Doetz, Jürgen

Friedliche, aber sicher auch oft streitige Koexistenz


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Wer: Jürgen Doetz, Vorstandsmitglied der Pro7Sat1-Media AG und Präsident des VPRT
Was: Telefoninterview
Wann: veröffentlicht am 18.11.2000 im radioeins-Medienmagazin, ORB/SFB


(wörtliches Transkript)

Jörg Wagner: Digitales Fernsehen ohne Ende, dazu Radio und Multimediadienste wie Onlineshopping, eMailversand, Spiele, Quiz, Homebanking, Video-on-demand – all das wird in den nächsten zehn Jahren am Fernseher anliegen. Doch die Frage ist, wer wählt aus, was im auch zukünftig begrenzten Kabel eingespeist wird? Wer legt fest, in welcher Preis-Staffelung, was genutzt werden kann? Der Fall des Mainzer Kabelnetzbetreibers Primacom kürzlich in Leipzig zeigte hier die Ambitionen des Freien Marktes. Primacom packte mehrere Pakete. Wer 3,50 DM zahlte, bekam analog das, was er in mit seiner ganz normalen Antenne ohnehin bekam. 16,50 DM brauchte es schon um RTL, SAT1 und fast alle Dritten sehen zu können. Wollte jemand n-tv, CNN oder N24 sehen, ging das nur mit dem Erwerb des Digitalpakets Prima Info, was noch einmal 4,95 DM extra machte + Decodermiete versteht sich. Für Super RTL war ein erneutes digitales Paket für 4,95 DM zu öffnen. Die Pro7Sat1Media AG klagte dagegen. Es scheint mit Erfolg, aber und damit grüße ich das Vorstandsmitglied besagter Aktiengesellschaft und gleichzeitigen Interessenvertreter von Primacom als Verbandspräsident der Privaten Rundfunk- und Telekomanbieter (VPRT), sind Sie da nicht weiterhin zukünftig zweigeteilt in ihrem Herzen Jürgen Doetz?

Jürgen Doetz: Nein, weil wir eindeutig auf der Seite natürlich der Programmveranstalter stehen und nur nebenbei u.a. dies auch ein Grund war, dass wir die Verbandstruktur geändert haben. Wir sind content und wir müssen natürlich gegen die Netzbetreiber unsere Interessen wahren. Und ich glaube, hier tut sich eins der schwierigsten Konfliktfelder auf in den nächsten Monaten und Jahren. Das wird für die Politik sicher eins der ganz ganz heiklen Themen werden.

Jörg Wagner: Sind Sie denn für eine Trennung in technische und Inhalte-Anbieter auch zukünftig?

Jürgen Doetz: Ich bin grundsätzlich dieser Auffassung, weiß aber, dass es sich nicht verhindern lassen wird, dass Netzbetreiber Programmanbieter werden. Schon heute sind sie ja unterwegs und kaufen Programme. Dann aber bitte in einer eigenen Rechtsform, damit zumindest überprüfbar ist, dass hier nicht – ich sag‘ mal – fremde Programmveranstalter diskriminiert werden, was Kosten betrifft gegenüber den Programmen der Kabelnetzbetreiber selbst.

Jörg Wagner: Sie sagen, es wird sich nicht verhindern lassen, die Primacom AG hat ja mit Herbert Kloiber, dem TV-Unternehmer auch in jüngster Vergangenheit versucht, die Fußball-Bundesligarechte zu bekommen. Aber so eine „dritte Kraft“ wäre doch wünschenswert im Pay-TV-Markt, oder?

Jürgen Doetz: Das ist wieder ein anderes Thema. UPC und Primacom hatten ja auch versucht, bei tm3 Anteile zu übernehmen. Und da hätten wir ja dann schon den ersten – wenn Sie so wollen – Überkreuzfall. Die Frage, ob es sinnvoll oder hilfreich wäre oder wünschenswert, einen unabhängigen neuen Programmveranstalter in den Markt zu kriegen, ist e i n Thema. Mir geht es um den Zusammenhang zwischen Programmvertrieb und Programmveranstaltung. Und hier ist es sicher wünschenswert auch im Interesse des zahlenden Kunden, dass hier nicht ein neues Monopol entsteht. Nämlich ein Monopol dessen, der transportiert, kassiert und veranstaltet.

Jörg Wagner: Wer sollte denn die technische und inhaltliche Macht über die digitalen Verbreitungswege zukünftig haben?

Jürgen Doetz: Die technische Macht werden sicher die Kabelnetzbetreiber haben. Und hier drohen uns ja oder stehen uns Entwicklungen bevor auch im Zusammenhang mit den amerikanischen Investoren, die jetzt in Nordrhein-Westfalen, in Hessen, in Baden-Württemberg Netze gekauft haben, dass völlig neue Technologien eingeführt werden. Technologien, die möglicherweise mit der ganzen deutschen Rundfunkgesetzgebung überhaupt nichts mehr zu tun haben werde. Das ist eines dieser großen Themen, das vor uns steht. Das andere ist eben, was die inhaltliche Macht betrifft, glaube ich, dass 2/3 der Kapazitäten dem Kabelnetzbetreiber zur Verfügung stehen sollten. Dort kann er Zusatzdienste anbieten, dort kann er breitbandigen Internet-Zugang anbieten. Dort wird er auch Telefonie anbieten, aber ein Drittel sollte dem klassischen Rundfunk – öffentlich-rechtlich und privat – vorbehalten bleiben. Und dies bliebe dann praktisch in der Kompetenz der Landesmedienanstalten.

Jörg Wagner: Nun gibt es ja diesen Begriff des „must-carry“ – also der Pflichtverbreitung oder der Grundversorgung, wie immer man das übersetzen will. Wer sollte denn nach Ihrer Meinung „must-carry“ sein?

Jürgen Doetz: Bisher war „must carry“ ein Begriff ausschließlich öffentlich-rechtlich. Ich kämpfe jetzt für ein „must carry“ für den Rundfunk, für einen „must carry“- Korridor für den Rundfunk. Und dies wird einer Änderung des Rundfunkstaatsvertrages bedürfen.

Jörg Wagner: Wollen Sie dort allein kämpfen oder vielleicht im Schulterschluss mit den öffentlich-rechtlichen?

Jürgen Doetz: Dort kämpfe ich sicher in dem Punkt mit den öffentlich-rechtlichen. Hier sehe ich durchaus die Möglichkeit einer Allianz für den Rundfunk. Ich sehe auch das Interesse der Länder, dass die neuen Kabelnetzbetreiber – die haben natürlich ihre Eigentumsrechte – nächstes schwieriges Thema, dass sie ihr Geld zurück verdienen müssen, aber dass trotz dieser Tatsache, dem Rundfunk in Deutschland weiterhin Priorität gehört.

Jörg Wagner: Wie sieht denn da die mögliche Zusammenarbeit mit den öffentlich-rechtlichen aus?

Jürgen Doetz: Ich hab‘ vereinbart, dass nach der Wahl des neuen ARD-Vorsitzenden wir sehr kurzfristig hier zu Gesprächen zusammen kommen, weil hier sitzen wir wirklich gemeinsam in einem Boot.

Jörg Wagner: Sie stehen ja, so hört man, ja auch im Brief-Kontakt mit dem zukünftigen ARD-Vorsitzenden Fritz Pleitgen. Was steht denn da in den Briefen drin? Worüber tauschen Sie sich aus?

Jürgen Doetz: Das war jetzt kein Briefkontakt, sondern wir trafen das letze Mal beim Bundeswirtschaftsminister zusammen. Und da kam dieses Thema schon mal zur Sprache. Und dort haben wir uns eben verabredet.

Jörg Wagner: Wie können Sie sich denn eine weitere Zusammenarbeit mit der ARD noch vorstellen?

Jürgen Doetz: Gut. Ich sage mal, in diesen technologischen Fragen haben wir sicher Klärungsbedarf. Nehmen wir mal Technologie, weil wir über die Digitalisierung reden, wie geht es mit der terrestrischen digitalen Verbreitung weiter? Hier glaube ich ist, ist ein wichtiges Thema. Andere Baustelle: z. B. Urheberrechts-Reform von Frau Däubler-Gmelin. Auch hier haben wir sicher gemeinsame Interessen. Also die früher übliche Schwarzweißmalerei, ich sag‘ mal so, alles wofür der öffentlich-rechtliche ist, da sind die Privaten a priori dagegen, dies gehört der Vergangenheit an. Wir haben natürlich weiter unsere Konfliktfelder, unsere Baustellen, wenn es um neue Programme geht, wenn es um Gebührenfragen geht. Aber ich glaube gerade in diesem rechtlichen, technologischen Bereich häufen sich die Gemeinsamkeiten und werden sicher zu neuen Formen der Kooperation führen.

Jörg Wagner: Höre ich da so etwas heraus, was in der Politik in den 70er, 80er Jahren zu hören war: die friedliche Koexistenz?

Jürgen Doetz: Die friedliche, aber sicher auch oft streitige Koexistenz.

Jörg Wagner: Gut, das war Jürgen Doetz, Vorstandsmitglied der Pro7Sat1-Media AG und Präsident des VPRT, vielen Dank Herr Doetz.

Jürgen Doetz: Alles klar und schönes Wochenende.

Jörg Wagner: Ja ebenfalls, tschüss.

Jürgen Doetz: Tschüss.


(Bildschirm-Fotos: Jürgen Doetz, 1999, rund ein Jahr vor dem Telefoninterview, © Phoenix, 1999)







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