[0:00] Prof. Dr. Gerhard Pfennig: Meine Name ist Gerhard Pfennig. Ich bin Rechtsanwalt und bin Sprecher der Initiative Urheberrecht. Das ist meine Funktion. Und ich habe promoviert im Urheberrecht und habe eine Professur an einer Kunstakademie, wo ich über urheberrechtliche Fragen und Medienfragen weiter unterrichte, dort und an anderen Universitäten auch, weil es wichtig ist, dass man den jungen Menschen, die in der künstlerischen Ausbildung sind, von vornherein auch klar macht, welches die beruflichen Belange sind, denn das Urheberrecht ist einfach eine ganz wichtige Erwerbsquelle für kreative Berufe. Und deswegen bin ich froh, dass das inzwischen auch in die Lehrprogramme zunehmend aufgenommen wird. Nicht durch mich versorgt, sondern durch viele andere Kolleginnen und Kollegen, die sich mit diesem Thema inzwischen beschäftigen und den Kreativen sagen, worauf sie achten müssen, wenn sie mit eigenen oder fremden Werken umgehen.
[0:49] Jörg Wagner: Haben Sie eine Erklärung dafür – Sie haben ja ausdrücklich in Ihrer Rede die Bundeskanzlerin, Günther Oettinger, Frau Helga Trüpel von den Grünen gelobt und Teile der SPD …
[0:59] Prof. Dr. Gerhard Pfennig: Herrn Rabanus von der SPD. Herrn Rabanus, den Kultursprecher.
[1:03] Jörg Wagner: Genau … und aber gleichzeitig haben Sie auch deutlich gemacht, es gibt Leute, die anders denken über diese Problematik. Sind das nun alles nur Verirrte? Oder gibt es nicht auch Argumente der Gegenseite, die Sie respektieren?
[1:14] Prof. Dr. Gerhard Pfennig: Ich respektiere alle Argumente der Gegenseite, wenn sie begründet sind. Ich respektiere aber nicht, wenn die Gegenseite, wenn sie jetzt – ich meinte jetzt den Jusos-Flügel der SPD, um es mal ganz deutlich zu sagen, der sich jetzt im Augenblick damit profiliert, dass er sagt, wir sind gegen Uploadfilter. Damit sind wir gegen die Richtlinie und im Endergebnis – das sagen sie nicht – sind sie damit auch gegen die Besserstellung der Urheber im Internet bei der Verwertung ihrer Werke …
[1:40] Jörg Wagner: Das sagen sie ausdrücklich nicht. Sie wollen den Artikel 13 gestrichen haben.
[1:43] Prof. Dr. Gerhard Pfennig: … Ja. Ja, sie können aber … sie können aber nicht sagen: Wasch’ mir den Pelz und mach mich nicht nass. Der Artikel 13 ist in seiner Endformulierung auch nicht so, wie wir das gerne gehabt hätten. Wir haben sogar zeitweise mit starken Kräften der europäischen SPD über andere Lösungen nachgedacht. Es gibt ja in Deutschland dieses Beispiel der privaten Vervielfältigung. Jeder, der ein iPhone hat, darf Musik aufzeichnen für seine privaten Zwecke und die Firma Apple zahlt an die Verwertungsgesellschaft, in diesem Falle die GEMA, dafür eine Vergütung. Wir haben gesagt, das wäre eigentlich die beste Lösung für diese Bereiche, wo User Uploaded Content im Spiel ist, also wo Youtuber fremde Werke hochladen, aber nicht Geld damit verdienen. Das hat sich nicht durchgesetzt. Es gibt dicke Berge von Papieren. Es gab in der CDU und in anderen Fraktionen, auch in anderen Staaten – das ist ja eine Gesetzgebung aus 28 Staaten – dagegen Vorwände. Und die haben gesagt, es ist besser, wenn wir Lizenzverträge machen und im Rahmen der Lizenzverträge kann man dann diese User-Uploaded-Content-Frage auch umfassend lösen. Damit sind wir auch einverstanden. Aber solange jemand der Meinung ist, dass es tatsächlich … oder die Reform dazu führen muss, dass die kreativen Menschen, Urheber, Künstler, Fotografen besser beteiligt werden an den Erlösen, die aus der Vermarktung ihrer Werke auf Plattform erzielt werden, sind wir gesprächsbereit. Aber es wird ja im Augenblick eine Story verbreitet, nach der die Filter die Kultur kaputt machen.
[3:14] Ich kann Ihnen nur sagen: es gibt … es gab dieses Beispiel dieses Internetvideos des Massenmords in Neuseeland. Wenn man mit der Logik bestimmter Menschen dieses betrachten würde, könnte man folgendes sagen: Diese Einstellung ist nach einer halben Stunde aus dem Internet verschwunden. Darüber sind wir alle froh. Ich glaube, die meisten von uns sind darüber froh. Wenn man jetzt aber mit den Argumenten die Freiheit im Internet wirklich verteidigt, dann müsste man sagen, ja jetzt ist dieses Maschinengewehr-Video verschwunden, aber die Gefahr besteht doch, wenn ein Algorithmus Maschinengewehre rausfiltert, dass der aus Versehen auch Gewehre rausfiltert, mit denen Menschen auf dem Schützenfest auf Luftballons schießen. Das wollen wir nicht, weil dann deren Artikulationsfreiheit beeinträchtigt wird. Also, müssen wir verhindern, dass überhaupt Gewehre aus dem Internet gefiltert werden, damit nicht dieser Ausnahmefall “Schützenfest” unter die Räder kommt. Das ist doch absurd. Man muss einen Mittelweg finden. Und wir haben ja die Erfahrung mit der künstlichen Intelligenz, dass die in großen Sprüngen sich entwickelt.
[4:21] Diesen Filtern geht es lediglich darum, Identifikationsmöglichkeiten für Werke zu schaffen, die es heute schon gibt, die heute angewendet werden von den großen Plattformen. Und wir werden sehen, dass diese Filter für die Zwecke, für die sie gebraucht werden, optimiert werden können. Und die Sorge, dass da irgendwelche Zitate oder irgendetwas rausgefiltert wird, halte ich schon deswegen für unbegründet, weil die Urheber dieser Zitate ja gar nicht verlangen, dass ihre Werke rausgefiltert werden. Und in Massen-Lizenzen – alle Bilder werden lizenziert – sind solche Ausnahmevorschriften schon bisher vorgekommen. Auch bei der Fotokopie-Regelung kann es ja passieren, dass jemand auf den Kopierer nicht ein Kunstwerk legt, sondern eine Collage, die jemand anders gemacht hat oder ein gesetzlich zugelassenes Zitat, also ein Bildzitat, ein Kunstwerk mit einem erläuternden Text kopiert. Dafür ist keine Vergütung fällig. Sie dürfen diese Art von Zitaten machen, auch verbreiten, ohne dafür Rechte zu erwerben und zu bezahlen. Wenn Sie ein Zitat verbreiten, müssen Sie niemanden fragen, müssen niemandem etwas bezahlen. Das ist eine gesetzliche Ausnahme. Und ich will jetzt sagen, wenn jetzt eine solche gesetzliche Ausnahme kopiert wird und der Kopierer-Hersteller zahlt an irgendeine Verwertungsgesellschaft, zahlt er ja eigentlich zu viel. Für dieses eine Blatt müsste er nicht bezahlen. Aber diese Ausnahmefälle sind in der Kalkulation der Preise eingeschlossen, weil nämlich die Kopier-Industrie sagt, ihr wisst doch, dass da 5% irgendwie urheberrechtlich freies Material kopiert wird, dafür kriegt ihr kein Geld. Ihr kriegt nur für 95% des Volumens… ja da … wo ist’n das Problem?
[5:59] Jörg Wagner: Der DJV-Vorsitzende Frank Überall hat gesagt: Wir sind gegen Uploadfilter und er fordert sogar ‘n Verbot …
[6:06] Prof. Dr. Gerhard Pfennig: Also, ich glaube, Herr Überall hat da ein zugespitztes Beispiel gebracht. Wir haben Uploadfilter jetzt schon im Einsatz bei Hass-Mails. Da sitzen 200 Menschen bei YouTube und kein Filter bisher. Wir haben Uploadfilter, die herausfiltern, dass Hollywoodfilme bei YouTube nicht lange sichtbar sind. Die funktionieren. Die wird man gar nicht überflüssig machen können. Es gibt eine Diskussion gerade darüber, ob das Darknet gefiltert werden soll, in dem alle Arten von Kriminalität verbreitet werden, einfach um Kinderpornografie und sonstige Dinge rauszunehmen. Es kann ja auch ein durchaus, ein gesellschaftliches Interesse daran sein, dass man nicht jede Straftat ungestraft im Internet verbreiten darf. Ich glaube, das ist ein zivilisatorisches Interesse. Und insofern wird man ohne eine bestimmte Identifikation von bestimmten Inhalten gar nicht leben können. Ich glaube nicht, dass das jemals dazu führen wird, was immer die Gegner dieser Richtlinie hier an die Wand malen, dass systematisch wie in einem Zaun alles aufgefiltert wird und alles hängen bleibt. Auch bei Zäunen geht ja viel durch, was durch darf. Also, da wird man, wenn man sich erst einmal entspannt mit dieser Thematik auseinandersetzt, zu Lösungen kommen. Und für die Urheber und die Kreativen haben Filter – wenn sie überhaupt so genannt werden – überhaupt nur die Bedeutung, dass Werke identifiziert werden können. Das heißt, dass man sie wiedererkennen kann. Dass man einerseits sagt: Dieses Kunstwerk darf nicht auf einer rechtsradikalen Website erscheinen. Und dann identifiziert man das und dann muss es runter genommen werden. Aber niemand hat doch ein Interesse daran, darauf Einfluss zu nehmen, dass derjenige, der das Werk verbreitet, da noch inhaltlich irgendwelche Dinge damit verbindet. Also, diese Art von Zensur, die ja auch nur Staaten oder Regimes ausüben können, die wollen wir doch nicht – ausgerechnet die Kreativen – nicht anwenden. Wir wollen ja im Gegenteil … und die Kreativen wollen das, dass die Leute möglichst viel hochladen. Jeder Künstler will, dass seine Bilder von allen gesehen werden. Jeder Musiker will, dass er im Internet zu hören ist. Aber er will nicht ohne jede Vergütung dabei bleiben, wenn er sieht, dass dieses Hörbarmachen immer verbunden wird mit Geschäftsmodellen, die zu Werbeeinnahmen führen und zu anderen Erträgen, an denen er nicht partizipiert. Das ist doch ein ganz normaler Vorgang.
[8:26] Jörg Wagner: Noch mal was zu Ihrer Öffentlichkeitsarbeit. Sie haben heute hier zum Medienbrunch eingeladen, obwohl natürlich die Europaparlamentarier, 751 glaube ich an der Zahl, am Dienstag abstimmen. Was war die Intention, sich heute noch mal über die Medien an die Bevölkerung quasi zu werden?
[8:26] Prof. Dr. Gerhard Pfennig: Also, wir wollten zum einen ein Zeichen setzen gegen diese Demonstrationen. Es ist ja völlig legitim, auch wenn wir die Motive nicht teilen, dass Menschen auf die Straße gehen und gegen diese Reform protestieren. Aber wir wollten deutlich machen, dass es 140.000 Urheberinnen und Urheber in Deutschland gibt, von denen die ganz große Zahl diese Reform will, weil sie diese Reform für sinnvoll hält. Wir wollen uns nicht ins Mauseloch verkriechen. Wir konnten hier nicht 140.000 Leute auf die Straße bringen. Die sitzen in ganz Deutschland. Die arbeiten, die haben andere Dinge zu tun. Sie werden auch zum Teil erpresst, hier heute nicht zu erscheinen.
[9:18] Jörg Wagner: Von wem?
[9:19] Prof. Dr. Gerhard Pfennig: Von der Internetgemeinde. Es sind Urheberinnen und Urheber zu uns gekommen und haben gesagt: Wir kommen nicht zu Eurer Veranstaltung. Wir sind von unseren Fans, die mitbekommen haben, dass wir dort erscheinen wollen, bedroht worden. Wir hören Eure Musik nicht mehr. Wir sehen Eure Filme nicht mehr, wenn Ihr Euch hier vor den Wagen der Urheber-Interessen spannen lässt. Das ist passiert. Der Herr Voss, der CDU-Abgeordnete im Europaparlament hat in der friedlichen Stadt Bonn Bombendrohungen erhalten, weil er als Parlamentarier für diese Reform kämpft. Wir müssen leider sagen, es gibt einen Druck … einen Druck auf viele bekannte Musiker. Ich habe mit einer ganzen Reihe von bekannten Musikern gesprochen und gesagt: Könnt Ihr nicht, weil Ihr alle an dieser Sache ja interessiert seid, Euch hier mal stellen und Eure Motive erklären? Sie werden nicht glauben, wie viele Leute mir gesagt haben: Ach, weißt Du … ja, Ihr habt recht in allem, was Ihr macht, aber ich möchte es nicht mir verderben mit meiner Internet-Audience. Weil sie Angst haben, dass Leute sagen, das ist jemand, der setzt sich ja für diese Filter ein, weil die Menschen ja nur immer hören, wir wollen Filter einführen. Und dann sind natürlich diejenigen, die mit der Einführung der Filter in Verbindung gebracht werden ganz böse Menschen und deren Musik will man dann nicht mehr hören. So extrem wird diese Kampagne inzwischen geführt. Das sind sicher Ausuferungen …
[10:38] Jörg Wagner: Ist das eine Kampagne oder ist das etwas, was, ich sag mal, wild passiert?
[11:25] Prof. Dr. Gerhard Pfennig: Nein. Das ist eine Kampagne. Es ist ja auch nachgewiesen worden. Es gibt Studien darüber. Natürlich wollen die Plattformen keine Regelung haben, die sie zwingt Vergütungen zu bezahlen. YouTube und Facebook wollen nicht bezahlen. Es ist ganz einfach. Das ist ihr Geschäftsmodell. Das ist ihre Logik. Sie zahlen nur unter Zwang. Und natürlich – und ich kann Ihnen die Quellen jetzt nicht aus’m Kopf zitieren – aber es gibt Artikel genug. Lanier hat in “Der Zeit” dieser Woche einen ganz umfangreichen Artikel geschrieben. Und wir haben Belege dafür, dass die Plattformen ganz eindeutig auch Geld aufwenden, um diese Proteste zu motivieren. Es gab ja Websites, die eingeladen haben nach Straßburg zu fahren mit Abgeordneten zu reden und dafür sich die Reise erstatten zu lassen von Geldern, die von den Plattformen und ihrem Umfeld kommen. Es ist überhaupt keine Frage. Da wird mit allen Mitteln gekämpft. Wir kennen das aus früheren Kampagnen ums Urheberrecht. Diejenigen, die sich vom Urheberrecht betroffen fühlen, betroffen fühlen als immer Geld bezahlen für irgendwas, kämpfen natürlich mit allen Mitteln dafür, dass ihre Geschäftsmodelle so bleiben, wie sie sind. Gerade die amerikanischen …
[11:45] Jörg Wagner: Aber Sie kämpfen ja auch, oder?
[11:47] Prof. Dr. Gerhard Pfennig: Ja, wir müssen dafür kämpfen, dass eine vernünftige Idee eines europäischen Gesetzgebers jetzt umgesetzt wird. Wir bedauern eigentlich, dass wir dafür kämpfen und dass nicht der Gesetzgeber selber stärker kämpft, sondern sich versteckt und sich solidarisiert mit Leuten, die über Falschinformationen versuchen, dies’ Gesetz kaputt zu machen. Ich hätte mir gewünscht, dass die Justizministerin in dieser aufgeheizten Debatte mal klar und deutlich erklärt hätte, warum die Bundesregierung, die bis heute zu dieser Richtlinie steht, warum die Bundesregierung diese Richtlinie richtig findet. Sie liegt nämlich in der Logik ihrer Politik, auch in der Logik der Koalitionsvereinbarung. Denn da steht drin, sie will die Situation der Kreativen verbessern, steht auch drin, sie will keine Uploadfilter. Aber die sollen mir nicht kommen mit einer Koalitionsvereinbarung. Ich habe soviel Koalitionsvereinbarungen im Laufe meines Berufslebens erlebt. Das ist ein Deal zwischen SPD und CDU. Und wenn die sich in eine Ecke setzen und sagen: Wir ändern jetzt unseren Deal, dann ändern sie ihren Deal. So einfach ändert man Verträge. Ist doch völlig lächerlich, dass die sich jetzt hinter solchen Koalitionsvereinbarungen verstecken, weil sie sich nicht trauen, zu sagen, sie wollen ein bestimmtes Ziel, nämlich die Besserstellung der Urheber auch gegen den Widerstand der Plattform durchsetzen. In Brüssel stimmen sie der Kommissarin Vestager zu, die Wettbewerbsverletzung ahndet mit Milliarden Strafen. Sie diskutieren darüber, dass die Plattformen endlich dazu gebracht werden, Steuern zu bezahlen. Sie haben durch die Datenschutzgrundverordnung auf europäischer Ebene die Plattformen gezwungen, europäisches Datenschutzrecht durchzusetzen. Es war ein wichtiges Ziel des Kommissars Oettinger. Warum setzen sie sich nicht dafür ein, dass die Plattformen europäisches Urheberrecht befolgen? Wo ist das Problem eigentlich, kann ich nur fragen?