ARD-Chefredakteur zum „Framing-Manual“

Rainald Becker | Foto: © ARD-Hauptstadtstudio/Thomas Kierok
Rainald Becker | Foto: © ARD-Hauptstadtstudio/Thomas Kierok


2017 gab der mdr, als ARD-Vorsitzlandesrundfunkanstalt ein Handbuch über Sprache, Framing, Kommunikation in Auftrag. Fast zwei Jahre später entdecken “Tagesspiegel” und “Welt” dieses interne Papier fast zeitgleich. Und besprechen es, lösen damit eine Empörungs- und Skandalisierungswelle aus und eine Leaking-Aktion von netzpolitik.org, in der das Framing Manual der Linguistin Dr. Elisabeth Wehling entgegen urheberrechtlicher Vorbehalte der ARD online gestellt wurde.

Wer:
* Rainald Becker, ARD-Chefredakteur
* Jörg Wagner, Medienjournalist
Was: Telefoninterview über das von netzpolitik.org geleakte „Framing-Manual“
Wann: rec.: 22.02.2019, 17:00 Uhr, veröffentlicht von wesentlichen Teilen des Interviews im radioeins-Medienmagazin vom 23.02.2019 und im rbb Inforadio am 24.02.2019, 10:44/17:44 Uhr




(wörtliches Transkript, Hörverständnisfehler vorbehalten)

Jörg Wagner: [0:00] Rainald Becker, Sie sind als ARD-Chefredakteur quasi der oberste Journalist der ARD und sind es auch gewohnt durch Ihre beruflichen Stationen, davor z. B. als Korrespondent oder in Ihrem Tätigkeitsbereich im ARD-Hauptstadtstudio professionell mehrere Perspektiven eines Vorgangs zu betrachten. Hat Sie das Interesse der Öffentlichkeit an dem Gutachten überrascht?

Rainald Becker: [0:20] Nein, ehrlich gesagt hat mich das Interesse nicht überrascht. Und es ist ja vor allen Dingen … bevor die Öffentlichkeit sich dafür interessiert, hat es natürlich vor allen Dingen viele Kollegen, viele Medien-Journalisten bei der Zeitschriften, Zeitungen, Vorlagen interessiert. Es ist ja ein bisschen in der Mode, ein bisschen ARD-Bashing oder überhaupt öffentlich-rechtlichen-Bashing zu betreiben. Das passte dann ganz gut da rein. Das hat mich nicht überrascht. Was mich überrascht hat, sind teilweise die Begriffe, mit denen da hantiert wurde, also das als “Skandal” oder als “skandalös” zu bezeichnen. Oder gar als “Umerziehungspapier” oder als “Geheimpapier”, all diese Dinge. Das ist es alles nicht. Und da muss man einfach mal auf den Boden der Sachlichkeit zurückkommen und einfach sagen: Das ist ein internes Papier. Dazu kann man unterschiedliche Haltungen haben. Dieses Papier war Gegenstand von Workshops. Es wurde deshalb nicht veröffentlicht, weil es intern war. Aber die Diskussion, die ist nach sich gezogen hat, zeigt natürlich, wir hätten es besser beizeiten auch veröffentlichen sollen.

Jörg Wagner: [1:35] Sie haben sogar per Twitter die Veröffentlichung des internen Framing-Handbuchs durch netzpolitik.org als geleaktes Papier begrüßt, warum?

Rainald Becker: [1:44] Ja, natürlich, weil wenn so etwas im Gespräch ist und zwar mit dieser negativen Attitüde, die ich vorhin erwähnt habe, also “Geheimpapier”, “Umerziehungspapier” und, und, und … dann gibt es ja nur noch eine Möglichkeit: Raus damit an die Öffentlichkeit. Die Menschen müssen die Möglichkeit haben, sich selber zu überzeugen, was ist da drin, was steht da drin? Haben die, die das negativ bewerten wirklich recht? Dann hat man nur noch die Möglichkeit, wirklich Transparenz zu schaffen im eigenen Interesse. Und deshalb habe ich das begrüßt und ich habe das allerdings ja auch – und ich hab’s ja gerade auch schon gesagt – mit dem Zusatz versehen: Hätten wir besser selber machen sollen, hätten netzpolitik.org vielleicht in diesem Punkte einfach zuvorkommen können und sollen. Aber sei’s drum, es ist nicht schlimm und es ist kein Beinbruch, dass es geleakt und veröffentlicht wurde.

Jörg Wagner: [2:39] Sie kennen ja selbst die Nachrichtenzyklen. Die werden ja manchmal bezeichnet als „Mediensäue“, “die durchs Dorf getrieben werden”. Irgendwann werden sich die öffentlichen Wogen wieder glätten. Alle Argumente sind dann auch ausgetauscht. Dennoch, was bleibt Ihnen hängen, als das, was man aus dieser Erfahrung nun lernen kann? Kommuniziert die ARD zu wenig oder zu intransparent? Nicht offensiv genug?

Rainald Becker: [3:02] Ach, dazu will ich mich ehrlich gesagt gar nicht verhalten. Ich glaube, in Zukunft sollten wir mit solchen Dingen und solchen Beauftragungen grundsätzlich vorsichtiger sein. Ich hab’ ja auch schon gesagt – und deshalb wiederhole ich das an dieser Stelle – ich persönlich hätte dieses Papier und seinen gesamten Inhalt nicht gebraucht. Nach 35 Jahren im Journalismus braucht man, glaube ich, solche Handlungsanweisungen, als solche wurden sie zumindest verstanden – ich habe sie nie so verstanden, aber sie wurden so verstanden – braucht man nicht. Und die Tatsache ist ja auch: Dieses Papier ist ja eigentlich nie wirklich in den Redaktionen angekommen. Das Papier liegt irgendwo. Das Ding hat 89 Seiten. Und ich wette, dass von den vielen tausend Mitarbeitern in den einzelnen Landesrundfunkanstalten das Ding kaum jemand gelesen hat. Aber wie gesagt, die Außenwirkung, die durch die Medien da ein bisschen auch geschürt wird, ist eine andere. Wir sollten einfach daraus lernen, dass wir in der nächsten Zeit und auch grundsätzlich uns überlegen, was machen wir, was machen wir intern und wie kommunizieren wir das. Das sollte man im Übrigen immer überlegen, sollte sich jedes Unternehmen überlegen und ein Medien-Verbund insbesondere.

Jörg Wagner: … meint Rainald Becker. Er ist der ARD-Chefredakteur. Vielen Dank für dieses Gespräch.








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