00:00
Roland Tichy: Ich mache eine neue Zeitschrift Tichys Einblick und die greift zurück auf ein Online-Portal, das auch so heißt Tichys Einblick im Netz und das mittlerweile zusammen rund 700.000 Leser im Monat aufweist. Ich war Herausgeber von XING Klartext und auf meiner Seite ist ein Artikel erschienen, der so nicht hätte erscheinen dürfen. Wir haben ihn von der Seite genommen. Wir haben uns dafür entschuldigt. Aber die Kritiker haben dann begonnen, XING infrage zu stellen und da XING damit nichts zu tun hat, dachte ich mir, ist die fairste Lösung, die Verantwortung auf mich zu nehmen und Ende der Durchsage.
00:39
Jörg Wagner: Sozusagen V. i. S. d. P.? Im Sinne des Presserechts haben Sie gesagt, das hätte nicht passieren dürfen? Ich entschuldige mich.
00:47
Roland Tichy: Ja.
Jörg Wagner: Das steht bis heute noch da. Aber ist das nicht dann doch irgendwie so ein Einknicken vor einem Herstellen eines Zusammenhanges, der gar nicht da ist?
00:56
Roland Tichy: Das verstehe ich jetzt nicht ganz. Also, ich finde, wenn man einen Fehler macht, das ist das Beste, man gibt es zu und korrigiert ihn. Und jetzt da sich hinzustellen und sich lang zu rechtfertigen, halte ich … und etwa eine Position zu verteidigen, die falsch ist, ich weiß es nicht, ob ich das will. Vielleicht ist es auch eine Tugend als Journalist, mal zu sagen: Okay, Leute, das war halt ein Fehler. Ich gebe ja auch niemandem meiner Mitarbeiter die Schuld, ich zieh’ das auf mich und Ende.
01:30
Jörg Wagner: Ich meinte ja den Zusammenhang XING und diesem Blog-Eintrag, der nicht hätte erscheinen sollen. Dass Sie …
01:35
Roland Tichy: Ja gut, ich meine, das ist das Wesensmerkmal der Twitter. Da gibt es eine linke Community, die von interessierter Seite gesteuert ist, die halt Roland Tichy in der Medienlandschaft nicht passt. Und es war halt ein Angriffspunkt. Das muss ich nicht gut finden. Ich muss damit leben. Ich glaube, es wird noch mehr Leuten so gehen, dass unsachliche Zusammenhänge, da haben Sie ja recht, hergestellt werden, dass Leute, die eine aus nach Position … angeblich falsche Position haben, vernichtet werden sollen. Das ist die Schärfe des neuen Bundestagswahlkampfs. Tja, schade.
02:18
Jörg Wagner: Sie sagten selbst: “linke Community”. Man stellt Sie in die rechte Ecke. Fühlen Sie sich da richtig beschrieben erst einmal grundsätzlich? Also, sind Sie eher konservativ, eher das, was man politisch rechts bezeichnet?
02:30
Roland Tichy: Wir nennen uns ein “liberal-konservatives Magazin”. Wenn ich mir anschau’, was heute die Politik zum Beispiel in der Ausländerpolitik fordert: Fußfesseln, 18 Monate Abschiebehaft, Kulturkampf gegen den Islamismus, da habe ich das Gefühl, ich bin immer dagestanden, wo ich schon stand. Nur die Politik ist plötzlich rechts von mir.
02:52
Jörg Wagner: Aber vielleicht noch einmal zu dem, was mit Ihnen passiert ist. Was ist für Sie die größte Nachdenklichkeit, die jetzt mit Ihnen und dem Netz und … also Sie waren ja ein großer Befürworter für, ich sage mal, “Alternativ-Medien” …
03:04
Roland Tichy: Ich bin auch nach wie vor Befürworter von Alternativ-Medien. Ich glaube nur, dass in den Alternativ-Medien die Rechte des Einzelnen gestärkt werden müssen. Also, wenn Sie beispielsweise auf Facebook vernichtet werden, ist es sehr schwer, sich dagegen zur Wehr zu setzen. Warum? Weil Facebook eine Firma in Dublin ist und versuchen Sie einmal nach irischem Recht ihre Position, ihre presserechtlich an sich eindeutige Position durchzusetzen. Viel Vergnügen. Viel Aufwand. Viel Geld. Hohes Risiko und deswegen, glaube ich, brauchen wir eine Ladungsadresse für Facebook in Deutschland, dass man eben vor jedem deutschen Gericht da zu Gericht ziehen kann, wie man es übrigens auch gegen Ihren Sender tun könnte. Selbst in Oberbayern, wo er sicher nicht gehört wird, könnte jemand vor dem Landgericht Traunstein gegen den rbb klagen. Aber im Internetbereich musst du eben bis Irland tapern, um dein Recht auch nur zu Gehör zu bringen. Und das kann so nicht sein. Und ich glaube, dass man die persönlichen … dass man die Persönlichkeitsrechte stärken muss.
04:14
Jörg Wagner: Sie werden ja auch in einem Atemzug genannt mit KEN FM, mit Compact und auch …
04:19
Roland Tichy: Nein, das habe ich noch nie gehört. Ich hab’ nie gehört, dass mich jemand mit diesen Menschen in einen Hut wirft und …
04:25
Jörg Wagner: … das Recherchekollektiv hier um Correctiv hat Sie jetzt umfangreich erst einmal herausgenommen aus dieser Sammlung, hat also gesagt, wir machen jetzt nicht “Tichys Einblick”, wir konzentrieren uns auf … aber trotzdem zählt man Sie schon irgendwie dazu, oder?
04:37
Roland Tichy: Naja, aber das ist ja die infame Methode, ja? Das ist ja die infame Methode. Kritiker werden als Nazis bezeichnet, auch wenn sie’s nicht sind. Das Recherchekollektiv hat ein Problem mit der Recherche. Ich meine, wir stehen im Netz, man kann uns lesen. Und mein Glaube daran, dass da faire Journalisten sitzen, hat sich reduziert. Es sind halt einfach … ja, was man immer so nennt: Dreckschleudern.
05:01
Jörg Wagner: Aber man kann sich nicht offenbar mit geballter Macht so wehren, wie man früher vielleicht hätte sagen können: Gegendarstellung auf Seite 1 von Horizont, Handelsblatt und Co., sondern man ist sozusagen der wirklichen Eigendynamik des Netzes ausgeliefert. Ist das für Sie das Gefühl – jetzt richtig beschrieben von mir – Ausgeliefertsein?
05:19
Roland Tichy: Naja, natürlich ist man ein Stück ausgeliefert. Man ist dann ausgeliefert, wenn man ein Stück Fehler natürlich auch gemacht hat oder sich angreifbar gemacht hat. Als jetzt wieder irgendsojemand kam, ist das schlecht für ihn ausgegangen, weil die Mechanismen des Netzes beherrsche ich natürlich auch. Ich kann mich schon wehren mit den Mitteln des Netzes, ja? Und wir haben offen gelegt und sind dabei offen zu legen, wer sind die Finanziers, wer finanziert das also von Ihnen so genannte Recherchedingsbums da? Wer gibt da eigentlich Geld? Wieso finanziert die Bundesregierung zum Beispiel fragwürdige Stiftungen? Wie werden unsere Steuergelder missbraucht und PR-Agenturen dazu in Kauf … zu bezahlen, die kritischen Journalismus bekämpfen? Also, da haben dann … das wird das … werden hier einige Betreffende ein bisschen kalte Füße kriegen, weil es ist ja transparent und wir werden es zeigen, wer hier unanständig arbeitet.
— ab hier nur im PodCast bzw. Online —
06:20
Jörg Wagner: Das Klima ist so, sagen viele Experten, vor der Bundestagswahl möglicherweise rauer denn je, auch gerade was Meinungsmache anbelangt, also was kommt aus dem Netz durch Menschen tatsächlich und was sind social bots so genannte Programme, die Meinungen verstärken oder vielleicht sogar auch umdrehen können. Wie haben Sie sich eingestellt auf diese Phase der politischen Willensbildung?
06:44
Roland Tichy: Also, was social bots und so betrifft, kann man sie identifizieren und dann dagegen steuern, indem man das veröffentlicht. Wenn man Angriffe hat, wie ein so genanntes Recherchesystem, da kann man es auch identifizieren und kann da auch in dem Fall sogar dagegen klagen, wenn man will. Und es hat hier auch gewirkt. So. Und das würde ich auch jedem empfehlen. Aber vor allen Dingen muss man sich noch mal klar sein, was mir Sorge bereitet, ist nicht so sehr das Netz, sondern dass die Schranken fallen zwischen Regierung, Parteien und Werbeagenturen. Die Bundesregierung oder einzelne Ministerien fördern bestimmte Werbeagenturen, die dann gewissermaßen als Lohn für die fetten Aufträge politische Gegner niederkämpfen. Das darf sich niemand gefallen lassen. Egal ob rechts oder links. Es kann nicht sein, dass mit Steuergeldern wahnsinnig Werbung gemacht wird. Da gibt’s zum Beispiel ein besonders schlimmes Blatt W & V. Da wird es auch koordiniert. Eine ganz schlimme Sache. Da wird die Wahrheit umgedreht. Da wird das Opfer zum Täter gemacht. Also W & V ist zum Beispiel eine ganz, ganz fragwürdige Angelegenheit. Aber ich bin Optimist genug, diese Zeitschrift ist dabei eh den Geist aufzugeben. Und das ist nicht schade drum.
08:11
Jörg Wagner: Und wie bereiten Sie sich journalistisch vor auf diese Zeit? Haben Sie eine politische Präferenz, die Sie, ich sag dann mal in Anführungszeichen, “propagieren”?
08:19
Roland Tichy: Naja, wir sind ein liberal-konservatives Medium. D.h., wir sind wirtschaftsliberal, gesellschaftlich konservativ. Wir sprechen aber keine Parteiempfehlung aus. Es ist auch nicht meine Aufgabe, für eine Partei Wahlkampf zu machen. Das ist die Frage, die sich jeder Journalist immer wieder stellen muss, wen wählst du, wenn du alles gelesen hast?