[00:00:00]
Jörg Wagner: Die CDU-Landtagsfraktion in Sachsen-Anhalt gibt einen Monat vor der eigentlichen Abstimmung öffentlich zu erkennen, man stimme gegen den neuen Rundfunkbeitrag von 18,36 Euro. Damit kann die CDU mit der AfD gemeinsam die Erhöhung verhindern. Patricia Schlesinger, warum schafft es die ARD in anderen Landesparlamenten die Abgeordneten zu überzeugen, der KEF-Empfehlung zu folgen und in Sachsen-Anhalt nicht? Was ist Ihre Analyse?
[00:00:27]
Patricia Schlesinger: Na, das müssten Sie vielleicht am ehesten die Sachsen-anhaltinischen Parlamentarier fragen. Ich glaube, wir haben jetzt wirklich sehr deutlich gemacht und das haben wirklich die Intendanten Bellut, Raue, Wille und Buhrow getan in den letzten Wochen immer wieder deutlich gemacht, was wir leisten, wofür wir was leisten und auch welchen wirtschaftlichen Impact tatsächlich die ARD, ZDF, Deutschlandradio haben auch in Sachsen-Anhalt, wie viele Menschen darauf vertrauen, wie wichtig es ist und wie sehr wir ein Vertrauensmedium sind, gerade in diesen Zeiten. Wenn die Sachsen-anhaltinischen CDU-Parlamentarier davon nicht überzeugt sind, nehmen wir das zur Kenntnis. Damit hat die CDU in Sachsen-Anhalt ihre bisherige Position wiederholt. Sie bleibt offensichtlich – muss man aus jetziger Sicht sagen – dabei. Wir respektieren natürlich den parlamentarischen Prozess. Der Landtag stimmt Mitte Dezember ab. Danach stimmt Thüringen ab. Wenige Tage später. Und dann müssen wir sehen, wie es weitergeht.
[00:01:26]
Jörg Wagner: Die Gegner der Erhöhung, wie CDU-Politiker Markus Kurze sagen in Sachsen-Anhalt – anders als die Parteifreunde in anderen Ländern – die Sender könnten noch viel mehr sparen, Anstalten zusammenlegen, Programme streichen. Wird die ARD dort drumherum kommen?
[00:01:44]
Patricia Schlesinger: Wissen Sie, wir können gar nicht selber entscheiden, dass wir Anstalten einsparen oder Programme streichen. Das ist Frage des Auftrags. Und der Auftrag wird in diesem Zusammenhang, wenn es um eine Beitragsanpassung geht, nicht diskutiert. Das ist vom Gesetzgeber extra so vorgegeben. Es geht hier nicht um medienpolitische Fragen, sondern es geht hier um eine auskömmliche Finanzierung. Wir werden uns im kommenden Jahr ab Frühjahr damit beschäftigen und gemeinsam mit der Politik sicherlich Maßgaben finden, welchen Auftrag das öffentlich-rechtliche System hat bei uns in Deutschland – nochmal ein System, um das uns viele Länder beneiden – und wir werden uns dann diesem Auftrag widmen. Und dann kann man überlegen, wie tatsächlich eine Reform aussehen könnte. Das hat aber jetzt nichts – und das ist ganz wichtig – nichts mit der Beitragsanpassung zu tun. Von daher, wir befinden uns hier nicht auf einem Basar. Wir liefern etwas und dann kommt tatsächlich die Beitragserhöhung, sondern es sind einfach richtig gesetzlich festgelegte Prozesse. Und denen folgen wir.
[00:02:43]
Daniel Bouhs: In der Anhörung im Magdeburger Medienausschuss hat auch der Vorsitzende der Beitragskommission KEF genau das letztlich den Politikern erklärt von CDU und AfD, dass man erst an den Auftrag ran müsste, wenn man den Beitragssatz senken oder stabil halten wollte, jetzt aber dabei sei, den bisherigen Auftrag, den ja alle Länder so beschlossen haben, auch adäquat zu finanzieren. Fischer-Heidlberger warnte letztlich die Politik auch, dass einzelne Sender, kleinere wie größere, sagte er, Liquiditätsprobleme bekommen könnten, wenn der Beitrag nicht erhöht wird. Würde der rbb denn seine Verbindlichkeiten weiter bezahlen können?
[00:03:19]
Patricia Schlesinger: Ja, das würden wir. Aber wir würden maßgebliche Einschnitte ins Programm – und da ist nun mal tatsächlich das flüssige Geld bei uns – hinnehmen müssen, die ich um jeden Preis vermeiden möchte. Selbstverständlich. Wir haben ein rigides Sparprogramm. Jetzt schon. Wir sparen knapp 30 Millionen Euro im Jahr. Wir würden einige Millionen Euro mehr sparen müssen, wenn es so käme, dass die Beitragsanpassung nicht kommt. Aber Sie erleben mich auch als zuversichtlichen Menschen. Ich glaube, am Ende des Tages wird es sich anders ausgehen. Aber das müssen wir eben jetzt erst einmal beschließen, wie es weitergehen kann.
[00:03:53]
Daniel Bouhs: Haben Sie denn … also sicher bereiten Sie sich auf alle Szenarien sozusagen präventiv vor. Würden Sie denn Bereiche im rbb definieren, wo Sie sagen: Da gehen wir auf keinen Fall ran? Und andere Bereiche, wo Sie sagen: Wenn es sein muss, dann dort?
[00:04:07]
Patricia Schlesinger: Wissen Sie, es ist nicht so, dass wir einen Plan B in der Schublade haben. Und ich glaube, das ist auch nicht das richtige Vorgehen. Wir gehen davon aus, dass die Beitragsanpassung kommt, kommen muss, um tatsächlich auskömmlich finanziert zu sein. Und ich werde sicherlich jetzt nicht darüber spekulieren, was wir lassen, was wir anders finanzieren, wie wir es vielleicht anders besetzen. Definitiv nicht. Sondern wir gehen davon aus, dass die Beitragserhöhung am Ende des Tages sein muss. Es ist ja nichts, was wir uns aus den Fingern saugen, sondern wir haben seit einer Dekade, seit einer Dekade keine Beitragserhöhung bekommen, sondern haben eine abgesenkt in dieser Zeit. Dabei sind tatsächlich alle Preise, Honorare, Gehälter in die Höhe gegangen, was ja auch richtig ist. All das haben wir aus dem Bestand gedeckt, genauso wie die Digitalisierung, die wir in jedem einzelnen Haus vornehmen, auf die wir uns einstellen, auf die wir uns umstellen bei gleichzeitiger Erfüllung unseres Auftrags oder der Aufträge im Linearen. Und das muss ja irgendwo herkommen und von daher werden wir sehen, wie es weitergeht.
[00:05:07]
Daniel Bouhs: Wie viel müssten Sie denn zusätzlich zu den 30 Millionen Sparpaket, das der rbb derzeit schon hat, sparen, wenn die Erhöhung sozusagen zusätzlich nicht kommt?
[00:05:16]
Patricia Schlesinger: Ich gehe von einem zweistelligen Millionenbetrag aus.
[00:05:18]
Jörg Wagner: Der mdr-Intendant Udo Reiter schloss bei einer vergleichbaren Situation 2005, da ging es um 88 Cent, vor dem Sächsischen Landtag betriebsbedingte Kündigungen nicht aus. Sie, Frau Schlesinger?
[00:05:31]
Patricia Schlesinger: Kann ich aus heutiger Sicht nicht sagen. Es ist wirklich völlig zu früh, darüber zu spekulieren. Wie gesagt, wir haben den Plan B so nicht. Wir können ihn auch so nicht rechnen. Wir haben kein Übermaß an Stellen hier für das Programm, was wir haben. Kann ich Ihnen überhaupt nichts zu sagen.
[00:05:46]
Daniel Bouhs: Sie erwähnten im September, als wir ausführlich sprachen, hier im Medienmagazin, dass der Gang nach Karlsruhe eine Option sei, wenn die Erhöhung ausbleibt, um sich die angemessene Finanzierung zu erstreiten vor dem Bundesverfassungsgericht. Das sähe dann aber nicht wirklich nach einem Respektieren des parlamentarischen Prozesses aus, oder?
[00:06:03]
Patricia Schlesinger: Es ist anders. Es ist anders. Karlsruhe hat uns eine auskömmliche Finanzierung für Bestand und Entwicklung zugesagt. Und wenn das nicht erfolgt, ist der Gang nach Karlsruhe eine – habe ich Ihnen damals auch gesagt – eine Option, die wir prüfen und die wir dann im Kreise der Intendanten und natürlich auch mit dem ZDF und Deutschlandradio erwägen müssen.
[00:06:21]
Jörg Wagner: Eine Abschlussfrage noch, mehr in die selbstkritische Richtung. Sind Sie denn mit dem Lobbying der ARD zufrieden? Also reicht das, was dort bisher gemacht wurde mit den Parlamentariern Stand jetzt?
[00:06:34]
Patricia Schlesinger: Kann es je reichen? Das ist das eine. Und die andere Frage ist: Sind es tatsächlich wirklich eindeutig und ausschließlich sachliche Gründe, die hier zu dieser Entscheidung führen? Die Frage kann man ja auch stellen.
[00:06:46]
Daniel Bouhs: Was vermuten Sie?
[00:06:49]
Patricia Schlesinger: Da möchte ich nicht vermuten.
[00:06:50]
Jörg Wagner: … meint Patricia Schlesinger, rbb-Intendantin zur gegenwärtigen medienpolitischen Situation in Sachsen-Anhalt, wo man jetzt, einen Monat vor der eigentlichen Abstimmung schon signalisiert hat, der Rundfunkbeitragserhöhung nicht zuzustimmen. Vielen Dank, Frau Schlesinger.
[00:07:05]
Patricia Schlesinger: Ich danke Ihnen. Ich wünsche Ihnen beiden noch einen schönen Tag.
[00:07:05]
Daniel Bouhs: Ihnen auch. Vielen Dank.