass man gesagt hat, das belastet uns finanziell so sehr, dass die Investoren zurückgeschreckt haben und dass darum das Geld nicht reicht. Was halten Sie von dieser Argumentation?

02:51
Cornelia Haß: Ich finde diese Argumentation nicht nur fadenscheinig, sondern ausgesprochen zynisch. Da werden die Kolleginnen und Kollegen, die gekündigt worden sind, ausgespielt gegen die, die jetzt um ihre Arbeitsplätze bangen. Und es wird mit den Fingern noch mal auf sie gezeigt und wird gesagt, kuck mal, die sind Schuld daran, dass es uns jetzt so schlecht geht. Das ist totaler Quatsch. Als diese Kündigungen ausgesprochen worden sind, hätte allen Beteiligten klar sein müssen, dass das ein rechtlich angreifbares Verfahren ist, das damals gewählt worden ist und diese Kündigungsschutzklagen sind rechtmäßig. Da versuchen Beschäftigte ihr gutes Recht einzuklagen. Und das jetzt als Vorwand zu nutzen, um die eigene Unfähigkeit, ein vernünftiges, tragfähiges wirtschaftliches Konzept aufzubauen, dass das jetzt als Vorwand benutzt wird, das ist aus meiner Sicht kaum noch zu überbieten und es macht mich immer wieder richtig wütend, so was zu hören.

Vera Linß: Das hätte also Herr Ende auch von Anfang an sehen müssen, dass das ein Posten sein wird, der auf ihn zukommen wird und den er halt mit kalkulieren muss?

03:51
Cornelia Haß: Das ist richtig. Es war abzusehen, dass es entsprechende Klagen geben würde, und das muss dann in einem seriösen Konzept Teil der Finanzplanung sein. Und es müssen trotzdem noch genug andere Gelder da sein, um notwendige Investitionen vorzunehmen. Man kann da nicht sagen, ach das ist jetzt ganz spontan über uns gekommen. Das war absehbar.

Vera Linß: Nun gibt es doch noch mal Insolvenzgeld, also bis April wird gezahlt, noch zwei Monate. Was kann Ihrer Meinung nach in dieser Zeit passieren mit der Agentur?

04:20
Cornelia Haß: Ja, wir hoffen natürlich alle, dass ein Wunder geschieht. Da würde ich mich in die erste Reihe derer stellen, die der Agentur eine gute Zukunft wünschen. Ich höre aus der Belegschaft, dass es da eine sehr zwiespältige Stimmung gibt. Die einen bauen und hoffen auf dieses Wunder. Die anderen sprechen eher von einer Geisterstimmung. Ich kann beides den Kolleginnen und Kollegen überhaupt nicht verdenken. Und außer auf ein Wunder zu hoffen, bleibt, glaube ich, in diesen zwei Monaten wenig, es sei denn, es gibt konkrete Pläne, von denen wir alle noch nichts wissen. Dann würde ich mir aber wünschen, dass es jetzt allerhöchste Zeit ist, diese Pläne zu veröffentlichen. Weil, jeder Tag, der verstreicht, schreckt natürlich auch potentielle Kunden ab.


(Foto: © Vera Linß)







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