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Jörg Wagner: radioeins-Medienmagazin. Rund drei Wochen oder mittlerweile sind es, glaube ich, zweieinhalb vor der eigentlichen Abstimmung im Sachsen-anhaltinischen Landtag. Die Ministerpräsident*innen der Bundesländer haben einen Medienstaatsvertrag unterschrieben, der den Weg frei macht, den Rundfunkbeitrag von derzeit 17,50 € auf 18,36 € zu erhöhen. Damit der Staatsvertrag in Kraft treten kann, müssen die Parlamente der Länder bis zum 31. Dezember 2020 zu stimmen. Der Medienausschuss des Landtages von Sachsen-Anhalt hat unseren nächsten Gesprächspartner um eine Stellungnahme gebeten, wie die Gesetzeslage aussieht, wenn ein Landesparlament nicht zustimmt. Aber Daniel …
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Daniel Bouhs: Naja, das Thema dominiert hier inzwischen auch die Schlagzeilen. Auch bundespolitisch. Die Grünen drohen mit Koalitionsbruch in Magdeburg. Und so eine heiße Phase ist auch eine Hochzeit für Umfragen. Die geben zum Teil ein nicht ganz übereinstimmendes Bild ab. Der WDR – und damit der Vorsitz der ARD – hat dimap in Sachsen-Anhalt 1001 Wahlberechtigte anrufen lassen. Ergebnis 54 Prozent wollen, dass der Landtag der “Anpassung” des Beitrags zustimmt. Unter den Anhängern der CDU sollen es sogar noch etwas mehr sein.
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Jörg Wagner: … “Anpassung” – interessantes wording für eine Erhöhung.
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Daniel Bouhs: Ja, das so würde ich mal die “Psychologie der Umfragen-Politik” nennen, welche Fragen man wie stellt. Und eine andere Umfrage von INSA, aus der unter anderem “Bild” zitiert, hat sich bundesweit bei gut 2000 Menschen erkundigt. 54 Prozent fänden es hier wiederum gut, wenn der Rundfunkbeitrag nicht erhöht würde.
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Jörg Wagner: So weit der Kontext zum nächsten Gesprächspartner. Ich hatte ihn schon angekündigt: Prof. Bernd Holznagel, Direktor des Instituts für Informations-, Telekommunikations- und Medienrecht (ITM) in der öffentlich rechtlichen Abteilung der Uni Münster. Guten Abend, Herr Professor!
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Prof. Dr. Bernd Holznagel: Ja, guten Abend!
[1:49]
Daniel Bouhs: Guten Abend!
[1:50]
Jörg Wagner: Wir haben ja schon, ich sag mal, sehr lange Ihren Kontakt immer Anspruch genommen. Die älteste Aufnahme, die ich gefunden habe, datiert auf den 14. März 1999. Also, Sie sind ein sehr erfahrener Rechtsprofessor im Gebiet des Medienrechts. Was würde denn mit dem Staatsvertrag passieren, wenn die Abgeordneten in Magdeburg dem Staatsvertrag bis zum 31. Dezember nicht zustimmen würden?
[2:49]
Prof. Dr. Bernd Holznagel: Das hängt davon ab, wie die anderen Bundesländer und die Rundfunkanstalten darauf reagieren, dass hier ein Akt, der eigentlich verfassungsgemäß vorgeschrieben ist, wenn der Landtag dem nicht nachkäme, dieser Verpflichtung nicht auf Zustimmung.
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Daniel Bouhs: Wir haben uns ja in Magdeburg bei der Anhörung leider nicht gesehen. Sie waren verhindert, aber Sie werden ja mitbekommen haben, wie das abläuft und abgelaufen ist da vor Ort, dass die CDU-Fraktion in Sachsen-Anhalt auch nach der Anhörung sagt “die CDU fällt nicht um”. Man werde also gegen eine Erhöhung des Rundfunkbeitrags stimmen. Wie wirkt das denn, was da passiert, auf Sie?
[2:52]
Prof. Dr. Bernd Holznagel: Das Problem hier ist, dass wir es bei diesen Fragestellungen mit eigentlich rechtlicher Spezialmaterie zu tun haben, die aber durch das Verfassungsgericht auch schon vor einigen Jahren entschieden worden ist. Das Gericht hat eben festgestellt, dass die Parlamente nur eine begrenzte Marge haben, eine begrenzte Anzahl von Argumenten haben, die ihnen zur Verfügung stehen, um eben so eine Beitragserhöhung abzulehnen. Und es gibt eigentlich nur zwei Gründe. Das eine ist: der Sicherung des Informationszugangs. Also, wenn zum Beispiel die KEF ein … also dieses Gremium, was den Vorschlag für den zukünftigen Beitrag macht, wenn die jetzt unter dem bleiben würden, dass ein Informationszugang gewährleistet ist, also, dass sozusagen die Landtage, die Parlamente der Auffassung wären, man müsste den Beitrag sogar noch erhöhen, dann könnten sie es machen, wenn sie der Auffassung wären, dass der Vorschlag diesen Informationszugangsansprüchen nicht entspricht. Das ist offensichtlich heute nicht der Fall, hier geht es allenfalls darum, Abweichungen vom Vorschlag der KEF auf Grund einer zu hohen Belastung der Beitragszahler zu betrachten.
[4:09]
Jörg Wagner: Also, da reicht nicht, zum Beispiel, wenn man sagt: Wir haben einen Koalitionsvertrag mit unseren Koalitionspartnern und da haben wir schon 2016 oder irgendwann die Beitragsstabilität festgelegt. Und das reicht nicht für eine Ablehnung?
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Prof. Dr. Bernd Holznagel: Nein. Das Parlament ist hier nicht frei. Das Parlament entscheidet nicht im freien Ermessen über die Höhe der Gebühr oder über den Programmauftrag des Rundfunks. Es gibt viel mehr – wie es so schön heißt – einen Anspruch der Sender auf eine Finanzierung, damit die Grundversorgung an Informationen für die Bürger bereitgestellt werden kann. Wissen Sie, es ist ja so wie … ein Rundfunksender funktioniert im Kern so, wie ein gemeindliches Wasserwerk. Das gemeindliche Wasserwerk stellt das saubere Wasser zur Verfügung. Die Rundfunkanstalten haben den Informationsauftrag, den Bürgerinnen und Bürgern Informationen bereit zu stellen, damit sie in der Demokratie mitmachen können, dass sie im wählen können informiert, dass sie an der öffentlichen Meinungsbildung beitragen können. Das ist der Verfassungsauftrag.
[5:13]
Jörg Wagner: Nun haben wir aber besondere Zeiten. Ist der Verweis auf eine Corona-Pandemie ein hinreichender Grund für eine Ablehnung, dass man sagt: Wir können unsere Bürger nicht über Gebühr, sage ich jetzt mal, belasten? Und außerdem haben ARD und ZDF unter Corona-Bedingungen andere Ausgaben. Der KEF-Bericht sei überholt.
[5:30]
Prof. Dr. Bernd Holznagel: Es müssen ja nachprüfbare Gründe sein. Und es muss wohlbegründet sein. Bisher hören wir ja nur diese Schlagworte. Und Sie müssen bedenken, die anderen Parlamente haben dieses Argument nicht so gewichtet, wie es jetzt angekündigt ist im politischen Raum. Also bei den Diskussionen und bei dem Wind, der da vorher geblasen wurde, hat man eher den Eindruck, dass das jetzt so ein her geholtes Argument ist, um das wirkliche Ziel, nämlich Erreichung von Beitragsstabilität, Senkung der Intendanten-Gelder, geringeren Auftrag usw. durchzusetzen.
[6:04]
Daniel Bouhs: Wie würde das denn konkret ablaufen, wenn Sachsen-Anhalt oder auch Thüringen – dort steht die Entscheidung ja auch noch aus – wenn ein Land also der Erhöhung des Rundfunkbeitrags nicht zustimmen würde, es aber alle sein müssen, damit der Medienänderungsstaatsvertrag am Ende auch gilt? Wie lange würde eine Klage in Karlsruhe wohl dauern zum Beispiel?
[6:24]
Prof. Dr. Bernd Holznagel: Also, das würde ja ein einstweiliges Verfahren, wie wir Juristen sagen, sein und das kann natürlich das Gericht sofort entscheiden. Also noch vor dem 01.01.2021. Die Frage ist, ob die Anstalten klagen. Es ist ja auch möglich, dass ein Land klagt. Nehmen Sie mal das Bundesland Bremen. Das ist sehr klein. Und wenn jetzt die Gebührenerhöhung nicht kommt, dann dürfte die Existenz von Radio Bremen auf dem Spiel stehen.
[6:51]
Daniel Bouhs: Oder Rheinland-Pfalz als Vorsitzland bei der Rundfunkkommission?
[6:56]
Prof. Dr. Bernd Holznagel: Das hängt ja nun mal davon ab, wie der ARD-Finanzausgleich ist. Ich denke eher ans Saarland und an Bremen.
[7:02]
Daniel Bouhs: Und falls das Bundesverfassungsgericht dann im Sinne der Sender oder auch einiger Länder entscheiden würde, wie würde das denn praktisch durchgesetzt, zum Beispiel wenn sich ein Land doch weigern würde, dann am Ende dem Bundesverfassungsgericht Folge zu leisten? Wer würde dem Beitragsservice konkret sagen: Ab jetzt bitte 18,36 € einziehen?
[7:21]
Prof. Dr. Bernd Holznagel: Halten Sie das für realistisch? Dass sich jetzt das Land Sachsen-Anhalt sozusagen offen zum Verfassungsbruch bekennt? Das halte ich für …
[7:29]
Daniel Bouhs: … ich würde in der jetzigen Situation erst mal nichts ausschließen.
[7:32]
Prof. Dr. Bernd Holznagel: Also, das möchte ich jetzt nicht denken. Also nach meinen Erfahrungen – und ich habe an sehr vielen Anhörungen im Medienausschuss zum Beispiel das NRW-Landtags mitgemacht – ich kann nicht eine Fraktion ausmachen, die jetzt sagen würde, wir machen einen bewussten Verfassungsbruch. Ich spreche bewusst von keiner Fraktion.
[7:52]
Daniel Bouhs: Wobei die CDU-Fraktion in Sachsen-Anhalt ja trotz des Hinweises zum Beispiel des KEF-Vorsitzenden Heinz Fischer-Heidlberger, dass eine Ablehnung nicht verfassungskonform sei, ihr Ding ja durchziehen will.
[8:07]
Prof. Dr. Bernd Holznagel: Naja, bisher sind das ja nur Stellungnahmen jetzt des KEF-Vorsitzenden. Meine Stellungnahme. Es ist ja noch mal was ganz anderes, wenn das Verfassungsgericht entscheidet.
[8:16]
Jörg Wagner: Aber haben Sie eigentlich eine Reaktion auf Ihre Stellungnahme aus dem Magdeburger Landtag bekommen oder verpufft so was?
[8:21]
Prof. Dr. Bernd Holznagel: Also ich habe natürlich informell eine gewisse Rückmeldung bekommen. Sie müssen wissen, ich musste … wir hatten einen Trauerfall im Familienkreis, deshalb konnte ich da nicht hin und war auch in der Zeit eingeschränkt erreichbar. Im Wesentlichen ist das aber doch in der Öffentlichkeit jetzt sehr breit diskutiert worden. Die Stellungnahme … da erwarte ich nicht, dass da jetzt der Landtag noch mal nachfragt. Ich glaube, so was sich aus der Presse entnommen habe, habe ich entnommen, dass diese Stellungnahme durchaus wahrgenommen wurde. Und dass ja auch einzelne Politiker nicht ganz zu unrecht gefragt haben, wenn jetzt das eigentlich nur eine notarielle Beurkundung ist oder nur sehr begrenzte Ablehnungsgründe verfassungsrechtlich zur Verfügung stehen – ich hatte die ja dargestellt – warum dann überhaupt ein Parlament mit entscheiden muss. Man muss doch normalerweise denken als Parlamentarier, man hätte den völligen Entscheidungsraum. Ja? Und könnte auch über medienpolitische Fragen entscheiden, wenn es um eine Beitragserhöhung geht. Da ist ein Körnchen Wahrheit drin. Das Problem ist, dass das Bundesverfassungsgericht diese Verfassungslage eben so gestrickt hat, dass sie ja sich zunächst erst mal nur Spezialisten erschließt. Das muss man leider so sagen. Aber es ist geltendes Verfassungsrecht. Die Parlamente sind nach Artikel 1 des Grundgesetzes verpflichtet, die geltende Verfassung zu beachten. Und das gilt auch für die einzelnen Abgeordneten und insofern gehe ich davon aus, dass, wenn das Verfassungsgericht zum Beispiel eine Zustimmung des Parlamentes ersetzen würde – das ist ja nur eine Möglichkeit – man kann auch insgesamt sagen, das Parlament ist hier gar nicht so wichtig mehr, weil ja die Ministerpräsidenten schon so oder so dem Beitrag zugestimmt haben. Immer bedenken, es ist nicht das Land, was das jetzt ablehnt, sondern eben nur ein Organ des Landes – dass dann auch die entsprechenden Organe, wie auch das Parlament das befolgt.
[10:19]
Jörg Wagner: … so zumindest die rechtswissenschaftliche Einschätzung von Prof. Bernd Holznagel, Direktor des Instituts für Informations-, Telekommunikations- und Medienrecht an der Uni Münster in der Abteilung Öffentlich-rechtliche. Dann sind wir gespannt. Am 15./16. Dezember wird sich das dann abzeichnen, wie die Parlamentarier entschieden haben. Ihr Artikel oder besser gesagt Ihre Stellungnahme ist in Artikelform erschienen bei epd medien. Wir werden auf Twitter den Link gleich nachreichen. Ihnen erst einmal noch einen schönen Abend!
[10:48]
Prof. Dr. Bernd Holznagel: Danke schön. Herzlichen Dank und schönen Abend!