Zeitungssterben – DuMont-Pläne über Entkernung des Zeitungsgeschäfts

Uwe Vorkötter | Foto: © Jörg Wagner
Uwe Vorkötter | Foto: © Jörg Wagner


„Keine vier Jahre nach dem Tod des Verlegers Alfred Neven DuMont soll die Mediengruppe zerschlagen werden. Die Gesellschafter wollen sich von allen Regionalmedien trennen. Von dem mehrere Jahrhunderte alten Traditionsunternehmen bliebe kaum etwas übrig.“ , so berichtete am 26.02.2019 der Branchendienst für Marketing, Werbung und Medien HORIZONT im Deutschen Fachverlag. Die DuMont-Mediengruppe bezeichnete dies am Dienstag-Vormittag (26.02.2019) noch als „Gerüchte“, zu denen man sich “grundsätzlich” nicht äußere. Am Dienstag-Nachmittag (26.02.2019) erfuhren die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der betroffenen Bereiche, den “tatsächlichen Sachverhalt”, dass man als Unternehmen mache, was jedes Unternehmen macht, nämlich darüber strategisch nachzudenken, wie man sich in der Zukunft aufstellen müsse, welche Optionen man habe. Und darunter sei auch die “Option einer möglichen Veräußerung von Teilen des Portfolios der Mediengruppe”.

Wer:
* Dr. Uwe Vorkötter, Chefredakteur HORIZONT, ehemaliger Chefredakteur Berliner Zeitung und Frankfurter Rundschau
* Jörg Wagner, Medienjournalist
Was: Telefoninterview über die DuMont-Strategie
Wann: rec.: 01.03.2019, 15:35 Uhr, veröffentlicht in einer 8-Minutenfassung im radioeins-Medienmagazin vom 02.03.2019 und in Auszügen im rbb Inforadio am 03.03.2019, 10:44/17:44 Uhr

Vgl.:
* Kurzinterview mit Alfred Neven DuMont nach dem Kauf des Berliner Verlags, 24.03.2009
* Wechsel in der Chefredaktion, Interview mit Brigitte Fehrle, 08.06.2012
* Neues (Altes) Image für die Berliner Zeitung, 02.11.2013
* Umbau Berliner Verlag, 28.10.2016



(wörtliches Transkript, Hörverständnisfehler vorbehalten)

Jörg Wagner: [0:00] „Keine vier Jahre nach dem Tod des Verlegers Alfred Neven DuMont soll die Mediengruppe zerschlagen werden. Die Gesellschafter wollen sich von allen Regionalmedien trennen. Von dem mehrere Jahrhunderte alten Traditionsunternehmen bliebe kaum etwas übrig.“, so berichtete am Dienstag der Branchendienst für Marketing, Werbung und Medien HORIZONT im Deutschen Fachverlag. Betroffen vom Verkauf wären auch die Berliner Zeitung und der Berliner Kurier. Die DuMont-Mediengruppe bezeichnete dies am Dienstag-Vormittag noch als „Gerüchte“, zu denen man sich “grundsätzlich” nicht äußere. Am Dienstag-Nachmittag erfuhren die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der betroffenen Bereiche, den – Zitat – “tatsächlichen Sachverhalt”, dass man – kurz zusammengefasst – als Unternehmen mache, was jedes Unternehmen macht, nämlich darüber strategisch nachzudenken, wie man sich in der Zukunft aufstellen müsse, welche Optionen man habe. Und darunter sei auch die “Option einer möglichen Veräußerung von Teilen des Portfolios der Mediengruppe”. Am Telefon jetzt Dr. Uwe Vorkötter, Chefredakteur vom HORIZONT. Bei Ihnen las sich das nicht als Option, als EINE Möglichkeit von vielen, sondern als sehr wahrscheinliche Absicht, bzw. es erschien wie eine Tatsachenbehauptung. Bleiben Sie bei Ihrer Darstellung?

Dr. Uwe Vorkötter: [1:12] Ja, das ist eine Tatsache, dass die Gesellschafter von DuMont ihre Zeitungen, entweder im Paket oder einzeln verkaufen wollen. Dafür gibt es eine Verkaufsunterlage. Die hat eine Unternehmensberatung erstellt und diese Verkaufsunterlage ist eigentlich bei allen wichtigen, großen deutschen Zeitungsverlagen … liegt die auf dem Tisch und diese Verlage sind nun ausdrücklich aufgerufen, ein Angebot, entweder für alle Zeitungen, DuMont-Zeitungen zusammen zu machen oder für einzelne Zeitungen. Also, das ist kein Gerücht. Das ist eine feste Absicht.

Jörg Wagner: [1:44] Aber, wie passt das wiederum zusammen mit der Versicherung gegenüber den Leserinnen und Lesern am Donnerstag, 28. Februar in den betroffenen Blättern, wie hier z. B. in der Berliner Zeitung? Zitat: “Wir möchten Ihnen, liebe Leserinnen und Leser, versichern, dass die Arbeit in Verlag und Redaktion – die Herstellung und die Produktion unserer Zeitungen sowie der Digitalangebote – davon völlig unberührt sind. (…) Die Berliner Zeitung wird selbstverständlich weiterhin in der von Ihnen gewohnten Qualität erscheinen. Das garantieren wir.”

Dr. Uwe Vorkötter: [2:14] Na ja zunächst mal läuft ja die Zeitungsproduktion auch unverändert weiter und man muss ja auch hinzufügen, wenn diese Zeitungen verkauft werden sollen, das hat ja nicht etwas damit zu tun, dass die Kollegen in der Redaktion der Berliner Zeitung oder beim Berliner Kurier einen schlechten Job machen oder, dass die lokalen Geschäftsführer ihr Management-Handwerk nicht verstehen. Das hat damit überhaupt nichts zu tun. Das ist eine Grundsatzentscheidung eines Unternehmens bzw. einer Unternehmerfamilie, sich von ihrem Kern-Geschäft zu trennen, weil sie keine Zeitung mehr machen will und dass man Zeitungen auch noch weiter produziert jetzt, ja das ist ja eigentlich eine Selbstverständlichkeit. Man wird ja jetzt die Produktion nicht einstellen, nur weil man die Absicht hat, die Blätter zu verkaufen.

Jörg Wagner: [2:58] Aber, ich habe noch mal nachgeschlagen, also “Garantie” ist schon mehr als nur irgendwie ein Versprechen, sondern “wenn ein Rechtssubjekt ein bestimmtes Handeln oder Unterlassen bereits vor Eintritt eines bestimmten Ereignisses rechtsverbindlich zusagt, dann spricht man von einer Garantie”. Also egal was passiert, es ändern sich höchstens die Besitzverhältnisse. Alles andere wäre unberührt und was ist daran so schlimm?

Dr. Uwe Vorkötter: [3:19] So, das ist natürlich die nächste Frage, die Berliner Zeitung oder der Berliner Kurier werden ja nicht untergehen, wenn die Eigentümer diese Zeitung verkaufen. Sofern es einen Käufer gibt dafür, werden die auch weiterhin produziert werden. Das hat es in der Vergangenheit auf dem deutschen Zeitungsmarkt auch schon gegeben. Vor zehn Jahren, vor ungefähr zehn Jahren hat die Verlagsgruppe Georg von Holtzbrinck ein großes Paket von Regionalzeitungen Schritt-für-Schritt verkauft an andere Verlage, etwa an die Rheinische Post in Düsseldorf, an die Augsburger Allgemeine. Diese Zeitungen, die damals betroffen waren, die existieren heute alle. Die werden gekauft. Die werden gelesen. Da gibt’s Journalisten, die da arbeiten. Also, die Frage, wo eine Zeitung angesiedelt ist in welchem Unternehmen, da gibt’s ja durchaus unterschiedliche Optionen. Tatsache ist, DuMont will verkaufen. Und Tatsache ist, dass das zunächst mal eine große Unsicherheit in das ganze Gewerbe bringt. Und dann wird man sehen müssen, gibt es Käufer für die Zeitung und wenn ja, wer ist das?

Jörg Wagner: [4:19] Vielleicht sollte man nicht unerwähnt lassen, dass Sie mal Chefredakteur der Berliner Zeitung und der Frankfurter Rundschau waren und damit intimste Kenntnisse der Verlagsgruppe aus eigenem Erleben haben, als Alfred Neven DuMont noch der Verlagsherr war. Damals galt noch der Satz: Wir lieben Zeitungen! Wie bewerten Sie das jetzt, wenn man das Kerngeschäft veräußert?

Dr. Uwe Vorkötter: [4:38] Ja, da hat sich jetzt natürlich etwas geändert. Wir haben eingangs erwähnt, dass Alfred Neven DuMont vor vier Jahren gestorben ist. Alfred Neven DuMont war ein ganz großer Verleger-Patriarch. Vielleicht so der letzte seiner Art in Deutschland, der die Tradition dieses Unternehmens DuMont, das ja auf 400 Jahre Geschichte zurückblicken kann, der diese Tradition aufrecht erhalten und in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts noch einmal wirklich erfolgreich entwickelt hat. Der Mann ist aber gestorben vor vier Jahren. Das Unternehmen hat zwölf Generationen sich aus der Familie raus jeweils erneuert und jetzt gibt es eine Generation in der Familie, die ist nicht wirklich willens bzw. auch nicht in der Lage, dieses Haus erfolgreich zu führen und deshalb hat sie sich entschieden, dann verkaufen wir es halt.

Jörg Wagner: [5:30] Ja, aber was will man denn dann machen? Was, was … ich meine, wenn man alle Zeitungen verkauft, dann heißt man nur noch Mediengruppe, aber hat nichts mehr.

Dr. Uwe Vorkötter: [5:37] Nein, man … ob man dann noch Mediengruppe heißt, das ist eine ganz andere Frage. Nein, die DuMonts haben in den vergangenen Jahren schon in ein paar andere Felder investiert, zum Beispiel in ein Geschäftsfeld, das nennt sich marketing technology – das sind so Dienstleistungen für die Werbeindustrie – in ein Geschäftsfeld, das heißt business information – das sind Fach-Informationen für Unternehmen. Da sieht man offenbar mehr Zukunftschancen als im klassischen Zeitungsgeschäft. Aber klar ist, für DuMont war das Zeitungsgeschäft über Jahrzehnte und sogar Jahrhunderte der Kern des Unternehmens und das wird nun zerbröseln und verfallen.

Jörg Wagner: [6:18] Aber ist das nicht eine logische Konsequenz einer Entwicklung, als man Texte eben noch auf Papier drucken konnte, um sie weiterzureichen als Information und dass sich heute ja doch klar abzeichnet, dass das aktuelle Zeitgeschehen auf Papier ein Auslaufmodell ist?

Dr. Uwe Vorkötter: [6:34] Das ist ein Teil natürlich, der zu dieser Entwicklung führt. Wir haben das insgesamt mit einer Krise der Zeitungen zu tun. Das ist zunächst mal eine Krise dieses alten Print-Geschäfts, der alten druckerei-getriebenen Zeitung und wir haben auf der anderen Seite … müssen wir zur Kenntnis nehmen, dass der Online-Journalismus im Nachrichtenbereich, im privaten Nachrichtenbereich, dass der Online-Journalismus kein tragfähiges Geschäftsmodell entwickelt hat bisher. Das heißt, alle Zeitungsverlage der Republik – und in Berlin ganz besonders – stehen vor dieser Entwicklung, vor der Frage, wie kommen wir angesichts dieser Lage in die Zukunft? Unser altes Geschäft bricht weg. Ein neues parallel aufzubauen, da sind wir nicht sehr weit gekommen. Vor dieser Frage stehen alle. Und das führt zu einer Konsolidierung des Marktes. Wir hatten vor fünf, vor zehn Jahren 180 bis 200 selbständige Zeitungen in der Republik. Wir haben heute schon viel weniger. Es gibt einige wenige Gruppen, Zeitungs-Gruppen, die konsolidieren diesen Markt, indem sie größer werden und Zeitungen aufkaufen. Das ist z. B. die Madsack-Gruppe in Hannover mit dem Redaktionsnetzwerk Deutschland als überregionale Redaktion oder die Funke-Gruppe in Essen. DuMont wollte vor paar Jahren noch auch so ein Konsolidierer sein, wollte wachsen in diesem Geschäft, hat die Frankfurter Rundschau gekauft, hat die Berliner Zeitung gekauft. Und das ist schief gegangen und jetzt sieht man keine Perspektive mehr dafür.

Jörg Wagner: [8:07] Aber ist das nicht vielleicht clever jetzt die Zeitungen alle abzustoßen und die, die die kaufen verzögern oder verlangsamen nur den Untergang? Also Springer hat sich ja auch von wirklich traditionsreichen Titeln getrennt und verdient, glaube ich, das meiste Geld jetzt in einem nicht-journalistischen Bereich in Digitalangeboten wie Immobiliensuche und Preissuchmaschinen.

Dr. Uwe Vorkötter: [8:49] Man kann das so sehen. Grundsätzlich gibt es eigentlich zwei Positionen in der Branche. Die eine sagt, mit Zeitungen ist künftig kein Geld mehr zu verdienen. Das sind eigentlich die meisten. Die anderen sagen: Ja, in diesem Konzentrationsprozess wird es aber für diejenigen, die dann noch Zeitungen machen und die dann wirklich groß sind in diesem Geschäft, für die wird es da auch Geld zu verdienen sein. Das sind Madsack und Funke, wie ich erwähnt habe. DuMont ist nun in einer besonderen Lage. DuMont wollte am Zeitungsgeschäft festhalten, geht jetzt raus aus dem Geschäft, aber zu einem vergleichsweise späten Zeitpunkt. Und es ist die Frage, was werden die Gesellschafter für diese Zeitungen jetzt überhaupt noch erlösen können? Nehmen Sie mal die Berliner Zeitung. DuMont hat vor – 2009 war es – also ziemlich genau vor zehn Jahren für die Berliner Zeitung 150 Millionen Euro bezahlt. Heute ist die Berliner Zeitung ein Bruchteil davon nur noch wert. So ähnlich ist das bei anderen Titeln von DuMont. Das heißt, man wird die jetzt heute nicht zu einem Super-Preis verkaufen können, wie das vielleicht vor zehn, fünfzehn, zwanzig Jahren der Fall gewesen wäre.

Jörg Wagner: [9:38] Lassen Sie uns aber dennoch ganz kurz realistische Optionen prüfen. Die Funke-Gruppe wird Berliner Kurier und Berliner Zeitung in unserem Sendegebiet nicht kaufen dürfen wahrscheinlich aus kartellrechtlichen Gründen, weil sie ja schon die Morgenpost haben und dann bliebe ja eigentlich nur noch Madsack übrig nach Ihrer These.

Dr. Uwe Vorkötter: [10:23] Also, ganz sicher wird Madsack die Berliner Zeitung und den Berliner Kurier nicht kaufen. Man muss dazu sagen, die beiden Berliner Titel sind insofern ein wirkliches Problem, weil der Berliner Zeitungsmarkt ein so großes Problem ist. Noch mal, das hängt nicht mit der Leistung der Leute zusammen, die diese Titel machen. Und der Berliner Zeitungsmarkt ist – man muss das sagen – der ist kaputt. Der ist zerstört. Die Auflagen sind minimal geworden. Alle drei Abo-Titel in Berlin – die Morgenpost, der Tagesspiegel, die Berliner Zeitung zusammen – kommen ja gerade mal auf eine Zahl von verkauften Abonnements von 150.000/160.000. Stellen Sie sich das vor in einer Stadt mit 3,5 Millionen Einwohnern. Das Zeitunglesen ist in Berlin offenbar nicht mehr modern. Man will das nicht. Man gibt sein Geld lieber für Netflix und Spotify aus. Darunter leiden die Titel und deswegen wird sich auch die Frage stellen, wer kann eigentlich die Berliner Titel noch kaufen? In Köln, in Halle bei der Mitteldeutschen Zeitung da sieht das besser aus. Aber für die Berliner Titel sehe ich im Moment nicht die Perspektive, dass da in den nächsten Wochen ein Käufer auftreten wird.

Jörg Wagner: [11:05] Und Holtzbrinck scheidet auch aus. Sie hatten es ja mal versucht von Gruner + Jahr die Berliner Zeitung zu kaufen. Durften sie auch nicht. Jetzt gibt es eine spontane Idee in der Belegschaft, sich selbst zu kaufen, wäre das realistisch angesichts auch solcher glorreichen Beispiele wie der taz, wo es ja offenbar gelingt, mit einem Genossenschaftsmodell Zeitung zu machen?

Dr. Uwe Vorkötter: [11:25] Also, wenn Menschen den Mut haben, ihre eigene Zeitung zu kaufen, den Eigentümern abzunehmen, dann bewundere ich das. Das ist eine großartige Angelegenheit, aber man kann sich auch unglücklich damit machen. Schwarze Zahlen zu schreiben mit einer Tageszeitung in Berlin, das ist eine Herausforderung. Das schafft im Moment niemand. Das schafft die Berliner Zeitung nicht. Das schafft die Morgenpost nicht. Das schafft auch der Tagesspiegel nicht und wenn die Beschäftigen das selbst in die Hand nehmen, dass das dann besser geht, das ist bisher nicht mehr als eine These.

Jörg Wagner: [12:00] Auch die taz nicht? Die das ja jahrelang beweist, dass man in diesem Markt durchaus eine Stimme haben kann?

Dr. Uwe Vorkötter: [12:07] Die taz, sie hat ihre Nische in der Gesellschaft gefunden. Sie ist ein dezidiert politisches Blatt für einen Kreis von Menschen, die genau diese Stimme wollen. Es ist nicht eine normale Tageszeitung, die so alles von links bis rechts, von arm bis reich und Mann und Frau abdeckt. Sondern die hat eine … eine spitzere Zielgruppe und sie hat es geschafft, mit einer kleinen Auflage sich zu halten über die Jahre hinweg. Aber eben auch z. B. zu dem Preis, dass die Gehälter, die bei der taz gezahlt werden, dass die weit unter den Tarif-Gehältern sind, die etwa bei der Berliner Zeitung gezahlt werden.

Jörg Wagner: [12:49] Also, wenn ich alles jetzt zusammenfasse, was Sie gesagt haben, dann steht Berlin vor einer Art Marktbereinigung, wo alle anderen Konkurrenz-Blätter hoffen, dass sie dann letzten Endes vom Untergang der Berliner Zeitung, des Berliner Kuriers profitieren?

Dr. Uwe Vorkötter: [13:45] Nein, definitiv nicht. Im Gegenteil. Wenn einer dieser Konkurrenten auf dem Markt in Berlin verschwinden würde vom Markt, wäre das für die Konkurrenten eine Katastrophe. Das klingt unplausibel auf Anhieb. Aber es gibt einen ganz einfachen Grund dazu. Alle Berliner Tageszeitungen haben einen gemeinsamen Zeitungsvertrieb und der alle Titel in einem Wagen hat. Dieser Vertrieb ist ein hoher Kostenfaktor. Darunter leiden die Tageszeitungs-Verlage zurzeit ganz besonders, nachdem der Mindestlohn eingeführt worden ist. Der Zeitungsvertrieb ist extrem teuer geworden. Wenn einer aus diesem Konzert rausbricht, dann heißt das, dass die anderen die Kosten tragen müssen, das heißt, dass deren Kosten noch mal höher werden. Das will niemand und das würde möglicherweise wirklich dazu führen, dass es in Berlin auf absehbare Zeit keine Tageszeitung auf Papier mehr geben würde, sondern dann müssten sich alle überlegen, dass sie nur noch elektronisch erscheinen.

Jörg Wagner: [14:03] Sie hinterlassen mich relativ ratlos, was jetzt die Situation aktuell um Berliner Zeitung und Berliner Kurier anbelangt, aber so bleiben, wie es ist, kann es ja auch nicht.

Dr. Uwe Vorkötter: [14:15] Nein, eigentlich nicht. Warum? Das ist ein grundlegendes Problem, dass in der Vergangenheit schon alle Versuche, auf diesem Markt zu kooperieren oder zu fusionieren gescheitert sind. Der erste Versuch, Sie haben den vorhin erwähnt, ist am Kartellamt gescheitert, als Holtzbrinck die Berliner Zeitung übernehme wollte. Danach kam diese elende Phase mit den englischen und amerikanischen Finanzinvestoren, die am Berliner Verlag gescheitert sind letztlich, die ihn dann an DuMont weiterverkauft haben. Und eigentlich wäre allenfalls eine Fusion dieser Titel in Berlin eine Lösung, die wirtschaftlich einigermaßen sinnvoll sein könnte. Aber noch mal, wenn das Kartellrecht dem entgegensteht, dann wird das auch in Zukunft so sein. Das ist nicht absehbar, dass sich das jetzt noch mal ändert und auch die Interessen der jeweiligen Verlage sind schon sehr unterschiedlich. Es gibt ja einen – das ist der Tagesspiegel – der versucht mit einigem Erfolg sich ja in Berlin jetzt als gewissermaßen DIE Hauptstadt-Zeitung noch mal zu positionieren. Das ist so ein Krieg, den hat man eigentlich vor 25 Jahren ausgefochten. Aber der Tagesspiegel versucht das jetzt noch mal mit einer … Marketing, mit einem durchaus ansprechenden Erfolg. Aber man muss eben sehen, auch der Tagesspiegel verdient unter dem Strich kein Geld. Der hat den großen Vorteil, dass er einen Verleger hat, Dieter von Holtzbrinck, der jedes Jahr ein paar Millionen da rein steckt und sagt: Es macht mir nichts.

Jörg Wagner: [15:50] Das war die Einschätzung des Chefredakteurs vom Horizont, Dr. Uwe Vorkötter, selbst einmal Chefredakteur der Berliner Zeitung und der Frankfurter Rundschau, ich bedank’ mich für Ihre Einschätzung.

Dr. Uwe Vorkötter: [16:00] Gerne.








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