00:00
Jörg Wagner: Der DJV, der Deutsche Journalistenverband hat einen neuen Vorsitzenden. Das war die Schlagzeile am Montag. Der Mann dahinter ist jetzt mit uns in Köln verbunden: Frank Überall. Erst einmal herzlichen Glückwunsch! Warum wollten Sie nicht mehr in erster Linie Politologe und Journalist sein, sondern Funktionär?
00:17
Frank Überall: Naja, erst einmal Danke für den Glückwunsch und ich bin ja insofern schon eine ganze Zeit lang Funktionär, als dass ich schon vier Jahre als Schatzmeister mich um die Finanzen im DJV gekümmert habe und immer schon irgendwo auch ehrenamtlich aktiv war und irgendwann merkt man dann, naja mehr bewegen kannst Du eigentlich erst, wenn du an der Spitze bist und da hab’ ich mich dann irgendwann entschieden, meinen Hut in den Ring zu werfen und hab’ glücklicherweise auch das Vertrauen einer Mehrheit an der Basis bekommen.
00:41
Jörg Wagner: Da sagen Sie eigentlich schon das, was mir auf den Lippen liegt, nämlich Sie wollen etwas bewegen. Heißt das, dass es einen Stillstand gab aus Ihrer Perspektive beim DJV?
00:52
Frank Überall: Ach, wir wollen doch nicht in den Rückspiegel schauen, sondern nach vorne. In der Tat, ich meine, ich bin ein anderer Mensch als Michael Konken, der das zwölf Jahre lang gemacht hat, den Verband auch durch schwierige Situationen und durch schwierige Zeiten gesteuert hat und jetzt ist ein Generationswechsel da. Und das heißt nicht, dass ich alles unbedingt besser mache. Ich möchte es anders machen. In der Tat, ich bin ein anderer Mensch. Ich bin sicherlich manchmal etwas lauter, als es Michael Konken war. Aber wie gesagt, mein Ding ist es jetzt nicht so sehr zurückzuschauen, sondern nach vorne zu schauen. Nochmal, ich danke ihm, dass er eine gute Arbeit geleistet hat und möchte jetzt meinen Stil durchsetzen.
01:25
Jörg Wagner: Mein Stil ist es, dennoch noch einmal in den Rückspiegel zu gucken. Als ich in den Journalistenberuf im vereinigten Deutschland wechselte, da musste ich mich entscheiden, gehe ich zum DJV oder zur IG Medien, später ver.di und da halfen mir die Westkollegen, die sagten, der DJV, sei der Verein für die „Edelfedern“ und der Rest ginge in die IG Medien. Welchem Verband stehen Sie jetzt vor?
01:51
Frank Überall: Ich stehe dem Deutschen Journalistenverband vor, der im übrigen auch der größere ist, nämlich mit 35.000 Mitgliedern. Ver.di, die DJU in ver.di, soweit ich weiß, hat um die 22.000 Mitglieder und es geht eben darum, dass wir uns bestmöglich für die Interessen unseres Berufsstandes einsetzen. Und ich arbeite z. B. beim Westdeutschen Rundfunk, wo ich seit vielen Jahren für die Freien Mitarbeiter die Tarife mit aushandele sehr gut mit exzellenten ver.di- Journalisten dort zusammen. Also insofern, an welcher Stelle man sich dann da engagiert, wichtig ist es aus meiner Sicht eher, dass wir gemeinsam an einem Strang ziehen und das auch auf der gleichen Seite. Und meistens funktioniert das sogar.
02:27
Jörg Wagner: Werden Sie bitte konkret. Wohin wollen Sie mit dem DJV?
02:30
Frank Überall: Naja, zum einen geht es mir darum, dass eben Wertschätzung im Journalismus oder für Journalistinnen und Journalisten in den Mittelpunkt gestellt wird, dass wir also anständig bezahlt werden und anständige Arbeitsbedingungen haben. Hört sich einfach an, ist es aber nicht. Wir müssen einfach noch mehr gesellschaftlich deutlich machen, dass nur Journalisten können, was Journalisten können. Wir müssen deutlich machen, welche Rolle wir in dieser ja auch immer komplizierter werdenden Gesellschaft spielen, nämlich Einordnung zugeben, dass wir glaubwürdig sein müssen und das kann man sich letzten Endes nur leisten, wenn man von seinen Beruf leben kann. Wir organisieren hauptberufliche Journalistinnen und Journalisten ausschließlich und das muss eben auch weiterhin hauptberuflich möglich sein. Und dafür muss man eben auch dann anständig bezahlt werden.
03:14
Jörg Wagner: Hat es einen Grund, dass Sie die Stasi-Problematik nicht erwähnt haben eben, die ja sozusagen die Schlagzeilen der letzten Wochen, was den DJV anbetraf, bestimmte?
03:25
Frank Überall: Ja, das hat den Grund, dass ich jetzt bei Ihnen Sendezeitverlängerung beantrage, denn es gibt viele, viele Themen, die ich jetzt aufzählen könnte, aber man muss sich dann eben auch irgendwo auf die ganz großen Sachen konzentrieren. Eins ist z. B. auch die Bedrohung von Journalistinnen und Journalisten, was mich wirklich umtreibt. Ich kannte das nur aus autoritären Regimen, dass man wirklich Angst haben muss bei der Arbeit. Also, jetzt beispielsweise bei den so genannten PEGIDA-Demonstrationen, wo die Polizei kaum noch in der Lage ist, Journalistinnen und Journalisten zu schützen. Aber ich möchte dem gar nicht ausweichen. Natürlich, dieses Stasi-Thema ist etwas, was uns umtreibt. Wir haben – und da habe ich schon in meiner alten Funktion als Schatzmeister daran mitgewirkt – dass wir einen Grundsatzbeschluss gefasst haben, dass wir alle auffordern, die Funktionen im DJV haben oder haben möchten, dass sie Eigenauskünfte einholen. Es ist ja nicht so, dass wir jahrelang gar nichts getan hätten, aber dass wir von solchen Fällen jetzt immer noch überrascht werden, ist für uns der Anlass, sich dem nochmal zu zuwidmen und auch deutlich klar zu sagen, wer zur damaligen Zeit Kolleginnen und Kollegen ausspioniert hat, darf kein Amt im DJV haben. Dazu stehe ich, aber es gibt eben da auch nicht immer schwarz und weiß. Es war ein Unrechtsregime und insofern müssen wir uns jeden Einzelfall auch ganz genau anschauen.
04:34
Jörg Wagner: Und dann gibt es immer noch so eine kleine Sonderproblematik in der Region Berlin-Brandenburg, unserem Sendegebiet, dass sich dort drei Journalistenverbände die Arbeit teilen, sage ich mal ganz neutral. Wird es da aus Ihrer Perspektive Empfehlungen geben?
04:48
Frank Überall: Ja, es gibt eine ganz klare Empfehlung, nämlich eine Fusion. Wir haben Landesverbände normalerweise – für jedes Bundesland schön geordnet – einen. Das hat historische Gründe, wo man sich zerstritten hat, wo es Schwierigkeiten gegeben hat. Jetzt bin ich 44 Jahre alt. Ich hab’ diese historischen Gründe nicht mitverursacht und ich hab’ … kann sie auch nur bis zu einem gewissen Grad nachvollziehen. Aber Fakt ist, dass wir auch im Gesamtvorstand, also, da ist der Bundesvorstand gemeinsam mit den Landesvorsitzenden vertreten, schon mehrfach gesagt haben, es muss hier eine Fusion geben und meine Aufgabe wird es nun auch sein, mit den verschiedenen Playern, die es dort gibt, an einen Tisch zu kommen und ja auch darauf zu dringen, sich an einen Tisch wieder zu setzen und gemeinsam ganz klar mit dem Ziel, dieses Ziel auch nicht aus den Augen verlieren, über eine Fusion zu verhandeln. Das wird eine schwierige Aufgabe. Aber ich werde versuchen, die anzugehen.
05:38
Jörg Wagner: Zumal man ja tatsächlich Landesverbände nicht wirklich zwingen kann, mit welchen Mitteln?
05:43
Frank Überall: Das ist richtig, aber es gibt schon zum einen die innerverbandliche Solidarität, an die hier appelliert werden muss und letzten Endes gibt es auch einige finanzielle Dinge zu regeln hinter den Kulissen und es muss eben klar sein, man muss ich zumindest mal an den Tisch setzen. Und noch einmal, das ist meine Aufgabe: die Menschen an einen Tisch zu bringen und dann eben auch vorbehaltlos das auf den Tisch zu legen, was da im Moment hinderlich in der Fusion ist, ob das Personen sind, ob das inhaltliche Fragen sind, ich möchte das gerne wirklich durchdringen. Ich möchte das verstehen und dann müssen wir gemeinsam nach einer Lösung suchen. Wir sind föderal aufgebaut. Wir können Landesverbänden letzten Endes nicht reinreden, aber der Druck der anderen Landesverbände wird auch größer werden, dass wir hier endlich zu einer Lösung kommen.
06:25
Jörg Wagner: Dazu kann ich Ihnen nur viel Glück wünschen. Das werden Sie brauchen auf der einen Seite, aber andererseits brauchen Sie auch dann natürlich handfeste Argumente, um sich durchzusetzen. Dafür wünsche ich Ihnen viel Kraft und wir werden das aus unserer Perspektive gern wohlwollend und auch kritisch verfolgen. Vielen Dank Frank Überall, er ist der neue Vorsitzende des Deutschen Journalistenverbandes. Vielen Dank nach Köln.
Frank Überall: Ich danke auch.