100 Tage im Amt. Die Schonfrist der Amsträgers ist vorbei. Genau am Sendungstag des Medienmagazins vom 08.10.2016 ist Tag 100 der neuen rbb-Intendantin. Aber mich interessierte weniger, meine Kritik an den ersten 100-Amtstagen zu übermitteln, sondern viel mehr die kritische, schonungslose Bestandsaufnahme von Patricia Schlesinger gegenüber dem rbb.
Wer: Patricia Schlesinger, rbb-Intendantin seit 01.07.2016
Was: Interview nach 100 Tagen
Wo: Intendanz, Berlin
Wann: rec.: 05.10.2016, veröffentlicht am 08.10.2016, 18:49 Uhr im radioeins-Medienmagazin und in einer gekürzten Fassung im rbb Inforadio vom 09.10.2016, 10:44/15:24 Uhr
Das sogar ÖR Rundfunkanstalten jüngere erreichen kann sieht man an der BBC. BB3 als er noch linear gab hatte ein Durchschnittsalter von ca 35 Jahren. Die BBC hat aber auch Programm für jüngere gemacht und auch mehr Genres abgedeckt. Die haben zwar auch Krimis und 0815 Soaps produziert aber eben auch solche Sachen wie DR Who, Live on Mars, Musketeers, little Britain, usw.. Sendungen die International mithalten können und auch jüngere interessieren.
Seit BBC3 nur noch online verfügbar ist hat übrigens die BBC 18% der Jungen verloren. Das zur MÄR das die jungen nur noch Online schauen wollen/erreichbar sind.
http://www.wunschliste.de/tvnews/m/bbc-verlor-18-prozent-des-jungen-publikums-seit-dem-ende-von-bbc-three
Man kann natürlich auch Sendungen machen die genauso relevant für 30 Jährige wie für 70 Jährige sind. Aber wenn nur der 70 Jährige einschaltet weil der 30 Jährige der Meinung ist auf dem Sender kommt sowieso nichts für mich dann hat man ein Problem. Das ist bei den ÖR eben der Fall. Und alle ÖR Sender haben ein Durchschnittsalter von über 60 Jahren. Nur der KIKA und Phönix liegen darunter…
Das Durchschnittsalter war bei den ÖR schon seit 10 oder 20 Jahren so. Bevor Netflix, Youtub so erfolgreich wurden. Das Internet wird meiner Meinung nach jetzt nur als Ausrede genutzt. Es sehen noch viele Junge linear Fernsehen… nur nicht die ÖR. Wenn dreiviertel der unter 50 Jährigen Privatfernsehen schaut und nicht die ÖR dann hat es auch nichts mit dem Internet zu tun. Die Konkurrenz von Netflix ist ja zur Zeit ja nicht der RBB sondern eher Pro7 oder Amazon Prime. Die ÖR haben die jüngeren seit Jahren links liegen gelassen und sind dort nicht mehr Relevant. Das ist ein großes Legitimationsproblem. Meiner Meinung nach erfüllen die ÖR deshalb ihren Grundversorgungsauftrag eben nicht. Bei einem Durchschnittsalter von 65 kann man auch nicht mit der Werbewirtschaft argumentieren. Die ÖR sollen eben alle erreichen und nicht nur die Rentner. Im übrigen hat Pro 7 einen Altersdurchschnitt von 35 JAhren. Es geht also auch jünger… auch im linearen Fernsehen!
Es geht ja auch nicht nur ums Alter. Man kann sich auch mal z.B. ansehen welche Genres denn unsere ÖR produzieren. Es werden zwei dutzend verschiedenen Krimiserien produziert aber keine einzige ScyFy, Fantasy oder Horror Serie. Eben Serien die jüngere interessiert. Es geht hauptsächlich um das Stammpublikum um das man mit den anderen ÖR Sendern konkurriert. Andere Bevölkerungsgruppen werden nicht bedient.
Es solten viel mehr Faktoren genommen werden um die Qualität der ÖR zu messen. Das wäre die Aufgabe der Rundfunkräte die sie aber nicht nachkommen. Bei der BBC gibt es Jährlich einen Bericht wo die verschiedenen Sendungen dargestellt werden auch in Hinsicht ihres Auftrages. so was könnte man auch in Deutschland machen. Die Rundfunkräte müssten eben auch mal was machen und ihrem Auftrag nachkommen. Wenn die ÖR die 20 Krimisendung produzieren wollen dann müsste man mal nachfragen warum man nicht mal ein Genre produziert wo es bisher gar kein Angebot gibt.
Ich weiß, dass der Blick auf das Durchschnittsalter schon seit langer Zeit im Fokus ist. Aber es ist nicht so einfach gelöst, wie es sich von außen darstellt. Die jüngere Zielgruppe verabschiedet sich weltweit vom linearen Fernsehen und die Demografie in Deutschland „verdirbt“ den Altersdurchschnitt. Auch bei RTL. Pardon. Ich bin zudem nicht wirklich davon überzeugt, die von der Werbewirtschaft aufgezwungene Sortierung nach Alter so stark zu gewichten. Man sollte auch Bildungsgrad, soziale Millieus untersuchen. Wie ist die eigentliche repräsentative Stichprobe der Bevölkerung im Sendegebiet berücksichtigt? Zudem geht es, das weiß ich auch von der Intendantin, um Relevanz. Die kann altersübergreifend sein. Aber wie misst man Relevanz? Es ist alles hochkomplex und vieles nur durch Versuch und Irrtum feststellbar.
Das RBB-Fernsehen hat insgesamt ein Durchschnittsalter von 66 Jahren. Die „Abendschau“ liegt bei 67. Das ist kein jugendliches Publikum. Aber das unterscheidet uns nicht von anderen vergleichbaren Formaten.
http://www.tagesspiegel.de/medien/weniger-zuschauer-bei-der-abendschau-wir-machen-programm-fuer-lieschen-mueller-und-dr-lieschen-mueller/11360172.html
Ein Durchschnittsalter von 66 Jahren!
Wäre sowas nicht eine Baustelle die man angehen müsste? Wird so noch der Grundversorgungsauftrag für alle erfüllt? Der Punkt wird von Frau Schlesinger gar nicht angesprochen weil er in Wirklichkeit nicht zählt. Es zählt faktisch nur die Gesamtquote. Dann wundert man sich das bei vielen die Akzeptanz des Systems schwindet.
Das Hauptproblem bei unseren ÖR ist die Fokussierung auf die Quote. Es zählt nicht ob man besonders Anspruchsvolle Sendungen macht, ob man Einzigartige Sendungen macht, ob man alle Bevölkerungsgruppen erreicht, ob man jung und alt erreicht oder ob man was produziert was andere nicht produzieren. Es kommt im Endeffekt darauf an wie die Quote ab 3 Jahren ist. Wenn diese nicht stimmt wird Entgegen gesteuert.
Hauptsächlich dadurch indem man Programm für das Stammpublikum (über 60 Jährige) macht. Dieses ist ja am leichtesten von anderen ÖR Sendern herüberzulocken und dieses schaut auch am meisten Fernsehen. Das dadurch eigentlich nur die Quote von einem ÖR Sender zum nächsten wandert ist irrelevant. Man steht ja dann besser da im Vergleich zu den andern ÖR Sendern. Das zählt! Bis die anderen Sendern dann auch wieder entgegen steuern.
Durch dieses Handeln haben die ÖR die jüngeren (unter 50) seit Jahrzehnten abgeschrieben und können dort ihren Auftrag faktisch nicht mehr erfüllen. Von einem breiten Programm für alle ganz zu schweigen.