Wer:
* Rainer Robra, Staatsminister und Chef der Staatskanzlei, sowie Europaminister, Kulturminister des Landes Sachsen-Anhalt
* Daniel Bouhs, Freier Medienjournalist
* Jörg Wagner, Freier Medienjournalist Was: Interview über 70 Jahre ARD Wann: 28.05.2020, 11:16 Uhr | veröffentlicht in einem Ausschnitt im radioeins-Medienmagazin vom 13.06.2020, 18:05 Uhr
und im rbb-Inforadio vom 14.06.2020, 10:44/17:44 Uhr bzw. in voller Länge im radioeins-Medienmagazin-PodCast,
sowie in Ausschnitten im „Hintergrund Politik“, Deutschlandfunk vom 08.06.2020, 18:40 Uhr Wo: Staatskanzlei des Landes Sachsen-Anhalt, Hegelstraße 42, 39104 Magdeburg
Vgl.:
* Beratungen des Landtags in Sachsen-Anhalt am 12.06.2020
* Telefoninterview mit Dr. Reiner Haseloff, Ministerpräsident Sachsen-Anhalt, 21.02.2020
* VisualRadio-Fassung des Interviews (19 Minuten)
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(wörtliches Transkript der Audio-Fassung, Hörverständnisfehler vorbehalten)
[0:00] Daniel Bouhs: Herr Robra, schön, dass das klappt. Wir reden über 70 Jahre ARD. Status quo und vor allen Dingen auch die Zukunft. In den letzten Jahrzehnten ist einiges herangewachsen im öffentlich-rechtlichen Rundfunk, in der ARD. Wenn Sie sich durch die Programme hören und schalten, was gefällt Ihnen da und was eher nicht?
[0:19] Rainer Robra: Also 62 der 70 Jahre der ARD habe ich bewusst miterlebt. Wir haben 1958 den ersten Fernsehapparat bekommen. Also insofern kenne ich das noch als den Funk der deutschen Länder und die ganze Entwicklung dann bis hin zum Ersten als dem zentralen Hauptprogramm der ARD. Für mich spielen im öffentlich-rechtlichen Rundfunk natürlich politische Magazine, politische Sendungen, die Nachrichten die herausragende Rolle. Der eine andere oder andere Krimi in der Woche darfs auch sein. Manchmal ist mir zu viel des Guten da im Angebot. Aber ich denke, wir wollen hier heute keine Programmkritik betreiben.
[0:58] Daniel Bouhs: Wenn wir sozusagen von der persönlichen Nutzung wegkommen zur medienpolitischen Haltung. Wie sollte Ihrer Meinung nach die ARD der Zukunft aussehen? Was sollte möglicherweise noch gestärkt werden gegenüber dem Status quo und was könnte die ARD mit Blick auf die Medienlandschaft auch gut weglassen?
[1:18] Rainer Robra: Also, wir befinden uns ja im sich vereinigenden Europa, in dem auf der einen Seite die europäische Ebene immer bedeutender wird, auf der anderen Seite aber eben auch das Europa der Regionen ein immer größeres Gewicht erhält, also sozusagen die politische Basis, auf der das alles beruht, was wir hier betreiben. Und das passt deswegen, finde ich, gut zur Arbeitsgemeinschaft der Rundfunkanstalten Deutschlands, weil die ARD eben eine sehr regionale Verwurzelung hat und eine sehr regionale Geschichte hat. Wenn ich mir die Entwicklung der letzten Jahre betrachte, hat sie sich vielleicht zu sehr – und das steckt ein bisschen in der Geschichte der ARD – auch ein bisschen zu sehr ans Zweite gehängt oder vom Zweiten beeinflussen lassen. Das Zweite erblickte eines Tages das Licht der Welt in den 60ern, hieß auch so, seitdem heißt dann eigentlich erst das Erste in Abgrenzung vom Zweiten “Das Erste”. Früher war es eben die ARD. Also die Zukunft könnte aus meiner Sicht stärker durch eine Rückbesinnung auf die Wurzeln Erfolg versprechend gestaltet werden, wieder eine stärkere Besinnung auf die regionale Tradition der ARD. Dann könnte die ARD noch stärker die Plattform sein, auf der sich die regionale Vielfalt der Bundesrepublik Deutschland verwirklicht. Wir leben im Moment ja in Corona-Zeiten und in gewisser Weise führt das zu einer Rückbesinnung auf die Stärken, möglicherweise auch die Schwächen des Föderalismus. Aber wenn man aktuelle Kommentare in den Nachrichten hört oder in den Tageszeitungen liest, dann wird doch deutlich, dass auch jetzt wieder eine Stärke der Bundesrepublik Deutschland, wenn man sich die Zahlen im internationalen Vergleich betrachtet, die ist, sich sehr stark aus der Region heraus zu definieren und die Vielfalt und die Unterschiede auch in Deutschland zu berücksichtigen, bei all dem, was wir in der politischen Landschaft tun. Nicht Berlin als Paris, alles kommt von dort aus oder als London oder als Madrid, keine zentral staatliche Verfassung, sondern ein Leben von unten aus den Regionen bis in die höchste politische Ebene. Und da noch mehr in der ARD übereinander und voneinander zu erfahren und miteinander zu besprechen, das halte ich für die eigentliche große Zukunftschance der ARD.
[3:49] Daniel Bouhs: Sie haben ja da schon – auch Ihr Ministerpräsident und andere Stimmen auch aus Ostdeutschland – seit Jahren immer wieder entsprechende Forderungen artikuliert. Die ARD hat jetzt in gewisser Weise ja reagiert, indem die Tagesthemen ein paar Minuten ausgeweitet werden und gezielt auch regionale Berichterstattung einfließen soll, also man in die Regionen auch weg von den Metropolen schauen möchte. Flapsig gefragt, reicht Ihnen das?
[4:16] Rainer Robra: Ja, das ist auf jeden Fall ein Schritt in die richtige Richtung. Das reicht mir zugegebenermaßen noch nicht. Es müsste noch stärker tatsächlich so in die Grundströmung der ARD Eingang finden. Aber ich finde es sehr wichtiges Signal, auch in der gegenwärtigen Diskussion, die eben auch stark dadurch getrieben wird, gerade auch aus Ostdeutschland, dass man den Eindruck hat, noch nicht wirklich voll von der ARD akzeptiert zu sein und noch nicht voll in der Gemeinschaft der Länder im Rundfunk angekommen zu sein. Das hat, wenn man so will, historische Gründe. Wir haben uns 1992 entschieden, hier gerade im Mitteldeutschen Raum mit dem Mitteldeutschen Rundfunk eine Eigengründung vorzunehmen, die noch sehr stark auf den Strukturen des Deutschen Fernsehfunks der DDR beruhte. Das brandenburgische Fernsehen, war zunächst eine eigenständige Gründung, ähnlich strukturiert wie der Mitteldeutsche Rundfunk, nur keine Mehrländeranstalt. Mit der Fusion später dann mit dem SFB hat sich der Charakter des ORB deutlich verändert, zum rbb weiterentwickelt. Der Norddeutsche Rundfunk im Norden, das war ja von vornherein eine Mehrländeranstalt mit tiefen Wurzeln in Niedersachsen, Hamburg und Schleswig-Holstein. Auch wieder anders. Aber deswegen ist es so, dass der Mitteldeutsche Rundfunk von Anfang an besondere Probleme hatte, in die Strukturen dieser ja sehr tief gestaffelten Organisation der ARD hinein zu finden, Fenster zu bekommen, in denen man auch mal Programme, die hier entwickelt worden sind, platzieren zu können. Ich habe mir immer berichten lassen, dass so die Konferenzen, die täglichen Konferenzen, mit denen die Tagesschau oder die Tagesthemen vorbereitet werden, auch so ein bisschen Schaulaufen der Anstalten waren und da war es dann oft so, habe ich von Redakteuren hier, Redakteurinnen von uns hier gehört, dass also alle anderen Themen meistens spannender waren, als das, was von hier aus so präsentiert worden ist. Da hat sich, Gott sei Dank, ein Sinneswandel vollzogen. Und auch die Blickrichtung geht jetzt auch stärker gen Osten. Wir nehmen das in der thematischen Ausrichtung wahr und viele Menschen hier finden sich jetzt eher auch widergespiegelt mit der Vielfalt ihrer Erfahrungen. Es gab eine Welt vor 1990. Muss man den öffentlich-rechtlichen immer wieder mal sagen. Das bildet sich jetzt stärker ab, als das früher der Fall gewesen ist und dass das jetzt auch organisatorischen Niederschlag in der Erweiterung der Tagesthemen um fünf Minuten findet, halte ich für ein sehr wichtiges Signal.
[7:01] Jörg Wagner: Reichen Ihnen die fünf Minuten? Ist das nicht … mal hochgerechnet … viel zu wenig für das, was Sachsen-Anhalt zu bieten hat? Denn das müssen Sie ja mit den anderen 15 Ländern teilen.
[7:10] Rainer Robra: Naja, das ist wie gesagt … Wir sind jetzt nicht das einzige Land auf der Welt. Das mag man bedauern, aber ich sehe mich schon in der Gemeinschaft der anderen 15. Was wir immer wieder einfordern, ist eine faire Kommunikation auf Augenhöhe, eine gleichberechtigte Wahrnehmung der Vielfalt der Themen. Gerade auch im kulturellen Bereich haben wir natürlich in besonderer Weise etwas zu bieten. Das hängt wieder schlicht mit der Entwicklung des heutigen Deutschlands vom Mittelalter bis in die Neuzeit zusammen. Diese vielen kulturellen Duodezfürstentümer wie in Weimar oder in Zeitz. Viele andere mehr, gerade im mitteldeutschen Raum, die Bach, Händel, vielen anderen auch heute noch bekannten Namen, Arbeit geboten haben. Das ist so nach und nach erst im gesamtdeutschen Bewusstsein verankert worden. Also da tut sich was. Ich will aber auch gar keine Privilegierung einfordern. Das wäre jetzt dann auch wieder unangemessen.
[8:09] Jörg Wagner: Aber zu DDR-Zeiten gab es ein Bezirks-Fernsehstudio in Halle und hier in Magdeburg war auch der Regionalfunk stark verwurzelt. Wenn Sie jetzt vielleicht auf die ARD schauen, ist da noch mehr machbar vielleicht an Funkhäusern oder auffälligen ARD-Strukturen?
[8:29] Rainer Robra: Da ist sicherlich noch mehr möglich, zumal wir ja das Funkhaus in Halle – heute in privater Hand bei digital images weiter als Studio haben. Es wird durchaus auch genutzt. Solche Formate wie der “Krug zum Grünen Kranze”, die zu DDR-Zeiten aus Halle gesendet worden sind, waren damals extrem beliebt und verbreitet. Da geht noch mehr. Wir hatten eine gewisse Zeit – betrifft jetzt nicht die, bedauerlicherweise nicht die ARD, sondern das ZDF – ja mit “Wetten, dass ..?” in der Messehalle eine Plattform, die uns auf Augenhöhe gebracht hat. Wir haben jetzt in der ARD mit den “Festen der Volksmusik” und Florian Silbereisen und solchen Highlights im Unterhaltungsprogramm eine ganze Menge Möglichkeiten, zumindest Orte, an denen es stattfindet, auch in Sachsen, auch mittelgroße Städte bespielen zu können. Aber da würden wir uns in der Tat noch mehr wünschen, andere Formate, die halt auch aus den Regionen heraus gesendet werden. Von der neuen Kulturplattform im digitalen Bereich, die die Intendantin und acht der Intendantinnen und Intendanten ja jetzt nach Mitteldeutschland gegeben haben, versprechen wir uns da auch nochmal einen Impuls. Der mdr hat ja sein Kultur-Funkhaus oder das Funkhaus für Wissen, Kulturreligion und ähnliche Themen vor einigen Jahren im ehemaligen Hörfunk in Halle etabliert, so dass ich auch davon ausgehe, dass Halle eine gute Voraussetzung für den Ausbau dieser Plattform sein wird. Ich hoffe, dass daraus noch mehr erwächst.
[10:11] Daniel Bouhs: Sie hatten es schon angesprochen. Bei der Debatte, ob oder dass die ARD jetzt eine neue Gemeinschaftseinrichtung startet zum Thema Kultur im mdr-Sendegebiet – und es spricht ja tatsächlich strukturell viel für Halle, auch wenn die ARD das so noch gar nicht bestätigen will – ist ein Intendant ausgeschert …
(Hupen)
[10:33] Rainer Robra: Bauerndemo!
[10:34] Daniel Bouhs: Ja … ist ein Intendant ausgeschert, Ulrich Wilhelm vom Bayerischen Rundfunk, …
(Hupen)
[10:41] Daniel Bouhs: … der sich tatsächlich geäußert hat, dass seine …
(Hupen)
[10:46] Daniel Bouhs: Höhere Gewalt.
[10:48] Jörg Wagner: Aber es ist doch gut, dass Sie das hören, dass die Bauern demonstrieren.
[10:51] Daniel Bouhs: Absolut.
[10:52] Jörg Wagner: Das gilt doch … das gilt doch Ihnen, oder? Also ich meine jetzt der Regierung.
[10:55] Rainer Robra: Es ist nicht die erste Bauern-Demo hier … Daniel Bouhs: Achso. Rainer Robra: … auf dem Wege … auf dem Wege an der Staatskanzlei vorbei zum Landtag. Die Anliegen werden sicherlich berechtigt sein, wie immer, wenn die Landwirtschaft demonstriert. Dass das alles im Wesentlichen über die Hupe funktioniert, stört jetzt ein bisschen. Aber wenn Sie das aushalten können, ich kann das aushalten.
(Unterbrechung)
[11:14] Daniel Bouhs: Herr Robra, Sie hatten es schon angedeutet. Zum Thema Kulturredaktion, Kulturplattform der ARD hat sich ja ein Intendant, ein Haus, der Bayerische Rundfunk, Ulrich Wilhelm nicht angeschlossen. Der hatte von einer Grenzüberschreitung gesprochen bei den Methoden sozusagen, mit denen Sachsen-Anhalt dafür – ich sage mal – geworben hat für dieses Instrument. Man habe die Rundfunkbeitrags-Diskussion zusammengebracht mit dem Wunsch, hier auch eine Gemeinschaftseinrichtung im Osten einzurichten. Wie sehen Sie das?
Rainer Robra: Also das ist eine – ich darfs mal so formulieren – etwas geschichtslose Betrachtungsweise. An dieser Kulturplattform arbeitet das Land Sachsen-Anhalt schon seit fünf Jahren ungefähr. Wir waren federführend für den Telemedien-Staatsvertrag. Was Herr Wilhelm auch weiß, weil ich zusammen mit Herrn Wilhelm und Herrn Döpfner ja damals diesen Burgfrieden zwischen der ARD und den Zeitungsverlegern verhandelt habe. Also er weiß, dass wir da federführend sind. Wir haben in § 11 d Absatz 4 einen Auftrag an die öffentlich-rechtlichen Anstalten formuliert, im digitalen Spektrum ihre Kulturangebote zusammenzufassen und eine digitale Kultur- und Wissensplattform zu entwickeln. Dieser Staatsvertrag, der Telemedien-Staatsvertrages ist Anfang 2019 in Kraft getreten. Seitdem besteht dieser Auftrag. Und wir haben natürlich in der Erwartung, dass ein Auftrag der Länder auch mal irgendwann abgearbeitet wird, seitdem immer wieder mal gedrängelt, dass das geschehen möge, zumal das ZDF dann ja seinen Teil schon in vorauseilendem Gehorsam, wenn man so will, umgesetzt hatte. Und das ist jetzt geschehen. Freuen wir uns auch darüber. Aber ich kann ja jetzt so ein Thema, einen Auftrag, der expressis verbis erteilt worden ist, nicht stornieren, die Diskussion darüber beenden, nur weil die ARD es im Zuge ihrer manchmal etwas schwerfälligen Meinungsbildung bis ins Jahr 2020 getrieben hat. Jetzt ist es entschieden. Wir hatten auch – wohlwissend um die Gefahr der Vermischung – von Sachsen-Anhalt aus zwei Schreiben an die Anstalten gerichtet. Zwei Schreiben des Ministerpräsidenten. Eins zum Thema “Beitrag und KEF” und eins zum Thema “Wo bitte bleibt die Plattform?”. Das hat also einen ganz anderen historischen Zusammenhang. Und deswegen wollen wir das jetzt auch abhaken. Die Anstalten haben es dem Mitteldeutschen Rundfunk zugewiesen. Jetzt hat der Mitteldeutsche Rundfunk die Aufgabe, es zu verorten innerhalb des Mitteldeutschen Rundfunks. Dass wir aus Sicht unseres Landes da meinen, gute Gründe für Halle zu haben, habe ich schon deutlich gemacht und so mag es dann auch geschehen.
[14:10] Jörg Wagner: Aber Sie würden schon bestätigen aus Ihrer langjährigen Erfahrung, dass Medienpolitik auch Medien-Standortpolitik heißt?
[14:18] Rainer Robra: Also bei uns noch viel weniger, als bei anderen. Wir hatten ja versucht im Vorfeld des Beitragsstaatsvertrages eine neue Auftragsformulierung zu finden und vielleicht generell auch als Länder, Rahmenbedingungen zu schaffen, die den Anstalten ermöglichen, an der einen oder anderen Stelle auch Ressourcen zu sparen, die aus ihrer Sicht ja vielleicht gar nicht mehr notwendigerweise aufgebracht werden müssen. Wir haben erlebt, dass da sofort, also wenn der Name “Phoenix” nur fiel, war klar, welches Bundesland auf der Bildfläche erschien. Das ist bei den Privaten, wenn es da um Regulierungsfragen geht im Medienstaatsvertrag, im Medienrecht und den großen Staatsvertrag zur Umgestaltung des Rundfunkrechts in ein umfassendes Medienrecht verhandelt. Da war auch immer klar, wo RTL seinen Sitz hat und wo andere Anstalten ihre Steuer oder andere private Anbieter ihre Steuern zahlen und ihren Zugang zu den Staatskanzleien haben. Wir sind da nicht auf der Haben-Seite, sondern eigentlich auch frei in unserer Meinungsbildung, machen davon auch Gebrauch.
[15:28] Daniel Bouhs: Sie hatten es schon angesprochen. Die Länder hatten sich gewünscht, den Auftrag zu überarbeiten. Da gibt es ja eine Arbeitsgruppe schon seit einigen Jahren. Es gibt viele politische Forderungen aus dem politischen Spektrum. Die einen, die AfD möchte den öffentlich-rechtlichen Rundfunk gerne in eine Art Pay TV – also kein Rundfunkbeitrag mehr – überführen. Die FDP will eine deutliche Schrumpfung. Unterhaltung, Sport soll deutlich zurückgefahren werden. Andere Länder bewegen sich eher so: Im Mix soll es grob so bleiben. Hier und da ein bisschen sozusagen … ich sag mal flapsig kosmetische Korrekturen. Die Länder sind sich nie einig geworden. Und die Intendanten sozusagen müssen jetzt Sparprogramme anlaufen lassen und damit selbst entscheiden, wo sie vielleicht was, ich sag mal, abschlagen bis hin zurück fahren. Wie glücklich ist diese Situation?
[16:20] Rainer Robra: Ja, das ist sicherlich nicht erfreulich. Die Modernisierung des Auftrages ist wichtig, aber man darf sich da auch keine wahren Wunder versprechen. Also wir haben ja immer noch diese sogenannten digitalen Zusatzprogramme in den Aufträgen drin. Das waren die, weiß ich, ZDFkultur und so, die es zum Teil auch nicht mehr gibt oder die umbenannt worden sind, die vor Jahren mal geschaffen worden sind, um die Menschen an die digitale Welt heranzuführen, die ihren eigenen digitalen Kanal gehabt haben, zunächst ganz kleine Reichweiten. Inzwischen sind die sozusagen voll auf erreichbar und auch ergänzt worden, um das was wir heute Telemedien nennen. [Sie haben] eigentlich keine Daseinsberechtigung mehr. Kosten allerdings auch nichts. Bringen nicht wirklich viel Geld, wenn man sie abschafft. Aber die Grundidee war einfach in diesen Bereichen, die man heute auch digital gestalten kann, den Anstalten mehr Spielräume zu geben und keine kleinteiligen Aufträge zu erteilen. Wir haben das im Telemedien-Staatsvertrag an sich für die große Welt der Online-Angebote ganz gut hingekriegt mit dem kleinen Sonderauftrag: “Tut was für die Kultur!” garniert und das hätte jetzt eigentlich auch in der analogen Welt Konsequenzen haben müssen. Auf der anderen Seite ist es so, dass die Programme, die Geld kosten, die auch das Profil der Anstalten bestimmen, die Hauptprogramme sind. Das ist für die ARD “Das Erste”, das es in der Form ja seit 1996 gibt als das zentrale Hauptprogramm. Das ist für das ZDF das klassische Zweite, das Abend für Abend analog und zunehmend ja auch in digitalen Fenstern präsentiert wird. Das kostet den Löwenanteil der Erträge der Anstalten. Wenn man also über Spardiskussionen redet, dann muss man da nachgucken, dann muss man in den Strukturen nachgucken. Vergütungsstrukturen, Personalsteuerung also alle die Themen, die die KEF ja auch sehr klar adressiert hat in ihrem 22. Bericht, der der derzeitigen Beitragsdebatte zugrunde liegt. Ja, wir hätten da ein sehr deutliches Signal geben können, dass wir auch bestimmte Zöpfe einfach mal abschneiden, war ein FDP-Slogan. Aber Sie haben ja schon gesagt, die war am Ende nicht dabei. Verknüpfen wollten wir das mit der neuen Art und Weise der Beitragsfestsetzung, da waren wir am Ende auch so weit, dass wir diese Glaubensfrage: Ist der Index das Allheilmittel, die vollständige Entparlamentarisierung des Verfahrens oder ist das eher negativ für die Akzeptanz der öffentlich-rechtlichen, wenn man sie delegitimiert, weil nicht mehr der Gesetzgeber am Ende über ihre Grundbedingungen entscheidet? Da hatten wir ein Kompromiss gefunden, der aus meiner Sicht auch gut war. Eine Kombination von KEF-Verfahren und Indizes, die sich in stetem Wechsel anpassen, so dass auf der einen Seite das vermieden wird, was wir vor Jahren mal mit Brüssel verhandelt haben, nämlich eine Über-Finanzierung der Anstalten. Da sagt ja Brüssel im damaligen Beihilfekompromiss: Das darf nicht sein, weil damit der Wettbewerb verfälscht wird. Und auf der anderen Seite das Bundesverfassungsgericht, das uns ins Stammbuch geschrieben hat, dass die bedarfsgerechte Finanzierung also gewährleistet werden muss. Darf auch nicht zu wenig sein, das ist ja die zentrale Aufgabe der KEF, das zu ermitteln. Aber wir hätten beide Systeme gut miteinander verknüpfen können und das war der Moment, in dem die FDP in den Ländern, in denen sie mitregiert, die Reißleine gezogen hat und gesagt hat: Also Index ist nicht. Jetzt müssen wir sehen, wie wir die Diskussion wieder auf die Rolle kriegen. Nun dürfen wir sie ja nicht führen, weil irgendwie das alles nicht vermischt werden soll. Was ich für einen … auch einen alten Zopf halte. Natürlich läuft das immer alles kontinuierlich und parallel. Wir haben ja relativ kurze Zyklen der Beitragsfestsetzung und die medienpolitische Diskussion ist extrem schwierig geworden. Der Medienstaatsvertrag, der jetzt in die parlamentarische Beratung kommt, der auch jetzt demnächst unterzeichnet werden soll von den Ministerpräsidenten, das hat uns alleine zwei, drei Jahre beschäftigt. Viele bezeichnen das ja als die eigentliche Revolution jetzt in der bundesrepublikanischen Medienlandschaft. Das ist alles nicht kurzatmig zu leisten und insofern ist natürlich immer bedauerlich, wenn uns dann in der Diskussion solcher Themen der Vorwurf gemacht wird, wir vermengten Beitragsfestsetzung und inhaltliche Diskussion.
[20:53 ] Daniel Bouhs: Die Schwierigkeit oder Herausforderung der Medienpolitik ist ja eine sehr besondere. Es sind ja eigentlich doppelte 16-zu-0-Entscheidungen, die getroffen werden müssen. Erst müssten sich alle Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten vollständig einig sein und dann müssen auch alle Landtage abstimmen. Keiner darf da sozusagen rausfallen. Glauben Sie, dass es in dieser politischen Landschaft, die es derzeit gibt, überhaupt noch zu erreichen ist, dass man sich da einig ist bei der Frage: Was soll der öffentlich-rechtliche Rundfunk und damit auch die ARD in der Zukunft eigentlich noch sein und was lieber nicht?
[23:13] Rainer Robra: Also, ich wundere mich, ehrlich gesagt, immer, dass diejenigen, die sonst das Hohelied auf die parlamentarische Legitimation si ngen: Gesetzgeber, Gesetzesvorbehalt, Beteiligung von Abgeordneten – wir haben ungefähr 1.800 Abgeordnete in der Summe der 16 Landesparlamente – ja, das ist halt so. Das ist parlamentarische Demokratie. Das ist repräsentative Demokratie. Da werden Abgeordnete auf Zeit gewählt. Die Bevölkerung vertraut ihnen an, diese Dinge entscheiden zu können. Die Medienpolitik ist sicherlich eines der bekanntesten Felder, in denen die Länder im Rahmen ihrer Zuständigkeiten sich zusammenfinden müssen. Es ist aber nicht das Einzige, sondern wir haben viele andere. Das Glücksspielrecht beispielsweise, indem wir auch mit dem Instrument des Staatsvertrages regulieren. Das führt letztlich dazu, dass die große Aufgabe aller anderen, auch der Intendantinnen und Intendanten, ist eben immer wieder die Parlamente auch zu unterrichten, sich mit den Parlamenten in den Meinungsaustausch zu begeben. Da sehe ich Defizite im Moment. Man fokussiert sich so sehr auf die Ministerpräsidenten. Aber die Zeiten sind vorbei, auch im staatsvertraglichen Geschäft. Wir haben den Glücksspielstaatsvertrag durch einen Landtag nicht durch gekriegt vor drei Jahren. Wir haben den Jugendmedienschutz-Staatsvertrag durch den Landtag von Nordrhein-Westfalen nicht gekriegt, vor fünf, sechs Jahren, so ungefähr. Also der Sündenfall ist längst eingetreten. Um so wichtiger ist es, dass alle die Shareholder, wenn man das mal so neudeutsch formulieren möchte, dieselbe Aufgabe haben, nämlich den parlamentarischen Gesetzgeber zu überzeugen. Das mag beschwerlich sein. Aber das ist Demokratie.
[23:17] Daniel Bouhs: Das kann aber ja aus Sicht der Sender, der Intendantinnen und Intendanten ja auch – man kann fast sagen – ein Glücksfall sein. Denn wenn sich die Länder und die Parlamente nicht einig sind, wie man den Auftrag zum Beispiel verändern möchte, dann bleibt ja erstmal alles beauftragt, wie es ist.
[23:34] Rainer Robra: Na ich hoffe, dass das die Sender nicht als Glücksfall sehen, sondern ich höre da auch, dass manches halt in der Auftragsgestaltung als Hemmschuh betrachtet wird, dass man durchaus hier oder da, wie gesagt, auch Aufträge, kleinere Bereiche mitschleppt, die wir eigentlich regeln könnten wie wir es im Telemedienbereich gemacht haben. Der Telemedienbereich ist ja deswegen so relativ liquide und flexibel organisiert, dass man auch auf neue Entwicklung schnell reagieren kann bis hin zu neuen technologischen Entwicklungen. Also wir haben es jetzt ja alle erlebt im Shutdown, wo plötzlich überall Videoformate auftauchten, die mehr waren, als nur mal kurz das Fenster zu öffnen, die also eigene dramaturgische Elemente entwickelt haben. Das wird sicherlich auch nicht so ohne weiteres verschwinden jetzt, wenn wir es hinkriegen, aus dem Lockdown dann einigermaßen schadlos in die Normalisierung zurückzukehren. Aber das ist ja nur eine Erfahrung, die jetzt viele andere kulturelle Bereiche gemacht haben und mit denen sich die Anstalten, die da ja schon länger unterwegs sind, auch schon viel länger befassen. Da würde ich mir auch wünschen, dass wir uns unter den Ländern einig werden, dieses Nebeneinander von noch analoger Welt und digitaler Welt insgesamt stärker diesen, wenn man so will in Anführungsstrichen, “Gesetzen” der digitalen Welt zu unterwerfen.
[25:07] Daniel Bouhs: Tom Buhrow, der derzeitige Vorsitzende der ARD, läuft, seit er Vorsitzender ist Anfang des Jahres, unter anderem mit dem Spruch rum, man sei reformwillig und reformfähig. Ist das auch Ihr Eindruck?
[25:22] Rainer Robra: Also wir reden ja über 70 Jahre ARD immer noch in der Erinnerung und wenn ich diese Jahrzehnte an meinem inneren Auge vorüber laufen sehe, dann hat sich die ARD immer wieder neu erfunden auch. Und natürlich ist sie reformfähig. Über die Reformwilligkeit mag man hier oder da streiten, weil ich das natürlich auch nur relativ schwer beurteilen kann, was die vorhin schon diskutierten Standortinteressen sind und was auch Beharrungsinteressen in der Medienwelt, in der Anstaltswelt sind. Aber grundsätzlich kann sich das deutsche, öffentlich-rechtliche Fernsehen auch im internationalen Vergleich nach wie vor glänzend sehen lassen. Wir haben es auch in der Corona-Phase jetzt erlebt, wie sowohl die Berichterstattung als auch die Informationen über Hintergründe und Zusammenhänge, wirklich in Windeseile organisiert werden konnte, auch Kontroversen in der Virologenzunft in anderer Weise aufgegriffen worden sind, als zum Beispiel ohne jetzt der Bild-Zeitung zu nahe treten zu wollen, in der doch immer etwas sensationshaschenden Weise dieses Printorgans. Also da hat der öffentlich-rechtliche auch im Vergleich mit den Möglichkeiten, die die Privaten gehabt haben, schon absolut sich den Herausforderungen gewachsen gezeigt.
[26:51] Jörg Wagner: Aber Herr Robra, Sie sind einer der dienstältesten Medienpolitiker des Landes, Sie sind nur unwesentlich jünger als die ARD. Ist das jetzt altersmilde, wenn Sie so ganz zahm sind und sagen: ‚Ja, die ARD ist schon reformfähig‘? Wäre es nicht wirklich einfacher, die ARD aufzulösen und neu zu gründen, damit hier mal ein bisschen Tempo reinkommt? Diese ganzen Diskussionen gehen über Jahrzehnte. Also, allein der ARD-Videotext seiner Zeit hat zehn Jahre gebraucht, um von der Medienpolitik abgesegnet zu werden. Die Umstellung auf den Rundfunkbeitrag war eine jahrzehntelange Diskussion. Sie erinnern sich mit der Einführung des PC. Und irgendwann hat man dann mal gesagt, jetzt müssen wir aber wirklich den Schnitt machen. Die Strukturreform der ARD hat ein Tempo, wo man sagt, das möchte man doch eigentlich als Mensch noch erleben, der Medienpolitik mitgestaltet?
[27:39] Rainer Robra: Ja, also da treffen Sie durchaus den Nagel auf den Kopf. Ich habe eben über die Reformfähigkeit sozusagen in der Schnittstelle Bürger – Fernsehen gesprochen. Also ja, es gab ja lange auch für die ARD den Vorwurf, ein Oma-Opa-Fernsehen zu sein. Ich glaube, der ist nicht mehr in dem Maße berechtigt. Vor allen Dingen auch in den Hörfunkwellen nicht. Die ARD ist ja immer auch Hörfunk oder zumindest die Anstalten der ARD machen … sind immer auch Hörfunk. In den Strukturen ist es extrem schwerfällig. Das haben wir gerade erlebt bei dem Meinungsbildungsprozess jetzt zu der Verlagerung oder Neugründung von Gemeinschaftsorganen, Gemeinschaftseinrichtungen der ARD. Ich habe ja … bin ja auch im ZDF-Fernsehrat, hab’ damit erlebt, wie wie schwer sich das ZDF getan hat auch die Einsparungen, die die KEF ja insbesondere im Personalbereich auferlegt hat, umzusetzen. Aber immerhin sie hat es dann am Ende geschafft. Also da ist sicherlich … wünschte ich mir auch manchmal ein größeres Tempo. Neugründung halte ich für keine gute Idee, weil so was kriegt man nicht mehr hin jetzt mit neuen, sehr heterogenen Anstalten. Ich bin ja, wie gesagt, durchaus dafür, dass wir ein nationales Format haben, das stärker dann allerdings als bisher, die Leistungen der neun regionalen Anstalten bündelt und sich insofern dann also auch strukturell wie inhaltlich noch stärker vom ZDF wieder absetzt. Aber da gebe ich zu, dass da der Fortschritt wie so oft im Leben eine Schnecke ist.
[29:18] Jörg Wagner: Medien-Neugründung also mit der ARD nicht zu machen aus nachvollziehbaren Gründen. Aber was ist auf der Prioritätenliste aus Ihrem Erfahrungsschatz die Nummer eins? Was muss unbedingt passieren? Alles andere sei unwichtig, aber diese eine Sache können Sie die nennen?
[29:34] Rainer Robra: Ja, also ich kann da wieder nur das Stichwort “Beitragsstabilität” wiederholen. Das ist jetzt … das ist die Legitimationsproblematik der öffentlich-rechtlichen Anstalten. Da sind ja alle einschließlich Deutschlandfunk und Deutschlandradio mit im Boote. Das ist das A und O. Dass alle die Punkte, die die KEF seit Jahren ja zum Teil aufspießt, die liegen auch den Abgeordneten auf der Seele und ich bin ja als Medienpolitiker ein stückweit auch Mittler zwischen der Welt der Anstalten und der Welt der Parlamente. Und ich kann da immer nur aufs Neue sagen und auch an die Anstalten appellieren, unterschätzt das nicht. Lasst euch auch mal von außen betrachten. Die Ministerpräsidenten haben schon 2016 gefordert, dass mal eine externe Schwachstellenanalyse – ist kein schöner Begriff, man kann das auch externe Evaluationen nennen – stattfindet. Aber lasst euch mal von außen … man kann das in diesen Strukturen nicht von innen alleine, wenn man sich jetzt wirklich mal unabhängig fragt, wo gäbe es noch Möglichkeiten, tatsächlich auch Ressourcen zu erschließen, um die Beitragshöhe, die ja nun immer wieder auf der Tagesordnung steht auch gegenüber der Öffentlichkeit transparent rechtfertigen zu können? Und da ist es mir persönlich zu wenig, einfach nur darauf zu verweisen: 18,36 € hat die KEF sozusagen als Quintessenz darunter geschrieben. Alle anderen Monita – die KEF guckt ja schon sehr realistisch und tief hinein – die interessieren uns nicht, weil wer ist schon die KEF? Die Abgeordneten interessiert das dann eben am Ende schon und das muss gesehen werden. Das muss auch Realität werden. Heute habe ich tatsächlich zwei Vertreter von zwei Rundfunkanstalten hier, die ganz ohne weitere personelle Begleitung gekommen sind. Sonst ist eine Erfahrung, die die Politik macht, wenn die Privaten kommen, ist das ein ganz kleiner Stab. Wenn die öffentlich-rechtlichen kommen, sind das ein Haufen Leute und manchmal sind dann auch noch, wenn ein Termin in Berlin stattfindet, praktisch eine ganze Reihe von öffentlich-rechtlichen Anstalten parallel dabei. [Das] war früher auch viel schlimmer, als wir die Berichterstattung von den königlichen Hochzeiten unter leicht unterschiedlichen Kamera-Perspektiven gesehen haben. Also ich bin – ja mag altersmilde sein – aber ich bin durchaus jemand, der das wahrnimmt und auch weitererzählt. Viele dieser Dinge sind abgestellt. Wir hatten selbst in der Sportberichterstattung, da unter der Federführung des Mitteldeutschen Rundfunks, gemeinsame Teams von ARD und ZDF unterwegs bei den Olympischen Spielen. Also da ist schon … die Sensibilität ist da. Es wird daran gearbeitet, aber man muss das noch deutlicher machen. Die öffentlich-rechtlichen dürfen gelegentlich auch mal erklären, was sie alles tun und … aus der Perspektive von Abgeordneten wirkt das dann doch oft sehr abgeschottet. Und sich dann einfach da hinter der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtes sozusagen fast zu verschanzen, ihr müsst das jetzt als Notar der KEF testieren, inhaltlich reden wir gar nicht mit euch darüber, weil es euch nichts angeht. Die Zeiten sind einfach demokratisch vorbei.
[33:03] Jörg Wagner: Kurze Verständnisfrage. Wenn Sie sagen “Beitragsstabilität”, meinen Sie damit die Höhe des Rundfunkbeitrages oder meinen Sie die Gesamtmenge des Geldes, die eingebracht wird durch den einzelnen Beitragszahler*in oder meinen Sie damit die 17,50 € ganz schlicht?
[33:20] Rainer Robra: Also das ist zum Teil natürlich auch ein bisschen haarspalterisch die nominale, die reale Beitragsstabilität, also mit Inflation oder ohne Inflation. Die gefühlte, die gelernte. Wir …
[33:33] Jörg Wagner: Wie meinen SIE es?
[33:34] Rainer Robra: In den Kreisen der Länder hat sich da ein bisschen so auch eingebürgert, 17,98 € war die letzte Beitragserhöhung von 2009. Wir konnten auf 17,50 € absenken infolge der Umstellung von der Gebühr auf den Beitrag. Die KEF hatte damals sogar gesagt 17,22 €. Die Länder haben gesagt: Na, behaltet mal ein bisschen Geld noch in der Rücklage. Hilft uns im Moment ja auch bei den 18,36 €. Also mein Wunsch wäre gewesen, unter dem Stichwort Beitragsstabilität jetzt zu den 17,98 € zurückkehren zu können. Das wäre vielleicht sogar gelungen, wenn wir jetzt nur eine zweijährige Phase genommen hätten und dann den Index danach geschaltet hätten. Es hat nicht sollen sein. Gemessen an 17,98 € halte ich 18,36 € nun auch nicht für so unangemessen, dass man gar nicht darüber reden kann. Ich weiß auch, dass die Anstalten gerade jetzt infolge von Beitragsausfällen, die im Zusammenhang mit der Rezession drohen – und sie haben ja auch dankenswerterweise Beitragsbefreiung für Unternehmen, die mindestens drei Monate praktisch kein Umsatz gemacht haben – schon beschlossen. Die Anträge können jetzt bei der Beitrags-Einzugs-Zentrale gestellt werden. Also das wird sich schon auf die Erträge noch negativ auswirken. Aber viel wichtiger ist im Moment wieder der Ausblick dann über 2021 hinaus. Was passiert dann wieder 2025? Es sind von 2009 bis jetzt nur relativ wenig Einsparmöglichkeiten angeboten worden von den Anstalten. Gemessen am Gesamtaufkommen ist das ja nur ein ganz, ganz klitzekleiner Prozentsatz. Und jetzt stehen wir wirklich vor der Frage: Warum, bitte schön, erklärt ihr nicht mal den Abgeordneten: Ja, wir setzen diese Empfehlungen der KEF auch sonst um. Wir gucken noch mal unsere Beteiligungen an. Sind die alle notwendig? Wir gucken noch mal an, wo haben wir uns – und sprechen mit den Gewerkschaften auch darüber – wo haben wir uns wirklich in der Beitragsstruktur gerade im Mittelbau von der Vergleichsbasis des öffentlichen Dienstes entfernt? Und ja, wir sind bereit, uns auch mal von außen analysieren zu lassen. Das sind so die drei Punkte, die auch im Schreiben des Ministerpräsidenten von Sachsen-Anhalt nochmal an die Anstalten herangetragen worden sind. Also das ist alles eigentlich kein Zauberwerk und wir fordern auch nichts Revolutionäres, sondern wir fordern eigentlich, dass sich die Anstalten auch im Interesse ihrer eigenen Überzeugungskraft gegenüber den Abgeordneten diesen Diskussionen öffnen.
[36:14] Daniel Bouhs: Vielleicht die abschließende Frage auch mit Ihrer Erfahrung, wie sozusagen die Mechanismen in der politischen Landschaft sind. Rechnen Sie jetzt eher damit, dass der KEF-Vorschlag durch die a) Ministerpräsidenten – da steht ja noch die finale Entscheidung aus, b) vor allen Dingen natürlich auch durch die Länderparlamente komplett geht oder droht der ARD in dieser Zeit, die ja für alle auch eine schwere Zeit ist doch, dass die Erhöhung nicht kommt, dass man entweder in Karlsruhe darum streiten muss oder sich damit abfindet und dann sagt: Okay, wir müssen noch mal deutlich stärker, teils auch radikal die ARD kürzen?
[36:51] Rainer Robra: Also wir haben jetzt gerade eine lebhafte Diskussion in den Parlamenten. Also zumindest in Sachsen-Anhalt ist es extrem kritisch. Es gibt in allen Fraktionen Vorbehalte. Selbst Die-Linke-Fraktion hat ja schon erklärt, dem Staatsvertrag nicht zustimmen zu wollen, wenn auch aus anderen Gründen. Aber das ist ja auch ein Fanal, das medienpolitisch nicht unterschätzt werden sollte. Es steht jetzt Spitz auf Knopf und jetzt sind die Intendanten aufgefordert, sich tatsächlich, ich sag das mal so bildlich, auf Pilgertour in die Landesparlamente aufzumachen, um die Abgeordneten davon zu überzeugen, dass sie die Zeichen der Zeit erkannt haben und dass sie bereit sind, tatsächlich alle Empfehlungen der KEF umzusetzen, weitere Einsparungsmöglichkeiten zu erschließen, zugleich aber auch im Programm auf die Menschen, gerade auch in Ostdeutschland, weiter einzugehen, dann kann das noch zu einem guten Ende kommen, aber es ist extrem kritisch.
[37:59] Daniel Bouhs: Dann vielen Dank für Ihre Zeit. Jörg Wagner: Vielen Dank. Rainer Robra: Danke schön!