Im September 1969 durfte ich hier als Schüler „vorsprechen“ und proben. Die „Probe“ war eigentlich eine Art Sprecherziehung. Hier wurden wir fit gemacht für Hörspielproduktionen. Seltsamerweise wurde ich im Oktober 1969 ohne Aufnahmeprüfung gleich in das Stück „Pause für Wanzka“ geschickt. Eine Szene im Klassenraum. Laut Text ließ ein Schüler einen Vogel fliegen. Im Hörspielstudio H1 gab es natürlich keinen Vogel. Wir mussten ihn spielen. Dafür bekam ich meinen ersten Text in einem Hörspiel: „Ein Spatz!“ Mehr Text war nicht. Dafür erhielt ich 4 DDR-Mark für eine Stunde Hörspielproduktion. Das war eine sogenannte „Anerkennungsprämie“. Kinderarbeit war ja verboten. Unbemerkt war das meine Aufnahmeprüfung. Im Dezember 1969 wurde ich schließlich offizielles Mitglied im Ensemble der Sprecherkinder. 1977 schied ich als Erwachsener aus.
Hier als Tonbeispiel ein privater „Luftmitschnitt“ erstellt mit einem polnischen GRUNDIG-Nachbau „ZK 120“:
Was: Hörspiel „Die Taube auf dem Dach“ von Horst-Ulrich Semmler
Wer:
Sprecher – Rolle
Gerd Grasse – Friedhelm Kaiser, Schuldirektor
Erika Pelikowsky – Henriette, Mutter von Herrn Kaiser
Joachim Tomaschewsky – Egon Fiebelkorn, Bürgermeister
Freimuth Götsch – Alexander „Sascha“ Baum, Pionierleiter
Petra Dlugos – Henny, Tochter des Schuldirektors
Daniel Berlin – Klassenkamerad „Goethe“
Jörg Wagner – Klassenkamerad Thomas „Locke“ Schönkopf
Komposition: Wolfgang Schoor
Dramaturgie: Helga Pfaff
Ton: Jutta Kaiser
Schnitt: Dagmar Loke (phon.)
Regie: Christa Kowalski
Wo: Funkhaus, Berlin Nalepastraße, Hörspielkomplex H1
Wann: Produktion 30.08.-19.09.1974; Erstsendung: 21.10.1974, Mitschnitt vom 26.08.1975
Leider kam mir damals nicht in den Sinn mit meinen Fotoapparaten „Pouva Start“, „Certo SL 101“ oder „Beirette SL 400“ diese Hörspiel-Arbeit zu dokumentieren. Ich glaube, ich war eingeschüchtert durch die Polizeikontrollen am Eingang. Fotografieren schien mir verboten. Aber ich weiß es nicht mehr genau. Angst hatten wir jedenfalls nicht wirklich. Den Kick holten wir Sprecherkinder uns beim Fahren mit dem Paternoster im Block E. Das war nun wirklich Kindern verboten. Diese Aufnahme vom Regieraum im Studiokomplex H1 entstand 45 Jahre nach meinem ersten Satz. Inzwischen Ort für Musikproduktionen.
Das war mein Lieblingssaal. Eine Treppe mit drei verschiedenen Belägen. Links hinten, im Foto nicht zu sehen, ging es in ein Kellergewölbe. Rechts von der großen Treppe gab es einen Hausflur, ebenfalls mit originaler Treppe. Original-Akustik. Für Kinder ein toller Ort.
Dieses Metalltreppen-Monster stand zu meiner Zeit in H2. Wenn man Schwimmbad spielen musste oder Panzerkreuzer. Ideale Original-Geräusche bei Bewegungen auf Metall. Ich fiel in dem Kinder-Hörspiel „Der Kinderklub“ (Februar 1972, Regie: Rösler) in der Rolle „Bastel“ laut Text von einer Leiter. Diese Treppe half mir dabei, damit es echt klang.
Dieser Gang hinter den Studios diente auch das eine oder andere mal für Aufnahmen, wenn es etwas halliger sein sollte. Die elektronischen Zusatzgeräte waren bei den Regisseuren nicht so beliebt. Besonders in einer Zeit, als man auch Kunstkopf-Hörspiele produzierte.
Die Schönheit dieser Studios (neben Saal 2, Saal 4, auch der Große Sendesaal – nicht im Bild) war uns verborgen. Wenn dort nicht für Klassik geprobt wurde, waren sie verschlossen.
Die politische Wende in der DDR 1989 leitete nicht nur die Auflösung des DDR-Rundfunks ein (Artikel 36, Einigungsvertrag), sondern auch den Zerfall einer einmaligen Studiotechnik. Der Block E mit seinen Sende- und Produktionsstudios ET verrottete. Gefrorene Heizkörper sollen durch die Kraft des Eises explodiert sein. Es wurde geplündert und zerstört. Allein die Klinkerbauten Block A, B, und D aus der ersten Phase des Funkhauses fanden Interesse der jeweiligen, wechselnden Käufer. Aber erst die aktuellen Besitzer, die Privatunternehmer Uwe Fabich und Holger Jakisch haben das Gespür für den tatsächlichen, kulturellen Wert der Gebäude.
Mein Arbeitsplatz von September 1987 bis Januar 1993.