[0:00] Markus Huber: Von mir auch noch mal einen guten Morgen. Schön, dass Sie sich die Zeit nehmen hier bei uns. Und die Frau Fromm hat gerade das Wortspiel noch entdeckt: Wir treffen uns hier ja in der Wilhelmstraße (Heiterkeit). Welche Location könnte es besser geben? Soviel zur Vorrede. Wir würden Ihnen vorschlagen, dass nach dem Eingangsstatement von Herrn Wilhelm Sie einfach direkt in Ihre Themen einsteigen können und die Fragen, die Sie interessieren. Lieber Herr Wilhelm: the floor is yours.
[00:28] Ulrich Wilhelm: Ja, vielen Dank auch von meiner Seite. Noch mal willkommen. Ich freue mich auf die Zusammenarbeit mit Ihnen in den kommenden zwei Jahren. Und uns ist natürlich bewusst, dass die Zusammenarbeit immer wieder auch von harter Kritik durch Sie geprägt sein wird. Damit können wir umgehen. Das kann auch gar nicht anders sein, weil wir mit öffentlichem Geld umgehen.
[0:54] Und da ja immer mit Recht genauer hingeschaut wird, aber die Fairness, die ich über viele Jahre immer erleben konnte, die ermutigt mich, davon zu sprechen, dass es eine hoffentlich gute Zusammenarbeit sein wird. Die nächsten zwei Jahre werden ja eine ganze Reihe von wichtigen Debatten bringen. Sie alle haben darüber schon viele Ausblicke geschrieben. In diesem Jahr wird’s ja ganz besonders um die Themen des Rundfunkrechts gehen, also auftragsbezogene Themen, im kommenden Jahr dann um die Themen der Finanzierung. Da ist ja wieder die Anmeldung für die dann folgende KEF-Periode von 01.01.21 bis Ende 24 fällig mit allem, was dann an Positionierungen der KEF und darauf folgend der Länder erfolgen wird.
[1:50] Und in diesen gesamten Zusammenhang spielt natürlich immer mit hinein die große Diskussion um die Zukunft des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, die wie ich ja verschiedentlich ja schon sagen konnte nicht alleine in Deutschland geführt wird, sondern eine mindestens europaweite Diskussion ist. Manche Kollegen in den internationalen Gremien, die es auch bei uns gibt wie in vielen anderen Zusammenschlüssen, die sprechen davon, dass es sogar über Europa hinaus, etwa Kanada, Australien eine solche Debatte gibt und die, auch das konnte ich ja schon mal kurz anklingen lassen, ist nicht alleine auf den Rundfunk begrenzt, sondern eigentlich generell auf den Stellenwert öffentlicher Güter, also öffentliche Daseinsvorsorge im weiteren Sinne. Und welchen Platz hat sie noch? Braucht es noch Angebote die für eine große Mehrheit von Menschen gedacht sind oder kann der Markt zunehmend mit Bezahlangeboten mit dem Honorieren eines konkreten Nutzen die Dinge verlässlich abdecken? Da gibt’s unterschiedlichste Positionen in der Debatte. Auch davon wird mit Sicherheit in den nächsten zwei Jahren viel die Rede sein. Vielleicht nur ganz knapp, wo wir stehen.
[3:01] Es gibt ja nicht nur die Anstalten alleine, die über dieses zu befinden haben, sondern viele Akteure mit einer jeweils eigenen Verantwortung. Es gibt die Länder, die einen hohen Gestaltungsspielraum haben in den Grenzen des Verfassungsrechts. Also, die durch Artikel 5 gezogen sind und die jahrzehntelange Rechtsprechung aus Karlsruhe dazu oder auch der Landesverfassungsgerichte. Es gibt die KEF mit ihrem eigenen Rollenverständnis und ihrer Verantwortung. Und es gibt eben die Anstalten, wobei in den Anstalten ja auch jeweils checks and balances gegeben sind zwischen den Organen, also Verwaltungsräten, Rundfunkgeräten und den Geschäftsleitungen mit jeweils den Intendant an der Spitze plus natürlich dann die redaktionelle Freiheit in den jeweiligen Programmen und die vielfältigen Ideen, Initiativen für die Programmgestaltung. Und dann gibt es noch, nicht zu vergessen, das Publikum, das ja auch Erwartungen an uns hat.
[4:03] Ich hatte geworben in einigen meiner ersten Interviews zum Amtsantritt für einen Teuerungsausgleich. Dabei ist folgendes wichtig. Teuerungsausgleich heißt ja nicht Expansion. Wir haben also ausdrücklich nicht geworben für eine weitere Expansion, sondern für das Beibehalten dessen, was wir an Gestaltungskraft haben im Zuge eines Teuerungsausgleich und auch das ab 01.01.21. Das ist mitunter etwas unklar beschrieben oder kommentiert worden. Es geht nicht für den Zeitraum SOFORT, sondern eben für das Thema, wo überhaupt die nächste Gestaltungsentscheidung durch KEF und Länder dann zu erfolgen haben wird. Nämlich 01.01.21 bis Ende 24. Das zweite, wofür wir geworben hatten, ist das Thema uns als Häusern mehr Planungssicherheit zu geben. Weil wir ja alle wissen, dass wir schrumpfen werden. Ich habe selber das auf jeder Personalversammlung innerhalb meines Hauses des Bayerischen Rundfunks gesagt, dass sich alle bitte auch darauf einstellen müssen, dass wir schrumpfen werden, also Stichwort nicht Expansion, sondern, dass wir auch Teile haben, in denen wir tatsächlich weniger werden, in denen wir auch mit weniger zurechtkommen müssen. [Es] gibt einige andere Felder, auf denen wir wachsen müssen mit neuen Berufsbildern im Netz, wie das alle Medien müssen. Also neue Berufsbilder wie Programmierer, Webdesigner, Mediengestalter und dergleichen mehr und eben andere Felder, auf denen wir ganz klar und es ist auch schon in die Wege geleitet, Schrumpfen werden. Unser Haus das kennen Sie ja wahrscheinlich aus der Diskussion, baut ja die … das Personal der Fernsehproduktion ab um 450 Stellen, fast eine Halbierung, innerhalb von zehn Jahren, mit der wir auch schon begonnen haben mit all den schwierigen Begleiterscheinungen. Aber generell gilt ja wenn sie sich bewegen in einem Feld, das sehr stark gewachsen ist, historisch gewachsen ist und unter den Bedingungen unseres Rechtsstaats gewachsen ist, also mit Tarifautonomie, mit der Bindung an Tarifverträge, mit der Bindung an Arbeitsverträge, mit all der Gesetzgebung aus dem Bereich des Arbeitsrechts oder des Arbeitsschutzes heraus, dass man dann Planungssicherheit braucht auch für solche Umgestaltungen von Anstalten. Womit wir generell – und das gilt vermutlich für jedes Unternehmen – schlecht leben können, ist mit so einem Stakkato ganz kurzfristige Ansagen, wenn man weiß mit einem Vorlauf von oft dann nur zwölf Monaten: das ist eure Grundbedingung für die kommenden Jahre. Dann wird es eben sehr, sehr schwer, weil wir ja auch längere Linien entwickeln müssen in unseren Diskussionen mit den Gewerkschaften, in unseren Diskussionen mit den Programmen, in unseren Diskussionen auch mit den Technikern, wenn es drum geht, wie ist die Ausstattung bestimmter Teile des Hauses, womit wir über einen längeren Zeitraum zu leben haben.
[7:02] Dem Ziel dient der Vorschlag, den die ARD in ihrem Strukturpapier ja gebracht hat. Sie haben es verfolgt: Umgestaltung des KEF-Verfahrens mit der Möglichkeit eines längeren Horizonts. Eine weitere Vorbemerkung von mir bezieht sich darauf, dass bei der Kommentierung, wo wir am Markt Verluste erlitten haben, häufig der Hörfunk vergessen wird. Als, ich hab’ viele Kommentare gelesen, die mich erstaunt hatten, weil nur vom Fernsehen die Rede war und überhaupt mit keinem Wort vom Hörfunk … gerade der Hörfunk hat ja unverändert eine große Bindekraft in allen Altersgruppen in den unterschiedlichsten Teilen unserer Gesellschaft.
[7:45] Die unterschiedlichen Häuser der ARD oder auch der Deutschlandfunk haben da ja sogar Zuwächse ganz ordentliche. Auch bei mir im eigenen Verantwortungsbereich ganz erfreuliche Dinge, wenn sie nur alleine nehmen, dass Bayern 3, das ja etwas älter geworden war nach einer phänomenalen Gründungsphase jetzt wieder Marktführer ist in der Gruppe der 20- bis 29-Jährigen. Nur als ein Beispiel Bayern1 einen ganz beachtlichen Aufwärtsschritt tun konnte. Eine Neugründung wie BR Heimat, die ein Nischenprodukt ist, ein liebenswertes Nischenprodukt ganz ordentlich Publikum sofort gebunden hat und da könnte jeder meiner Kolleginnen und Kollegen natürlich Beispiele anführen. Also meine Bitte ist nur bei der Bewertung und der stellen wir uns natürlich auch in aller Offenheit und wo nichts zu beschönigen ist, ist nichts zu beschönigen. Das gilt auch … aber das man bitte dann auch das ganze Bild sieht mit den Hörfunkprogrammen, mit den dritten Programmen und eben dann den weiteren Angeboten des linearen Fernsehens, sowie auch Mediatheken oder andere Angebote wie etwa jetzt die neue Audiotheken App.
[9:00] Zusammenfassend vielleicht nur an den Anfang gestellt: wir verfügen über Realitätssinn. Uns ist die Diskussion in Deutschland bewusst, wohl bewusst auch die in vielen anderen Ländern Europas und darüber hinaus. Wir wissen, dass die Bäume nicht in den Himmel wachsen werden. Wir müssen aber umgekehrt, wenn die Politik überlegt, was könnten sie an Bedingungen für die Gestaltung der Zukunft denn verändern, müssen wir Sie auch seriös informieren und zur seriösen Information gehörte auch mein Hinweis, dass bei einer weiteren Beitragsstabilität von 17,50 in den Jahren 21 bis 25 dann eben tief ins Programm geschnitten werden muss. Das ist mitunter als Drohung charakterisiert worden. Das ist keine Drohung, sondern dies ist einfach der Hinweis auf Tatsachen. Und wir müssen ja den Gesetzgeber, wenn er Fragen an uns hat, was passiert wenn, wir dieses oder jenes überlegen, konzipieren oder verändern wollen, seriös auf Konsequenzen hinweisen, die sich ergeben würden. Und diese Konsequenz würde sich nachdem dafürhalten vieler, übrigens auch vieler Experten, die unabhängig sind und gar nicht zu den Häusern gehören, einfach ergeben, weil man eine so beachtliche Summe nicht alleine einsparen könnte durch Veränderungen bei Personalverwaltung und Technik, sondern da wären wir dann wirklich auch ganz beachtlich im Bereich des Programms. Dieses muss man einfach wissen für die Gestaltungsentscheidungen, die da zu treffend sein werden.
[10:37] Und da, glaube ich, haben Sie auch Verständnis dafür, dass wir uns immer wieder zu Wort melden werden, wenn es darum geht zu sagen, was ist die Folge, wenn so oder so oder so entschieden wird oder im Vorfeld überlegt wird. Ja, danke für Ihre Geduld für diese Vorrede und ich bin gespannt auf die Diskussion.