[0:00] Michael Praetorius: Ich bin Michael Praetorius und ich bin eigentlich so ein freies Radikal. Ich laufe auf ganz vielen Veranstaltungen rum und berate im Hintergrund TV-Sender, Radio-Sender, Marken, wenn es um dieses Thema digitale Medien geht, digitale Verbreitung von Inhalten. Hab’ eine journalistische Vergangenheit und wenn ich selbst vor der Kamera oder hinter dem Mikro sitze, dann meistens um dort Content-Formate auszuprobieren oder selbst einfach das Gespräch zu suchen mit anderen, wo ich meine mediale … ja meine Fähigkeiten nutze eben, dann eben selbst auch publizistisch aktiv zu werden. Es war jetzt kompliziert formuliert, ge?
[0:34] Jörg Wagner: Ich glaube, unsere Hörer schaffen das. Was mir auffällt, dass Du sehr meinungsstark in Deinen Interviews bist, also jetzt nicht nur abfragst, sondern auch Deine Expertise mit einbringst, auf Augenhöhe meist sogar, glaube ich, einen Tick noch aus der Vogelperspektive stärker betrachtet, als diejenigen, die betroffen sind. Deswegen würde mich mal Deine Meinung tatsächlich zum Phänomen Podcast interessieren. Dieses Kunstwort aus dem iPod und Broadcast ist ja ein genialer Trick gewesen, um das, was man audio on demand nennt einfach nur wirkungsvoll zu vermarkten, aber Radio auf Abruf fängt ja spätestens zu der Zeit an, als man Wachsmatrizen herstellte, um Aufzeichnungen zu machen bzw. dann im Heimbereich, als man mit Kassetten-Geräten und Tonband-Spulen Radioprogramme aufnahm, um sie auch zeitversetzt zur Verfügung zu haben. Was ist für Dich der eigentliche Mehrwert eines Podcasts? Was ist das eigene Genre? Was ist sozusagen spezifisch?
[1:30] Michael Praetorius: Also, die Faszination beim Podcasten im Vergleich zum Live-Radiomachen, die ich selbst erlebt habe, weil ich beides gemacht habe früher, ist, dass du viel intensiver, viel intimer mit deinem Hörer in Verbindung trittst, weil er dir lange zuhört, weil er dir sehr intensiv zuhört, während der Autofahrt. Das ist eine ganz andere Faszination. Während wir im Radio doch eher auf sehr knappe Formate aus sind, wo wir die Leute eigentlich eher stören. Also, wir versuchen sie immer irgendwie beiläufig zu erreichenden. Und ein Podcast ist eher so ein gewolltes Format. Das heißt, Leute hören dir viel intensiver zu. Umso trauriger ist es, dass die meisten Radiomacher oder die meisten Podcaster bis heute nicht auf der wichtigsten Metrik arbeiten, nämlich der Verweildauer oder wie oft haben sich eigentlich meine Hörer denselben PodCast, dieselbe Episode noch mal angehört, weil sie so gut fanden. Sie arbeiten bis heute auf den Downloadzahlen und eine Downloadzahl ist etwas unheimlich frustrierendes, weil das heißt erstmal nur, dass ich in iTunes oder sonst irgendwo gut gelistet wurde, Leute mich einmal abonniert haben und mein Podcatcher, mein iTunes mich jetzt einmal in der Woche runterläd, mir massiv Kosten auf den Server spult, weil diese ganzen Downloadzahlen muss ich irgendwo auch bezahlen oder jemand anders muss sie für mich zahlen. Und ich aber überhaupt nicht weiß, laden sich Leute diesen ganzen Krampf auf ihr Smartphone oder auf ihren iPod von mir aus ffrüher noch und hören sie es auch? Oder hören sie es dreimal, hören sie es viermal? Spulen sie hin und her, weil sie sagen, das war eine interessante Stelle, die will ich noch mal hören? Und da gibt es mittlerweile sehr viel intelligentere Plattformen, allen voran war damals schon YouTube da, die mir einfach als kreativen Audio- und Videomacher die genauen Insights geben, wo haben Leute hin und her gespult, wo sind die dran geblieben? Und wenn wir als Podcaster diese Zahlen hätten, könnten wir noch viel coolere Podcasts machen.
[3:07] Jörg Wagner: Seltsamerweise, was mich irritiert oder überrascht hat im positiven Sinne, dass die vorrangigste Podcast-Plattform YouTube sein soll und danach kommt erst iTunes, also für den Abruf von tatsächlich Wort-Sendungen, wenn man das mal so sagen kann. Liegt es möglicherweise daran, dass YouTube einfach die besseren Tools im Hintergrund hat?
[3:28] Michael Praetorius: Na, das hat zwei Gründe. Also erstmal gibt es eine ganz große Zahl von Nutzern, die Youtube schon sehr, sehr lange als Audio-Plattform nutzen. Das kommt einfach aus dem Musik-Bereich heraus, dass manche Leute einfach sagen, ich kann mir das auch einfach an anhören. Die zweite Geschichte, es gibt bei YouTube auch hervorragende Talkshows. Und wenn ich mir die Talkshow anhöre, dann ist das manchmal sogar genauso erkenntnisreich, wenn ich bei einer Talkshow zuschaue, weil Talking Heads, die im Anzug eine dreiviertel Stunde rumsitzen, da verändert sich jetzt im Bild nicht so viel spannendes, das kann ich mir auch anhören. Insofern ist das Format für Talk auch ganz gut geeignet bei einem Podcast. Dann muss man dazu sagen, wie gesagt, auf der Macher-Seite, also für diejenigen, die die Produzenten dieser Formate sind, sind die Einschaltquoten einfach deutlich transparenter, weil ich nicht nur sehen kann, wie viel Leute haben es geguckt, sondern wie lange sind die auch dran geblieben. Weil es kann ja auch sein, dass ich 100 Hörer habe, die aber alle mein Programm so schlecht fanden, dass sie sofort sich wieder rausklinken. Ich bin großer Fan z. B. von Radio-Podcasts. Die fangen aber immer gleich an. Mit so einem komischen Intro, mit “Jetzt die Woche der Podcasts”, wo ich sag so: Ich weiß doch gar nicht, ob ich die Folge schon gehört habe. Jetzt muss ich mir 30mal euer Intro anhören, bis ich weiß, ja ich bin in der richtigen Folge gelandet. Und das ist so aus der Zeit gefallen. Das ist so aus diesem linearen Gedanken, wir müssen den Typen jetzt im Radio oder den Frauen im Radio jetzt ankündigen, was sie hören werden, wenn ich einen Podcast höre, weiß ich doch, was ich eingeschaltet habe. Und deswegen liebe ich es, wenn Radiomacher sich diesem Podcast-Medium noch mal von der anderen Seite nähern und sagen ich produziere es zuerst für die soziale Netzwerke. Ich produziere es zuerst für meine sehr, sehr treuen online-Hörer und das Best of nehme ich dann auch noch mal ins lineare Radio und kündige es dort noch einmal an.
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