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Jörg Wagner: “Der Qualitätsjournalismus war noch nie so wichtig wie heute.” Das ist ein Zitat von Heinrich Bedford-Strohm – dem Ratsvorsitzenden der Evangelischen Kirche in Deutschland, EKD. Volontärinnen und Volontäre der Evangelischen Journalistenschule (EJS) hatten ihn groß eingerahmt und Freitagvormittag dem Zitatgeber geschenkt. Er nahm das Geschenk an und sagte, er werde diesen Satz auch weiterhin sagen. Warum gab es diese Aktion? Die EJS soll innerhalb eines Sparpakets geschlossen werden. Heute, am Samstag, hat der Rat der EKD darüber Kenntnis bekommen. Deswegen haben wir uns telefonisch verabredet mit einem Insider, der uns hoffentlich über den aktuellen Stand informieren kann. Wir begrüßen Medienbischof Dr. Dr. h. c. Volker Jung, Kirchenpräsident Evangelische Kirche in Hessen und Nassau, Mitglied des Rates der EKD und Mitglied im Aufsichtsrat des Gemeinschaftswerks Evangelische Publizistik, GEP. Die Frage zuerst: Gibt es eine Entscheidung?
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Volker Jung: Nein, es gibt noch keine Entscheidung. Der Rat hat das Umstrukturierungskonzept des Gemeinschaftswerks Evangelische Publizistik ausführlich beraten, hat gesagt, wir brauchen da auch noch ein bisschen mehr Zeit zu. Deshalb ist verabredet, die Beratungen in der nächsten Sitzung im März fortzusetzen.
[0:01:16]
Daniel Bouhs: Grundsätzlich, warum wird überhaupt darüber nachgedacht, die Evangelische Journalistenschule zu schließen? Unter welchen Zwängen steht die Kirche vor allem das GEP, das neben Magazinen wie “Chrismon” und dem “Evangelischen Pressedienst” die Schule trägt?
[0:01:29]
Volker Jung: Das Gemeinschaftswerk Evangelische Publizistik hat gewissermaßen eine Sparauflage. Es muss zukünftig mit 1,9 Millionen Euro pro Jahr weniger auskommen. Das ist schon seit langem so verabredet. Die letzten zehn Jahre waren im GEP etwas anders strukturiert, deswegen ist es im GEP erforderlich, ein Zukunftskonzept zu machen. Und so hat dieses Umstrukturierungspaket mehrere Bestandteile. Da ist einer davon, die Evangelische Journalistenschule zu schließen. Das wäre dann ein Betrag von brutto 500.000 Euro, um den es hier in den Aufwendungen geht. Aber wie gesagt, es sind noch andere Maßnahmen damit verknüpft auch in der Hierarchieebene, ein Verzicht etwa auf eine Person in der Leitungsebene und verschiedene andere Dinge, die jetzt hier im Rat weitergegeben wurden. Und das hat der Rat sich noch mal genauer angeschaut und hat gesagt: Insbesondere die Evangelische Journalistenschule ist natürlich von hoher Bedeutung. Und wir müssen genau überlegen, wie wir auch zukünftig in Aus- und Fortbildung präsent sein können. Da der Qualitätsjournalismus – Sie haben es eingangs zurecht zitiert – etwas ist, was wir weiter fördern wollen und unterstützen wollen, sowohl in unseren Produkten, als auch durch eine Präsenz in der Aus- und Fortbildung. Allerdings das ist auch klar: nicht unbedingt in der Journalistenschule. Aber das soll noch einmal abschließend beraten werden.
[0:03:01]
Daniel Bouhs: Ein Blick in den Haushalt der EKD zeigt allerdings, dass das Budget des GEP in den nächsten Jahren gar nicht gekürzt werden soll. Da ist von einem jährlichen Zuschuss von 12,1 Millionen Euro die Rede – für das laufende Jahr aber auch bis einschließlich 2023 – solange reicht die mittelfristige Finanzplanung. Woher kommt jetzt also dieser Spardruck?
[0:03:22]
Volker Jung: Dem GEP steht nach wie vor, das ist auch die Planung in der Zukunft, ein Budget von etwa 12 Millionen zur Verfügung pro Jahr. In den vergangenen Jahren stand dem Gemeinschaftswerk Evangelische Publizistik mehr Geld zur Verfügung. Das resultierte aus einer verbrauchbaren Kapitalrücklage, die das Gemeinschaftswerk Evangelische Publizistik von der EKD bekommen hatte. Und da war unter anderem mit vereinbart, dass daraus die Journalistenschule finanziert wird.
[0:03:52] :
Jörg Wagner: Neuerdings hat das Gemeinschaftswerk Evangelischer Publizistik ein eigenes “Contentnetzwerk” und baut sogenannte “Sinnfluencer” auf. Was hat es damit auf sich?
[0:03:58]
Volker Jung: Das Gemeinschaftswerk Evangelische Publizistik hat in den letzten Jahren auch von der EKD den Auftrag bekommen, neue Wege zu gehen, die Frage, wie man in YouTube präsent sein kann und in diesem Zusammenhang wurde ein sogenanntes Contentnetzwerk aufgebaut, wo wir jetzt versuchen, mehrere Personen in YouTube zu präsentieren und zu positionieren. Das sind dann Menschen, die etwa neben dem Pfarrdienst ihre Inhalte entwickeln und Videos produzieren. Die werden aber vom GEP unterstützt. Das ist der Versuch, in den Neuen Medien in einer neuen Weise präsent zu sein.
[0:04:47]
Daniel Bouhs: Ein Blick in den EKD-Haushalt zeigt aber auch, dass an anderer Stelle bei der Internetarbeit der EKD, wo es speziell auch um den Ausbau des Engagements in sozialen Netzwerken gehen soll, dass es dort ein Plus von mehreren hunderttausend Euro gibt. Warum werden die sogenannten “Sinnfluencer” nicht davon bezahlt, sondern sie ja letztlich dem GEP aufgedrückt?
[0:05:07]
Volker Jung: Nun das war die … das war die Verabredung, dass ein solches neues Engagement aus dem Budget des GEP heraus weiter zu finanzieren ist. Da gab es erst eine Finanzierung, die im ersten Jahr aus einem Zusatzbudget kam und das sollte aber dauerhaft dann im GEP übernommen werden. Aber wie gesagt, das ist ja nur ein Teil der geplanten Umstrukturierungsmaßnahmen. Das Gemeinschaftswerk Evangelische Publizistik versucht sich in allen Bereichen weiterzuentwickeln. Von daher ist es immer sehr schwierig, das Eine gegen das Andere zu stellen, sondern man muss es einfach auch als ein Gesamtpaket betrachten. Und nach wie vor suchen wir nach Wegen, in der Aus- und Fortbildung von Journalistinnen und Journalisten präsent zu sein. Da gibt es ja gegebenenfalls auch noch Alternativen, indem man versucht, mit anderen Journalistenschulen zu kooperieren. Genau das sind die Dinge, die im Moment geprüft werden und wo wir versuchen, noch einmal neue Wege zu gehen und zu finden.
[0:06:01]
Jörg Wagner: Noch mal zurück zu den Protestaktionen. Hunderte Journalistinnen und Journalisten haben einen Protestbrief unterschrieben, der als “9,5 Thesen” an die EKD-Tür genagelt wurde, wie einst Luthers Thesen. Darunter sind auch Stimmen von Anne Will zum Beispiel und anderen Prominenten. Hat die Evangelische Kirche den Widerstand unterschätzt? Oder halten Sie und Ihre Kollegen das locker aus?
[0:06:23]
Volker Jung: Ja, wir freuten uns natürlich auch, dass die Evangelische Journalistenschule eine solche Wertschätzung genießt. Wir haben in den zurückliegenden Jahren der Journalistenschule etwa 200 Journalistinnen und Journalisten in diesen Jahrgängen ausgebildet und die sind natürlich präsent und erfahren offenbar eine große Wertschätzung. Das freut uns sehr. Und es ist auch verständlich, dass man sich von journalistischer Seite für journalistische Ausbildung engagiert. Das entbindet uns nicht von der Verpflichtung nach danach zu fragen, ob wir das zukünftig noch weiterführen können. Wir stehen ja vor gravierenden Veränderungen. Die Mitgliederzahlen gehen zurück. Das bedeutet auch ein Ressourcenrückgang für die Evangelische Kirche insgesamt. Wir rechnen damit, dass uns 2030 etwa 30 Prozent weniger an finanziellen Mitteln zur Verfügung stehen. Und das muss und wird Konsequenzen haben. Das ist an einer solchen Entscheidung spürbar.
[0:07:16]
Daniel Bouhs: Woher kommt dann der konkrete Wunsch, genau an der Journalistenschule zu sparen und nicht bei anderen Projekten? Sind das vor allem die sehr konservativen, die sogenannten evangelikalen Strömungen, nach dem Motto: Warum sollten wir überhaupt für die säkulare Welt ausbilden, statt direkt zu missionieren?
[0:07:34]
Volker Jung: Nein, das hat nichts mit besondere Strömungen in der Kirche zu tun. Das lässt sich also weder in irgendeiner Weise zuordnen, sondern hier geht es wirklich darum, zu überlegen, ob wir uns dauerhaft dieser Ausbildung an einer Journalistenschule, die uns im Jahr 500.000 Euro kostet und in den jeweils ein Jahrgang – und die Ausbildung zieht sich über zwei Jahre mit 16 Personen – ausgebildet werden kann, ob wir das dauerhaft so machen können, so wünschenswert das wäre und so erfolgreich die Arbeit in der Vergangenheit war. Wir müssen einfach das auf den Prüfstand stellen und auch noch mal schauen, ob es vielleicht wirklich andere Wege gibt, auch weiter junge Journalistinnen, Journalisten zu erreichen, um sie mit Themen der Evangelischen Kirche vertraut zu machen. Und auch natürlich, um sie anzuregen, ethische Reflexion ihres Berufes zu betreiben, was natürlich auch an anderen Journalistenschulen geschieht. Also da hätten wir natürlich gar kein Exklusivitätsanspruch. Aber wir sehen natürlich die Herausforderungen und würden uns da gerne weiter engagieren. Die Frage ist nur, ob es in dieser Form so weitergehen kann. Aber das wird der Rat dann in der nächsten Sitzung noch einmal ausführlich betrachten und beraten.
[0:08:41]
Jörg Wagner: Also, es gibt keinen Treiber dieser Diskussion, sondern da sind alle …
[0:08:43]
Volker Jung: Nein es gibt keinen … es gibt keinen politischen Treiber dieser Diskussion, sondern es ist in der Tat die Frage, wie wir mit begrenzteren Ressourcen zukünftig umgehen können. Noch mal deutlich: Wir wollen uns weiter im Qualitätsjournalismus engagieren. Wir tun das auch über unsere Produkte. EPD, Evangelischer Nachrichtendienst, über Chrismon, über unsere Unterstützung und Begleitung der Rundfunk- und Fernseharbeit, die über das Gemeinschaftswerk Evangelische Publizistik finanziert wird. Das ist ein ganzes Spektrum von Tätigkeiten, die wir zum Teil auch reduziert, aber natürlich weiterführen wollen.
[0:09:20]
Jörg Wagner: Wie könnte denn eine Lösung aussehen? Könnte die EKD direkt Geld in die Schule stecken? Das war ja 2000, im Jahre 2000 schon mal so für fünf Jahre ein Modell. Könnte das wieder klappen?
[0:09:34]
Volker Jung: Das ist eher wenig wahrscheinlich, da insgesamt die EKD unter dieser Einsparverpflichtung steht, bis 2030 mit 30 Prozent weniger Mitteln auszukommen. So laufen derzeit die Finanzplanungen, sodass es wenig wahrscheinlich ist, jetzt noch mal außerhalb des dem GEP zugewiesen Budgets ein weiteres Budget zu aktivieren, um etwa diese Schule zu finanzieren oder auch andere Bereiche.
[0:10:04]
Daniel Bouhs: Diskutiert wird auch der Zusammenschluss mit dem IFP, der katholischen Journalistenausbildung. Wie sinnvoll erscheint Ihnen das – vor allem vor dem Hintergrund, dass das IFP viel geistlicher geprägt ist? Die Stärke der Evangelischen Journalistenschule ist ja schon immer gewesen: Sie ist frei von konfessionellen Zwängen, vermittelt aber dennoch protestantische Werte, indem sie Medienethik, aber auch soziale Themen stärker nach vorne stellt, als es klassische Journalistenschulen wie Henri-Nannen-[Schule] oder die Deutsche Journalistenschule in München tun. Diese Freiheit, die ginge im IFP doch verloren, oder?
[0:10:37]
Volker Jung: Ich persönlich bin wenig vertraut mit der Ausbildung des IFP. Aber es sind natürlich auch bereits Gespräche geführt worden oder angeregt worden, um zu schauen, ob ‘ne Kooperation möglich ist. Wir halten uns diesen Punkt jetzt erst mal offen und schauen, ob es verschiedene Möglichkeiten gibt. Genau das war das Signal, dass heute auch von der Debatte im Rat ausging: Schaut doch bitte noch einmal, welche Möglichkeiten [es] von Kooperation und Weiterentwicklung für das Engagement der Evangelischen Kirche in der Aus- und Fortbildung von Journalistinnen und Journalisten gibt.
[0:11:10]
Jörg Wagner: Wann genau dürfen wir denn mit einer Entscheidung rechnen? Und was sagt Ihr Erfahrungsschatz?
[0:11:16]
Volker Jung: Na, ich gehe davon aus, dass wir jetzt in der nächsten Sitzung im Rat – das wird Ende März sein – auch einen Schritt weiter sind und klar sagen können, ob und in welcher Weise wir die Arbeit weiterführen können oder auch nicht. Ich glaube, dass es auch für alle Beteiligten gut wäre, dann möglichst bald auch eine Klarheit zu finden. Und das schätze ich auch so ein im Blick auf die Debatten im Rat.
[0:11:41]
Jörg Wagner: … meint der Medienbischof der EKD, Volker Jung. Wir bedanken uns für diese Erstinformationen kurz nach der EKD-Ratssitzung zur Vorlegung der Sparpläne der Evangelische Journalistenschule. Vielen Dank.
Volker Jung: Ich danke Ihnen auch.