[0:00] Dr. Rudolf Thiemann: Mein Name ist Rudolf Thiemann. Ich bin 62 Jahre alt, verheiratet habe vier Kinder. Und ich bin seit etwa 30 Jahren in verantwortlicher Position der Liborius-Verlagsgruppe. Wir verlegen konfessionelle Zeitschriften, im wesentlichen katholische Zeitschriften, allerdings nicht von oder für die Kirche, sondern für unsere Leser. Wir sind ein privatwirtschaftlicher Betrieb. Ich bin in der vierten Generation tätig. Das Liborius-Blatt beispielsweise hat mein Ur-Großvater gegründet 1899. Das gibt es heute noch.
[0:34] Jörg Wagner: Sie wurden am Sonntag gewählt zum neuen VDZ-Präsidenten. Es gab einen Gegenkandidaten, der, ich glaube, sowas wie der Gegenentwurf ist zu Ihnen. Also eher jemand, der satirisch auf dem Gebiete der Karikatur unterwegs ist, der mit dem Clap-Magazin eher so das eitle und lustige repräsentiert. Womit haben Sie, glauben Sie, die Delegierten überzeugen können, Sie zu wählen? Was haben Sie ihnen versprochen?
[1:00] Dr. Rudolf Thiemann: Ich habe den Delegierten gar nichts versprochen, sondern die Delegierten haben mich gekannt, weil ich selber seit 20 Jahren Mitglied der Delegiertenversammlung bin und genau so lange, viele Jahre Vizepräsident dieses Verbandes war. Und das war in der Zeit, wo Hubert Burda, den jeder kennt, der Präsident dieses Verbandes war und ich hatte mit Hubert Burda eine mehr oder weniger offen ausgesprochene Abrede, dass ich den Verband nach innen führe und er hat ihn nach außen vertreten. Deswegen kannte ich mich eben sehr gut aus mit den Strukturen und der VDZ ist ja ein Dachverband. Er wird getragen von fünf Landesverbänden. Und wenn man in diesem VDZ eine Position einnehmen will, dann muss man letztendlich irgendwie von den Landesverbänden oder von den Fachverbänden hier in Berlin vorgeschlagen werden. Und das ist in meinem Fall passiert.
[2:02] Jörg Wagner: Dann kann man sagen, wenn Sie den Verband nach innen repräsentiert haben, dass Sie eher dann doch die, ja man sagt immerso, “Schwarzbrot”-Aufgaben hatten, während Hubert Bruder natürlich in der Außendarstellung auch durch seine überzeugende Verleger-Figur, ja ich sage mal, das Glamouröse gesucht hat. Jetzt müssen Sie raus. Wie gefällt Ihnen diese Rolle?
[2:22] Dr. Rudolf Thiemann: Die gefällt mir ganz gut. Ich habe mich ja dazu jetzt nicht breitschlagen lassen oder dahin quälen lassen. Ich bin gefragt worden. Habe mir das überlegt ob ich nach fast 20 Jahren in der zweiten Reihe, ob ich das gerne machen möchte. Wenn ich’s nicht gerne machen würde, dann wäre ich auch der falsche Mann.
[2:43] Jörg Wagner: Gut. Es hätte ja auch so’n gewisses Pflichtgefühl sein können, zu sagen nach der Affäre mit Stephan Holthoff-Pförtner, der in die Politik wechselte, brauchen wir jetzt Disziplin, wir müssen klar nach außen hin zeigen, der Verband hat eine starke Führung.
[2:58] Dr. Rudolf Thiemann: Ja, es ist so, dass ich vor … als es mal nicht klar war, vor zehn, elf Jahren ob Hubert Burda noch mal antritt für eine weitere Amtszeit, der ist insgesamt fünfmal wiedergewählt werden, da bin ich auch schon gefragt worden, ob ich mir das vorstellen kann und auch damals habe ich gesagt, ja kann ich mir vorstellen. Also, das nach Außen zu gehen und den Verband nach außen zu repräsentieren macht mir großen Spaß. Es ist eine tolle Aufgabe. Ich freue mich über das Vertrauen der Verleger. Und ich glaube auch, dass die Einstimmigkeit, die sich bei dem bei der Wahl ergeben hat vorgestern natürlich auch irgendwie aussagt, der kann das wirklich. Wir vertrauen ihm dieses Amt an, weil er das kann.
[3:43] Jörg Wagner: Man hat mit großer Aufmerksamkeit Ihre erste Rede verfolgt am ersten Tag des Publishers’ Summit. Sie haben sehr viel Zeit verwendet, um auch Gefahren zu beschreiben. Was ist ihre Hauptaufgabe jetzt als Verbandspräsident?
[3:57] Dr. Rudolf Thiemann: Wir müssen immer daran denken, dass in dieser sich verändernden Welt also im Zuge der Digitalisierung die Geschäftsmodelle noch Bestand haben werden. Also das alte Geschäftsmodelle bedeutet “Paid Content”, wie wir es heute ausdrücken, bezahlter Inhalt, unsere Zeitschriften werden verkauft im Abonnement oder im Handel. Und jetzt gibt es einen einen Zug hin zum zum Internet natürlich und wir wissen alle, das war der berühmte Satz von Hubert Burda: im Internet verdienen wir an Werbung nur lousy Pennys. Das ist die große Aufgabe: wie kriegen wir unsere Inhalte, die wir ins Internet stellen, bezahlt? Wenn aber diese Inhalte von den großen Suchmaschinen von Google oder im Facebook, wie das leider passiert, kostenlos dargeboten werden und die Werbeeinnahmen landen bei Facebook und bei Google, die haben nämlich 75 bis 80% der Werbeeinnahmen im digitalen Markt schon bei sich und profitieren vom Wachstum über 90%. Dann wird für die Verleger alter Prägung nichts übrig bleiben und das ist ein großes Problem. Was den öffentlich-rechtlichen Rundfunk betrifft, wir sind ja das Duopol gewöhnt. Früher war das Fernsehen, sagen wir mal – der wichtigste Wettbewerber um die Anzeigen-Erlöse, aber man muss heute sich klar machen, der öffentlich-rechtliche Rundfunk nutzt natürlich das Internet auch. Und der Rundfunkstaatsvertrag sagt ja im Wesentlichen aus, es müssen eben sendungsbezogene Inhalte sein und nicht eine eigene Presse, die dort veranstaltet wird. Wenn diese Presse dort steht, warum soll denn der User, ja, sich nicht bei den öffentlich-Rechtlichen informieren? Die machen ja hervorragenden Journalismus. Das ist überhaupt keine Frage. Aber er ist nicht zu fairen Wettbewerbsbedingungen, weil da gibt es eine Haushaltszwangsabgabe, mit der das finanziert wird das Ganze, also die ARD muss sich keine Gedanken darüber machen, im freien Wettbewerb Gelder zu verdienen und deswegen, es ist nicht kostenlos, was da ist, sondern ist ja …
[5:59] Jörg Wagner: … Ja, aber werbefrei.
[6:01] Dr. Rudolf Thiemann: Ja, werbefrei wäre ganz schön, aber es heißt jetzt nicht, es wäre ein Trugschluss zu glauben, wenn die jetzt keine Werbung machen dürften oder die dürfen keine Werbung machen, dann dürfen sie ihm alles andere machen. Das ist nicht gut. Es ist letztendlich so, es ist über die Haushaltsabgabe finanziert. Und es ist nicht kostenlos. Es erscheint dem Nutzer nur kostenlos. Es gibt ja eine neue Studie, der Herr Scherzer, unser Hauptgeschäftsführer hat es gestern auch in der Pressekonferenz gesagt, ich habe die Zahl nicht mehr ganz genau im Kopf, aber sie ist etwa so ein Prozentsatz von 45% des Medienbudget eines durchschnittlichen Menschen in Deutschland geht in die Haushaltsabgabe. Das ist fast die Hälfte.
[7:32] Jörg Wagner: Sie haben in Ihrer Rede betont, dass Sie mit dem BDZV Seite an Seite stehen bei der Auseinandersetzung mit dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Der hat auch diese selben Argumente, die Sie erwähnten natürlich auf seiner Agenda aber. Aber es wird überschattet zur Zeit durch diese Diskussion um “Staatespresse”, “Staatsfunk” und so weiter. Sehen Sie das dann ähnlich wie Herr Döpfner?
[7:32] Dr. Rudolf Thiemann: Na er hat also … ich … es ist jetzt immer schwierig jemand anders interpretieren zu müssen, aber ich versuche es mal. Er hat ja auch von Nordkorea gesprochen, ja also wir haben natürlich keine Verhältnisse wie in Nordkorea. Das hat ja auch nicht gesagt und hat es auch sicherlich nicht so gemeint. Er hat nur gesagt, wenn das … die … die Medienwirtschaft sich dahin entwickelt, das freier, privatwirtschaftlich finanzierter Journalismus nicht mehr möglich ist, dann wird am Ende nur noch der öffentlich-rechtliche Rundfunk übrig bleiben und dann haben wir einen Staatfunk, ja. Also ähnlich denke ich mal, so ähnlich hat er gedacht.
[7:45] Jörg Wagner: Und wie denken Sie?
[7:46] Dr. Rudolf Thiemann: Ich glaube nicht, dass es so schnell passiert.
[7:49] Jörg Wagner: Manfred Braun, der Geschäftsführer der Funke-Gruppe sagte hier auf dem Kongress, dass der erste größere Einbruch kam für die Zeitschriften als das Privatfernsehen sich etablierte und in der Regel Managementfehler hinter Umsatzeinbrüchen stehen. Inwieweit spielt das überhaupt in der Innensicht der Verbandsmitglieder eine Rolle, dass man auch mal ja guckt, wie viel Fehler machen heutzutage die Manager und weniger wieviel Druck übt Google aus oder wie fern ist das Medienbudget für das öffentlich-rechtliche Fernsehen und den Hörfunk ausschlaggebend für die Umsätze eines Unternehmens.
[8:26] Dr. Rudolf Thiemann: Das sind ja jetzt mehrere, mehrere Überlegungen …
[8:27] Jörg Wagner: Oder anders gefragt, gibt es tatsächlich diese Monokausalität zwischen den Umsätzen und tatsächlich dieser Übermacht an diesem internationalen Konzernen?
[8:39] Dr. Rudolf Thiemann: Ja. Das, also das ist, das ist eindeutig, das ist eindeutig belegt auch …
ich glaube, dass diese Unternehmen wie Facebook und Google, bei Google weiß es nicht genau, aber Facebook, als es gegründet wurde, da gab es ja ein ganz anderes Motiv. Da sollten sich … die haben … die haben Mädchen gesucht, so ungefähr. Also wie Mark Zuckerberg das Ding erfunden hat. Und das ist ja so unglaublich gewachsen und ist eine solche Geldmaschine geworden. Die haben ja gerade Zahlen veröffentlicht. Die machen ja 55% Nettorenditen und es wächst. Das war neulich mal ganz gut in einem Artikel in der Welt am Sonntag beschrieben: erratisch. Das ist wächst, zerfasert und wächst und wächst und wächst und produziert immer mehr Geld. Und gleichzeitig führen sie sich auf wie supranationale Wohlfahrtsunternehmen, ja. Und verbinden auch einen bestimmten gesellschaftspolitischen Anspruch damit. Und weil diese Überlegenheit da ist, auch die Überlegenheit des Geldes da ist und bei Google siehts man besonders. Die führen sich eben auch missbräuchlich auf. Deswegen gab es die Kartellstrafe, weil man nachweisen konnte, sie haben ihre Marktmacht missbraucht und da muss man hinterher sein, sonst guckt man in die Röhre.
[9:46] Jörg Wagner: Aber noch mal die Frage, gibt es Managementfehler, die diskutiert werden?
[9:49] Dr. Rudolf Thiemann: Ja, natürlich gibt … ich glaube, wir sind jetzt hier nicht der Verband der sich selbst zerfleischt, weil wir permanent über unsere Fehler nachdenken, aber Manfred Braun ist ja viele Jahre auch dankenswerterweise der Sprecher der Publikumszeitschriften gewesen und Manfred Braun ist ja bekannt dafür, kommt ja aus dem Bauer-Stall und … und ist jetzt seit längerer Zeit schon in der Funke-Mediengruppe, ist bekannt dafür, dass er ein Handwerker ist, ja. Er sagt, es gibt ganz klassische Handwerker-Fehler, die man bei der Gründung und beim Betrieb von Zeitschriften machen kann.
[10:27] Jörg Wagner: Aber das wird hier nicht diskutiert auf solchen Foren, sondern eher …
[10:28] Dr. Rudolf Thiemann: Nein, das ist ja eher eine politische Veranstaltung hier. Aber es wird natürlich in unseren Arbeitsgruppen, wir haben ja viele Ausschüsse, in denen ja die einzelnen Verlage vertreten sind oder ihre Manager da hinschicken und da werden … wird über Handwerk schwache Nerven Man darf nie vergessen Medien zu machen ist sehr viel Handwerk, ja man darf nie vergessen, Medien zu machen ist sehr viel Handwerk.