Tilo Jung: Reden wir über Dein neues Projekt. Du kooperierst jetzt mit Glenn Greenwald?
Jeremy Scahill: Wir sind Superhelden.
Tilo Jung: Erzähl bitte mehr.
Jeremy Scahill: Das ist das erste Mal, dass ich darüber spreche. Meine Partner sind Glenn Greenwald, der bisher für den Guardian über Edward Snowden und die von ihm geleaketen NSA-Papiere geschrieben hat und Laura Poitras, eine tolle Filmemacherin, die gerade in Berlin lebt. Glenn und Laura haben bei dem Snowden-Projekt zusammen gearbeitet. Wir reden schon seit längerem über ein gemeinsames journalistisches Projekt.
Tilo Jung: Ein Blog?
Jeremy Scahill: Kein Blog.
Tilo Jung: … ein YouTube-Kanal?
Jeremy Scahill: Nein, auch kein YouTube-Kanal. Wir denken an professionellen, investigativen Journalismus. Wir verfügen über Erfahrungen mit ganz unterschiedlichen Medien. Wir denken über eine neue Adresse nach, die einen reaktionsschnellen Journalismus ermöglicht, der schnell und gut Details aufbereitet. Wir denken auch darüber nach, wie wir den Prozess demokratisieren können, in dem wir Enthüllungen ermöglichen. Wir waren in der frühen Diskussionsphase unseres Projekts, als der ebay-Gründer Pierre Omidyar Glenn erzählte, dass er über den Aufbau eines Medienprojekts nachdenkt. Er wollte von Glenn wissen, ob er sich vorstellen könnte, da mitzumachen. Er wusste nichts von unseren Projekt. So kamen wir ins Gespräch, haben uns mehrmals getroffen. Am Ende einigten wir uns. Das wird ein Kooperationsprojekt. Da werden brillante junge und sehr erfahrene Journalisten zusammen arbeiten. Das ist alles noch dabei, sich zu entwickeln, als vorgestern dieses Leak rauskam. Darüber bin ich gar nicht glücklich, aber ich kann das auch nicht wie Obama verfolgen.
Tilo Jung: Ich wollte schon sagen…
Jeremy Scahill: Ich bring sie zur Strecke, räuchere sie aus und mach daraus eine George Bush Nummer. Egal. Als es rauskam, dass wir an einem gemeinsamen Projekt arbeiten, konnten und wollten wir noch nicht auf Details eingehen. Wir befinden uns immer noch in der strategischen Planung. Es ist alles so aufregend. Unser Ziel ist klar: Wir wollen harten, punktgenauen Journalismus ermöglichen.
Tilo Jung: Es ist doch kein Zufall, dass ihr an so einem Projekt zusammenarbeitet. Dafür gibt es einen Grund. Wie möchtet ihr anders arbeiten? Was läuft im Journalismus falsch? Was wollt ihr anders machen?
Jeremy Scahill: Wir finden es gut, dass Pierre nicht auf ein altmodisches Hierarchiemodell setzt, in dem Redakteure den Reportern vorschreiben, was sie tun sollen. Wir bevorzugen ein horizontales Modell, in dem die Redakteure die Arbeit der Reporter unterstützen. Wir werden keine Leute fest anstellen. Wir setzen auf Leute, die durch ihre Arbeit bewiesen haben, dass sie großartige Journalisten sind. Für sie schaffen wir Raum, damit sie arbeiten können, ohne durch Hierarchien oder Routinen behindert werden.
Tilo Jung: Das klingt wie Schlaraffenland.
Jeremy Scahill: (lacht)
Tilo Jung: Das ist wie im Paradies, kein Chef, den du darum bitten musst, eine story schreiben zu dürfen, oder der dir irgendwelche Vorschriften macht
Jeremy Scahill: Bei der CIA heißt das, die Hosen von den großen Jungs anzuziehen. Nene, jeder soll machen, was er am besten kann. Wir möchten mit Leuten zusammenarbeiten, die bewiesen haben, warum sie unseren Respekt verdienen. Für sie ist unser Projekt gedacht. Das klingt tatsächlich wie der Traum eines jeden Journalisten. Wir sind aber nicht naiv. Es wird nicht leicht. Wir denken an ein Modell ohne Chefs. Wir werden herausfinden, wie das funktioniert. Und wir möchten Teams von erfahrenen Leuten zusammen bringen, die ihre eigenen Projekte durchziehen, für ernst zu nehmenden Journalismus.
Tilo Jung: Und wenn es Probleme gibt? Was ist, wenn einer Scheiße baut? Könnt ihr ihn rausschmeißen?
Jeremy Scahill: Glenn wird unser Innenminister und hat seinen eigenen Geheimdienst. Er spioniert hinter Laura und mir hinterher … Wir werden es herausfinden. Ich möchte nicht mehr in Details gehen.
Tilo Jung: Gibts überhaupt Details?
Jeremy Scahill: Wenn ich was verraten hätte, müsste ich dich jetzt umbringen.
Tilo Jung: Und wie soll euer Baby heißen… hat Euer Baby vielleicht sogar einen deutschen Namen?
Jeremy Scahill: Gut möglich. Die deutsche Sprache hat so viele irre präzise Begriffe, mal sehen, vielleicht kommt für uns auch ein deutscher Name in Betracht.
Tilo Jung: Und gibt’s europäische oder deutsche Kollegen an Bord? Mit wem wollt ihr zusammenarbeiten, in welchen Formaten?
Jeremy Scahill: Laura Poitras hat in Deutschland schon mit Kollegen vom Spiegel zusammengearbeitet.
Wir wollen weltweite Bündnisse mit Journalisten und Medienhäusern schmieden. Wir setzen auf gute Journalisten. Manchmal zeitlich befristet, manchmal auf Projektbasis. Wir wollen niemanden aus dem Geschäft drängen oder investigativen Journalismus untergraben. Wir betrachten das als eine öffentliche Dienstleistung. Dafür suchen wir weltweit Kollegen die investigativ arbeiten.
Tilo Jung: Wikileaks bezeichnet sich auch als öffentliche Dienstleistung, als Journalismus. Seht Ihr das genauso?
Jeremy Scahill: Was Wikileaks geleistet hat, war schon wirklich gut und hat enorme Impulse gegeben. Uns geht es darum, einen Journalismus zu fördern, der auf unabhängige Quellen setzt, auf Whistleblower und Leute, die Dokumemte und Informationen weitergeben, von denen sie glauben, dass die Öffentlichkeit einen Anspruch darauf hat, sie öffentlich zugänglich zu machen. Genau so wollen wir arbeiten und diese Tradition weiter führen.
Tilo Jung: Du quittierst also deinen bisherigen Job?
Jeremy Scahill: Ich bin freier Autor für „Democracy Now“ und „The Nation“ und kann tun, was ich will.
Tilo Jung: Willst Du nie für jemand anders arbeiten?
Jeremy Scahill: Suchst Du jemanden?
Tilo Jung: Überhaupt nicht.
Jeremy Scahill: Kann ich Dein Syrien-Korrespondent werden?
Tilo Jung: Dann musst Du Deutsch sprechen.
Jeremy Scahill: Ich nicht sprechen deutsch. Außerdem rede ich nicht über meine Verträge. Das ist erst gestern alles geleakt worden. Ein Reporter hat mich nachts um drei aus dem Bett geklingelt und fragte mir Löcher in den Bauch wegen des Projekts mit Greenwald. Ich weiß nicht, was ich dazu sagen soll. Jedenfalls weiß ich jetzt, wie sich Obama gefühlt hat, als Snowdens Dokumente rauskamen.
Tilo Jung: Wie fühlt sich das an, so ein Leak?
Jeremy Scahill: Wir wollen, wenn es so weit ist, den Leuten unsere Vision vorstellen. Darüber diskutieren wir noch. Nachdem das bekannt wurde, haben wir ein kurzes statement abgegeben, was wir vorhaben.
ich finde diesen gedanken hervorragend und hoffe, dass diese mannschaft nicht allzusehr eingeschüchtert oder gar physisch attackiert wird vom staatsterrorismus, dem das ganze überhaupt nicht passen dürfte. – ich lese gerade „schmutzige kriege“ von scahill. allerdings wundere ich mich, dass er in diesem buch die hintermänner des 11. september überhaupt nicht in frage stellt sondern davon ausgeht, dass dies tatsächlich al kaida war, obwohl es jetzt bereits genügend anderslautende berichte und zeugenaussagen gibt. – davon bin ich ehrlich gesagt etwas enttäuscht. – ansonsten wünsche ich dem jungen team allen nur denkbaren erfolg in ihrem bemühen, licht in die machenschaften der weltpolitik zu bringen.