(00:00)
Vera Linß: Radio Berlin International war ja sozusagen der Auslandsrundfunk der DDR gewesen. Gibt es da Parallelen, außer dass es natürlich ein Auslandsrundfunk ist, zur Deutschen Welle?
(00:10)
Hannelore Steer: Naja gut, die Parallele ist, dass wir unabhängig jetzt von der Ideologie, der wir unterworfen waren zu großen Teilen in der DDR, das wissen Sie ja, war natürlich der Auftrag erstmal zu informieren, auch über die DDR. In wieweit das dann beeinflusst war von ideologischen Fragen oder von dem worüber man nicht informiert hat … aber erstmal war Information und dann war es die Darstellung des Lebens in der DDR, in den verschiedensten Bereichen, um den Ausländern, ich sag mal schon zu sagen, das Leben in einer sozialistischen Gesellschaft ist schon ein gutes Leben und ist lebenswert. Das war das. Und auf der anderen Seite, die Parallele ist natürlich, dass alle Auslandssender, da können Sie die Deutsche Welle nehmen, da können Sie Radio France International nehmen, da können Sie auch … na BBC nicht ganz … aber dass man natürlich über das Land erstmal informiert: über die Kultur und über andere Bereiche. Und für uns war das immer mit der Kultur am leichtesten, sag ich mal. Wir haben auch informiert über die Landwirtschaft, weil wir ja viel in Entwicklungsländer gesendet haben. Also das, ich will mal sagen, das ist so das, wo man erstmal gleiche Aufgaben, förmlich gesehen bedient hat. Also Information über Politik und über das Land und dann auch die Haltung oder die … die, ja doch die Haltung des Landes, der Regierung des Landes, zu den wichtigen internationalen Fragen. Um das mal so zu sagen. Für uns kam noch dazu, dass wir sehr viel uns beschäftigt haben mit der Solidarität für die, sage ich mal, damals schon befreiten afrikanischen Völker, für die Vietnamesen während des Vietnamkriegs. Ja und das mal kurz gesagt. Und natürlich auch mit Lateinamerika und mit Chile nach dem Sturz von Pinochet im Jahre 1973 war ein Schwerpunkt der Sendungen von Radio Berlin International nach Lateinamerika war natürlich die Unterstützung des chilenischen Volkes. Und für uns in der Afrikaredaktion, in der ich gearbeitet habe, war es natürlich … ja doch die Unterstützung des Freiheitskampfes in Südafrika, Namibia usw. und darüber auch die Informationen in unseren Sendungen und auch Beiträge, Reportagen, in denen wir berichtet haben über das, was in der DDR passiert zur Unterstützung dieser Völker.
(02:43)
Vera Linß: Wie breit war denn das Spektrum von RBI? War das auch so, dass man gesendet hat in die ganze Welt oder gab es wirklich so ausgewählte Regionen, auf die man sich konzentriert hat?
(02:41)
Hannelore Steer: Naja, mehr oder weniger die ganze Welt. Also, wir haben in 13 Sprachen gesendet. Wir haben in Französisch und Spanisch und Portugiesisch gesendet. Das ging natürlich auch in die europäischen Länder, aber auch französischsprachig und dann in die Schwerpunktländer nach Afrika. Das war ein Schwerpunkt. Der zweite Schwerpunkt waren die arabischen Länder. Wir haben auch in Arabisch gesendet. Der dritte Schwerpunkt, wenn Sie so wollen, war – ohne jetzt eine Rangfolge aufmachen zu wollen – war Lateinamerika und dann war es Asien. Nach Asien haben wir gesendet, wie ich schon gesagt habe, in Englisch und Französisch. Und wir haben auch gesendet in Hindi nach Indien. Also das waren so unsere Schwerpunktsprachen und unsere Schwerpunktländer. Es ging schon eigentlich im weitesten Sinne, diesen Begriff benutzen wir heute alle nicht mehr, aber es ging um die Entwicklungsländer sehr viel.
(03:33)
Vera Linß: Nun gab es ja die Wende. Gab es da die Hoffnung oder wie stark war die Hoffnung, dass das Programm teilweise oder vollständig in die Deutsche Welle integriert werden könnte oder das man da irgendwie eine Art Fusion herstellen hätte können?
(03:44)
Hannelore Steer: Tja, das ist ein Punkt, der wäre heute noch … wie soll ich sagen? Der geht mir heute noch an’s Herz. Also, es war im Februar, wenn ich mich recht erinnere, aber ich glaube, es war im Februar 1990. Nachdem bei Radio Berlin International zu großem Teil die Führungskräfte also … nicht mehr da waren, die alten, sondern andere gewählt hatten. Da kam der Intendant der Deutschen Welle, der Herr Weirich, zu uns nach Berlin, zu Radio Berlin International, hat also Kontakte mit uns angeknüpft, mit dem Intendanten damals unseres Senders, den wir nicht abgelöst hatten, den Klaus Fischer. Und dann kam er zu uns in die Redaktionskonferenz, in der alle vertreten waren, alle Redaktionen, die Leiter aller Redaktionen und hat über seine Ideen gesprochen. Und die Idee von ihm war, dass er eigentlich angestrebt hat eine Fusion zwischen Deutscher Welle und Radio Berlin International. Das war der Auftakt, dass er bei uns war, uns das erläutert hat, uns damals schon seine Visionen vom Fernsehen in der Deutschen Welle berichtet hat, was wir alle sehr interessant fanden, weil das war damals glaub ich … er war der erste, der davon sprach. Und der Erfolg hat ihm ja dann Recht gegeben, das Fernsehen sozusagen das Medium ist, was auch für die Deutsche Welle zukunftsträchtig ist und interessant. Ja, und danach gab es dann Gespräche auf anderen Ebenen. Also z. B. mit dem Programmdirektor, Herrn (Josef M.) Gerwald von der Deutschen Welle und mit den Leitern der verschiedenen Redaktionen, wo man sich unterhalten hat: „Wie könnte man die Frequenzen verschränken?“ Die waren natürlich sehr interessant für die Deutsche Welle, weil es waren gute Frequenzen. „Und wie könnte man auch das Programm oder Programmteile verschränken?“. Das heißt, wir haben damals … die Kollegen von der Deutschen Welle sind zu uns nach Berlin gekommen, wir sind nach Köln gefahren mit einigen – also zwei, drei Leute immer – und haben also dort Gespräche geführt und haben schon ziemlich konkret da … also wir wurden natürlich gefragt: „Was habt Ihr denn alles gemacht? Habt Ihr nur Ideologie gemacht oder habt Ihr auch andere Sendungen gemacht?“ Und dann haben wir erzählt, was wir gemacht haben, welche Art und Weise wir auch sehr interessante Reportagen gemacht haben. Z. B. über Dörfer in der DDR. Der Hauptteil unserer Hörer lebte ja in den Dörfern. Also, solche Sachen, das fanden Sie dann wieder ganz interessant und waren, glaube ich, das kann ich heute auch so sagen, doch ziemlich erstaunt, dass es nicht nur Zitate gab aus den Berichten von Erich Honecker in ZK-Sitzungen der SED oder im Staatsrat oder so, sondern, dass es auch interessante Sendungen gab über das ganz normale Leben in der DDR usw. Also, wir waren da auf, wie wir meinten, auf ’nem ganz guten Weg und haben natürlich Hoffnung gehabt, alle Kollegen. Insgesamt hatte RBI ca. 240 Mitarbeiter, alle mit Redaktion und Sekretärin usw. und die Technik nicht, die gehörte zur Post. Also, das war natürlich große Hoffnung. Und ich kann mich noch erinnern, ich war ja damals um die Jahreswende zur Chefredakteurin von RBI gewählt worden und wenn ich durch den Gang ging in der Nalepastraße, 100 Meter oder länger war dieser große Redaktionsgang, dann weiß ich nicht … alle Türen standen immer auf, das war so Sitte bei uns von den Arbeitszimmern, alle guckten, alle fragten: Meinst Du, dass das was wird mit der Deutschen Welle? Und ich hab immer gesagt: „Ich weiß es nicht, ich will alles dafür tun.“ Aber ich … also, das war ’ne schwierige Situation. Also, um’s kurz zu machen. Das ging ’ne Reihe von Monaten. Zwei, drei Monate, ich glaube ungefähr drei Monate kann man sagen, war dieser Traum für uns und die Idee von der Fusion. Danach … auf einmal hieß es: also Fusion, das wird es nicht geben. Möglicherweise wird es eine Dependance geben von der Deutschen Welle in Berlin. Und dann ging es darum, dass maximal 100 bis 110 Kolleginnen und Kollegen dort arbeiten könnten. Und da musste ich dann überlegen, welche Kolleginnen und Kollegen schlage ich vor.
(07:36)
Vera Linß: Vielleicht können Sie noch mal kurz sagen, wann war Herr Weirich das erste Mal bei Ihnen? Ich weiß nicht, ob Sie es gesagt haben oder ob ich es überhört habe?
(07:42)
Hannelore Steer: Februar habe ich gesagt. Das muss im Februar 1990 gewesen sein. Da kam er zu uns und hat sich vorgestellt und hat erzählt von seinen Ideen, dass er sich vorstellen könnte, dass es eine Fusion geben könnte zwischen Deutscher Welle und Radio Berlin International, was wir natürlich schon ganz interessant fanden, denn ich meine, wir haben die Programme der Deutschen Welle nicht hören können bei uns, aber wir wussten schon, was die Kollegen machen, ne? Und wir waren auch überzeugt, dass wir was leisten können. Weil, das wussten wir, in der Deutschen Welle waren die Fremdsprachenredaktionen … die Sendungen in den fremden Sprachen wurden zu großen Teilen, zu größten Teilen von Muttersprachlern gemacht. Bei uns war es nicht so. Wir hatten in den verschiedenen Redaktionen auch ein paar Muttersprachler , aber die konnten Sie an zwei Händen abzählen. Bei uns war es so, dass wir alle diese Sprachen studiert hatten und das gelernt hatten. Und in den Sprachen … also, ich hab Afrikanistik studiert, hab‘ in Swahili Sendungen gemacht. Und andere Leute hatten Lateinamerikanistik studiert und hatten Spanisch und Portugiesisch gelernt usw. Wir hatten einen Kollegen, der sprach wunderbar Hindi. Der kam dann später zur Deutschen Welle, eine andere Geschichte … also, den haben sie alle dort angestarrt. In Indien auch, weil der so gut … also… wir hatten … das war ein Unterschied. Und wir waren ganz gespannt und waren auch, also … wir hatten große Hoffnungen darauf gesetzt.
(09:01)
Vera Linß: Ist es ein Vorteil, wenn man nicht Muttersprachler nur hat, sondern halt auch Deutsche, die halt diese andere Sprache, in der dann gesendet wird, studiert haben?
(09:09)
Hannelore Steer: Ich glaube, das ist gut, wenn man ein gutes Gemisch hat. Also, wenn man ein gutes Gemisch hat von Muttersprachlern und von deutschen Kollegen, die die Sprache richtig gut können. Ich hatte in Leipzig am Afrikainstitut eine hervorragende Ausbildung und andere auch. Also, was jetzt meine Swahili-Kenntnisse und … auch unsere anderen Kollegen … also, wir hatten in der DDR generell eine ziemlich gute Sprachausbildung. Und insofern ist das eine wunderbare Befruchtung, weil man auch den ausländischen Kollegen, die sich ja nicht so gut auskannten, wenn sie neu waren, auch nach zwei, drei Jahren nicht. Wir wissen, wenn wir ins Ausland gehen, dass sie so, also … die Besonderheiten des Lebens kennen, auch auf kulturellem Gebiet. Das heißt, es ist ganz anders möglich mit einander zu diskutieren, wenn man also in der Sprache, in der man sendet, gemeinsam diskutiert und die Dinge auch anders erklären kann. Also, ich glaube, das ist eine ziemlich gute … also, so eine Symbiose finde ich persönlich sehr gut.
(10:02)
Vera Linß: Sie sagten, dass Herr Weirich bei Ihnen war und dass Sie Kontakt zu den Mitarbeitern der Deutschen Welle auch hatten, mit den leitenden Mitarbeitern. Hatten Sie das Gefühl, dass da auch so wirklich der Wunsch von beiden Seiten war, dass man zusammen geht und wirkliche ’ne echte Fusion macht?
(10:15)
Hannelore Steer: Also, der Wunsch war vielleicht nicht bei allen gleich, wie ich das beurteile. Es ist immer schwierig, wenn man subjektiv beurteilt … also, ich hatte bei ein, zwei Leuten, sagen wir mal, das wage Gefühl, dass wir nicht unbedingt die willkommensten Leute waren. Aber andererseits hatte ich bei vielen Kollegen, also dem damaligen Leiter der Afrikaredaktion, auch bei Herrn Gerwald, dem Programmdirektor und bei anderen, die ich kennen gelernt habe, ich habe auch heute nicht mehr alle Namen im Kopf, aber hatte ich das Gefühl, dass die es zumindest spannend fanden, weil … ich meine man muss dazu wissen, viele haben sich ja die … dass wir die Einheit erreicht haben, unseres Landes, das war ja nicht nur für uns im Osten schön, das war ja für viele auch im Westen, die auch jahrelang gedacht haben: „Mensch, Zusammensein, das ist toll.“ Und das hat sich auch widergespiegelt. Und die kamen uns auch so entgegen, dass sie das toll finden und interessant finden und spannend, wenn wir zusammen was machen. Und wir alle, sowohl die Mitarbeiter der Deutschen Welle, als auch wir, wir waren ja alle … unser Hauptziel war ja für uns eigentlich alle wirklich gute Programme zu machen, ja? Gute Programme für die Sendegebiete und spannende Programme. Und in sofern war das ja auch, dass die auch dachten: „Och das mit den Ossis da.“ Das Wort Ossis existierte noch nicht. „Aber das kann ja ganz spannend werden. Und die Erfahrung, die die haben …“ Wir haben ja auch über unsere Erfahrung … das fanden die ganz spannend und wir sowieso auch, ja.