(…)
00:15
Meine sehr verehrten Damen und Herren,
„Langer Atem“ – das ist, glaube ich, nicht nur ein treffender Titel für den Preis, den Sie heute Abend wieder vergeben. „Langer Atem“ – ist auch so etwas wie eine treffende Berufsbeschreibung für journalistische Berufe, zumindest dort, wo es, wie schon angesprochen, tatsächlich um Qualitätsjournalismus geht. Und gute Recherche, kritischer Journalismus das ist nicht nur unverzichtbar für das, was wir unter Qualitätsjournalismus verstehen. Es ist vielmehr. Das ist auch unverzichtbar für jedes freie, demokratische Land. Und meine Damen und Herrn, was wir derzeit erleben, dass der Druck auf unabhängige Medien stärker wird, ist ein Thema, mit dem wir uns alle beschäftigen. Und das gilt nicht nur für Länder, die weit weg sind, wie China oder in Russland, sondern das findet auch praktisch bei uns vor der Tür statt. Das findet statt in Ungarn, Polen und auch in der Türkei. Und ein Mann, der in der Türkei wie kaum ein anderer für die Freiheit der Presse und auch für kritische Recherche steht, ist Can Dündar. Und um das auch gleich am Anfang in aller Deutlichkeit zu sagen, der Umgang mit ihm durch die Regierenden in seinem Heimatland ist absolut inakzeptabel. Es wirft …
(Beifall)
01:46
… und das sage ich übrigens auch nicht zum ersten Mal und nicht nur hier, weil man hier davon ausgehen kann, dass es auf Zustimmung stößt, es wirft ein schlechtes Licht auf deren Einstellung, nämlich der türkischen Regierung zu den Grundwerten der Europäischen Union und es lässt vor allen Dingen für weitere Beitrittsgespräche leider nichts Gutes erwarten, denn in einem sind wir uns klar, dass die Grundfreiheiten – und dazu gehört die Pressefreiheit – auch bei Beitrittsgesprächen keine Verhandlungsmasse sein werden. Und das werden wir auch deutlich machen.
02:24
Mr. Dündar, it’s good to see you enjoying freedom – but it would be even better if you were able to do your work back home. But nevertheless, I’m pleased that you could join us today and it’s good that so many German colleagues are there to support you in these difficult times. That is an important sign of solidarity. Und meine Damen und Herren …
(Beifall)
03:11
It’s great to see you here … Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Freiheit der Presse muss auch heute geschützt, verteidigt und dort, wo es notwendig ist, auch wieder erkämpft werden. Und weil heute alles globalisiert ist, bekommen wir das auch in Deutschland zu spüren. Ganz sicher: die Globalisierung und die Digitalisierung haben auch für Journalisten große Vorteile. Kritische Berichte erreichen online auch Menschen in Ländern, in denen es eine Pressefreiheit überhaupt nicht gibt. Journalisten können sich digital auch viel leichter international vernetzen und ihrer Berichterstattung dadurch auch mehr Gewicht verleihen. Die Enthüllungen der Panama-Papers waren ein gutes Beispiel dafür. Aber, meine Damen und Herren, es nützt nichts darüber hinweg zu blicken, dass die Digitalisierung auch Schattenseiten mit sich bringt. Da ist zum einen die Kurzatmigkeit der digitalen Berichterstattung, die alle paar Stunden eine neue Headline fordert und bei der intensive Recherche oft auf der Strecke bleibt.
04:16
Da ist die Manipulation der öffentlichen Meinung durch die so genannten Trolle und die gezielte Verbreitung auch von ungeprüften Gerüchten. Da ist eine Form von Gegenöffentlichkeit im Netz unterwegs, die wenig mit Wahrheitssuche, aber viel mit Verschwörungstheorien zu tun hat. Im Netz kann heute jeder genau das finden, was er für die eigene Weltsicht für nötig hält und ihn auch bestätigt. Und wer es eben anders sieht und das auch noch veröffentlicht, der gehört dann eben zur “Lügenpresse”, wie das heute wieder heißt. Die Parole von der “Lügenpresse” erinnert uns vor allen Dingen auch daran, dass es auch in Deutschland Gefahren für die Pressefreiheit gibt. Die ständige Hetzte, die es mittlerweile gibt, vor allen Dingen am rechten Rand, hat mittlerweile ein Klima geschaffen, indem auch tätliche Angriffe auf Journalisten bedauerlicherweise keine Einzelfälle mehr sind. Fast 40 Gewalttaten hat “Reporter ohne Grenzen” im letzten Jahr registriert in Deutschland. Meistens am Rand von Aufmärschen von PEGIDA oder ähnlichen Bewegungen.
05:23
Und es wirft ein schlechtes Licht nicht nur auf diejenigen, die dafür verantwortlich sind, sondern bedauerlicherweise darauf, dass in unserem Land überhaupt so etwas geschehen kann und dass kritische Medien ihre Reporter nur noch in Begleitung von Sicherheitsdiensten zu Recherchen schicken können, ist auf der einen Seite eine Horrorvorstellung, aber bedauerlicherweise auch schon Realität geworden. Unser Grundgesetz garantiert die Pressefreiheit, d.h. auch der Staat hat hier eine Schutzpflicht – und auch das will ich ganz klar sagen – unsere Polizei darf bei solchen Aufmärschen, dort, wo so etwas passiert, eben nicht neutral sein, sondern sie muss auf der Seite des Grundgesetzes stehen. Wer Journalisten angreift, der attackiert die Pressefreiheit.
(Beifall)
06:22
Und meine Damen und Herren, es gibt ja aber nicht nur Tätlichkeiten, die die Pressefreiheit bedrohen, mittlerweile gibt es ja auch ganz andere Diskussionen. Im Fadenkreuz der Populisten steht mittlerweile der gesamte öffentliche Rundfunk. Das hat, glaube ich, nicht in erster Linie etwas mit medienstrategischen Überlegungen oder der Förderung der Vielfalt in welcher Form auch immer zu tun, sondern es hat eher etwas damit zu tun, dass die Berichte, die dort gesendet werden, einigen nicht gefallen. Das schlägt sich im Gebühren-Boykott nieder oder in dem Ruf, die öffentlich-rechtlichen Medien in Gänze abzuschaffen. Nun muss man ganz sicherlich nicht von allem begeistert sein, was ARD und ZDF machen, aber eins steht fest: ohne einen ressourcenstarken, öffentlich-rechtlichen Rundfunk gäbe es in Deutschland weniger intensive Recherche und noch mehr journalistische Kurzatmigkeit. Und das wird auch nicht besser, wenn die Fusion der Sender dabei auch aus Bayern gefordert wird. Auch dazu kann man eigentlich nur sehr deutlich sagen, die größte Gefahr für eine Demokratie sind eigentlich nicht die Feinde von rechts oder von links. Die größte Gefahr sind mutlose Demokraten, die versuchen, sich bei den Populisten anzubiedern, indem sie deren Politik kopieren.
(Beifall)
07:46
Meine Damen und Herren, die wirtschaftlichen Schwierigkeiten, die es in Ihrer Branche gib, sind ja eben auch schon angesprochen worden. Qualitätsjournalismus und intensive Recherche gibt es eben nicht zum Nulltarif. Und keine Frage, der Gratis-Journalismus und die Verlagerung von Werbeeinnahmen ins Netz sind ein Problem für viele. Das sehen die unterschiedlichen Player auch in der Medienlandschaft ähnlich. Der neue Präsident des Verlegerverbandes hat kürzlich gesagt, wir liefern die Inhalte kostenlos, das Geld und zwar fast 100 % verdienen andere. Und deshalb – ja – wir müssen uns auch überlegen, wo in politischer Verantwortung Rahmenbedingungen für wirtschaftliche Betätigung verbessert werden könnten, die dem Journalismus zugutekommen. Die Bundesregierung hat vor zwei Wochen gerade ein Gesetz beschlossen, in dem die Möglichkeit, dass Presseverlage strukturell zusammenarbeiten, gestärkt werden. Dabei geht es nicht um die Zusammenlegung von der Redaktionen, es geht dabei [darum], dass Verlage beim Marketing, beim Vertrieb und bei der Anschaffung von Software stärker kooperieren können und auch Rechtssicherheit dabei haben.
08:56
Meine sehr verehrten Damen und Herren, insofern, ob es neue Bezahlschranken sind, ob es Online-Kioske sind oder ob es die Schwarmfinanzierung bei Crowd-Reportern ist, es zeigt alles eines: es ist viel in Bewegung im Journalismus und damit auch im Qualitätsjournalismus. Und ich bin dennoch der Auffassung, dass es in Deutschland heute so ist, wie es Mark Twain einmal beschrieben hat, als er sagte: der Bericht über meinen Tod wurde stark übertrieben. Und ich glaube, das gilt – und wir müssen alle ein Interesse daran haben – dass das auch für den Qualitätsjournalismus in Deutschland gilt. Denn von einem bin ich fest überzeugt, meine sehr verehrten Damen und Herren, dass das viel beschriebene postfaktische Zeitalter alles sein wird, aber es wird kein demokratisches Zeitalter sein. Wer eine lebendige Demokratie will, braucht mehr als Verkündungsjournalismus oder Emotionslieferanten. Und dafür sind Menschen notwendig, die sich von Minutenprotokollen und ständigen Updates eben nicht – zumindest nicht ausschließlich – hetzen lassen.
10:01
Das sind Journalistinnen und Journalisten, die Gerüchte und Halbwahrheiten erkennen und denen die Fakten solider Recherche entgegenstellen. [Das] sind Medien-Menschen, die sich wahrscheinlich an das Credo des großen Hanns Joachim Friedrichs halten, die arbeiten, um zu informieren und zu erhellen, wie er sagte, also aufzuklären und die dabei, wie er sagte, cool bleiben ohne dabei kalt zu werden. Genau solche Journalistinnen und Journalisten sind auch heute für die Preise, die hier vergeben werden, nominiert und so war das auch in den letzten Jahren. Und das ist wichtig für die Pressefreiheit und für Qualitätsjournalismus. Es ist aber auch wichtig für unser Land und für unsere Demokratie und wahrscheinlich hätte jeder einzelne derer, die heute nominiert sind diesen Preis verdient. Auf jeden Fall wünsche ich allen viel Erfolg auch bei Ihrer weiteren Arbeit! Herzlichen Dank.
(Beifall)