[00:00:00]
Jörg Wagner: Wir bleiben bei der Zukunft der ARD. Die neun Landesrundfunkanstalten gibt es ja nur, weil die jeweiligen Bundesländer die Sender in Staatsverträgen festgelegt und damit auch gegründet haben. In diesen Staatsverträgen steht unter anderem, welche Radio- und Fernsehsender die Anstalten produzieren müssen, aber auch, wie die Kontrolle der Sender organisiert wird.
[00:00:21]
Daniel Bouhs: Der rbb soll demnächst einen neuen Staatsvertrag bekommen. Darüber werden wir demnächst genauer berichten. Jetzt steht erst mal ein neuer Staatsvertrag für den Mitteldeutschen Rundfunk an, den mdr für Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen. Und dabei gibt es eine gewisse Aufregung.
[00:00:36]
Jörg Wagner: Und über die reden wir jetzt mit dem Medien-Staatssekretär der Thüringer Landesregierung mit dem Linken-Politiker Malte Krückels. Ich grüße Sie! Guten Abend! Hallo!
[00:00:46]
Malte Krückels: Ja, schönen guten Abend, Herr Wagner, schönen guten Abend, Herr Bouhs!
[00:00:49]
Jörg Wagner: Der Mitteldeutsche Rundfunk, genauer gesagt der Beirat der Intendantin und die Arbeitsgemeinschaft der öffentlich-rechtlichen Redaktionsausschüsse befürchtet – Zitat: „dass die innere Pressefreiheit im Mitteldeutschen Rundfunk in Gefahr“ sei. „Der neu ausgehandelte Staatsvertrag könnte es ermöglichen, dass Regierungsmitglieder Einfluss auf den Sender und damit auch auf das Programm nehmen.“ Zitat-Ende. Also dabei geht es zum einen darum, dass die Landesregierungen Rederecht in den Aufsichtsgremien des Mitteldeutschen Rundfunks haben wollen und zum anderen, dass der Entwurf des neuen mdr-Staatsvertrages keine Redakteursversammlungen mehr vorsieht. Nutzen Sie da eine Gelegenheit, um den Rundfunk angreifbar zu machen, Herr Krückels?
[00:01:30]
Malte Krückels: Es sind ja zwei unterschiedliche Punkte. Ich reagiere auf beide nacheinander. Also zu den Redakteursversammlungen, weil Sie gesagt haben, die seien nicht mehr vorgesehen, die waren auch bisher nicht vorgesehen, sondern das ist im mdr über einen Beirat der Intendantin geregelt. Und der ist …
[00:01:46]
Jörg Wagner: Das „mehr“ bezog sich darauf, dass das ursprünglich mal angedacht war.
[00:01:50]
Malte Krückels: Achso. Ja, wie stark das angedacht war, ist auch eine andere Frage. Ist natürlich auch ein mühsamer Prozess, sozusagen zwischen drei Ländern und dann letztendlich zehn beteiligten Fraktionen insgesamt in den drei Landtagen, die ja einem Staatsvertrag zustimmen müssen. Und es ist ja auch nicht so, dass jeder Medienstaatsvertrag durchkommt, wie wir gesehen haben. Da muss man sich halt vorher mit denen unterhalten und fragen, was sozusagen zustimmungsfähig ist. Und wenn bestimmte Sachen nicht so zustimmungsfähig sind, dann sind sie sinnvollerweise nicht in den Staatsvertrag zu schreiben. Aber ich glaub‘, wir können uns natürlich … ich hab´ das auch gesehen … der Beirat ist unzufrieden, dass er da nicht gesetzlich verankert werden soll. Und bis jetzt ist das ja nur eine Dienstvereinbarung. Ich glaube, wir können da auch noch mal versuchen, einen Zwischenweg in Zukunft zu gehen, dass wir das über eine Satzungregelung auch machen. Das wär‘ ja dann auch im Rundfunkrat abzustimmen. Und wenn der Beirat auf den Rundfunkrat da zukommt, glaube ich, kann das auch gelingen.
[00:02:49]
Daniel Bouhs: Aber Sie wollen in den Verwaltungsrat rein, richtig?
[00:02:53]
Malte Krückels: Und jetzt der andere Aspekt sozusagen, Kritik sozusagen, die Länder wären zu stark vertreten oder würden sich zu stark einmischen. Also die Vertreter sitzen ja eh schon im Rundfunkrat die ganze Zeit dabei und bisher hat sich da, glaube ich, niemand bevormundet gefühlt oder sozusagen hat seine Meinung nicht deshalb gesagt, nur weil da Ländervertreter auch dabei sitzen. Und das soll im Verwaltungsrat, der nicht für die programmlichen Aspekte, sondern für die finanziellen Aspekte zuständig ist, in Zukunft auch sein. Das ist auch ehrlich gesagt nicht ungewöhnlich. Also im NDR ist das auch so. Im SWR ist es sogar viel stärker. Da entsenden die Landesvertretungen sogar welche, Vertreter mit Stimmrecht in den Verwaltungsrat. Das haben wir ja gar nicht vor. Wir wollen quasi nur da ohne Stimmrecht auch dabei sitzen, um zu wissen, wie ist die finanzielle Gesamtlage der Anstalten. Und letztendlich korrespondiert das auch, muss man ganz klar sagen, auch mit dem … mit der Vorschrift, die den Landesrundfunkanstalten ja extrem nutzt, dass sie nicht insolvenzfähig sind. Das heißt, sie können nicht pleite gehen.
[00:03:58]
Daniel Bouhs: Weil die Länder dann einspringen müssen?
[00:04:01]
Malte Krückels: Weil die Länder am Schluss haften letztendlich. Und das hat natürlich auch riesen Vorteile für die Anstalten. Also die Kreditbedingungen nach außen sind natürlich viel besser, wenn man nicht insolvenzfähig ist. Wenn man den Staat dahinter stehen kann, der per se ja nicht pleite gehen kann, dann ist man natürlich ganz anders abgesichert.
[00:04:16]
Daniel Bouhs: Ihnen geht es ja auch darum, dass Erfurt als Standort gestärkt wird, dass dort nicht mehr nur das Landesfunkhaus sitzt für die regionalen Berichte und der Kinderkanal von ARD und ZDF. Der sitzt ja auch in Erfurt. Sie wollen mehr Stellen, mehr Geld vom mdr ins Land holen. Dabei fordern die Länder doch von der ARD eigentlich, dass sie spart und Synergien schafft. Das wirkt so ein bisschen gegensätzlich. Im Zweifel schlägt die Standortpolitik also alles?
[00:04:42]
Malte Krückels: Nee, aber ich meine, die Diskussion ist ja nicht neu. Sozusagen die Vorschrift, um die es jetzt geht, die wir jetzt an eine andere Stelle im Staatsvertrag gehoben haben, die gab’s ja bisher auch schon. Die gabs die letzten 30 Jahre. Und da steht drin sozusagen, dass den Ländern mittelfristig ihr Beitragsaufkommen, also das von den jeweiligen Beitragszahlern aus den Ländern zugutekommen soll. Und da haben wir jetzt sozusagen leider die letzten Jahre zu wenig gesehen, auch gerade bei neuen Einrichtungen. Ich bin jetzt gar nicht dafür, dass ist auch uns allen in Thüringen klar, dass man jetzt irgendwie die mdr-Zentrale in Leipzig abreißt und die in Erfurt oder Suhl oder sonst wo wieder aufbaut. Aber es gibt natürlich neue Entwicklungen, gerade auch im digitalen Bereich. Zum Beispiel die Gründung der gemeinsamen Innovations- und Digitalagentur von ZDF und mdr. Da habe ich dann auch letztes Jahr nicht verstanden, wenn es diese Hinwirkungspflicht gibt, dass alle Länder sozusagen gemäß ihrem Beitragsaufkommen beteiligt werden sollen, warum das dann nicht nach Thüringen gegangen ist? Weil, das ist eine neue Einrichtung. Da geht es auch gar nicht darum, irgendwas zu verschieben. Sozusagen gar keine Arbeitnehmer werden belastet und wahrscheinlich sind sogar die Gewerbemieten sogar in Thüringen billiger als in Leipzig. Wahrscheinlich hätte man dann sogar vielleicht noch gespart …
[00:05:56]
Jörg Wagner:
Was … ja?
[00:05:57]
Malte Krückels: … und das sind halt so Entscheidungen sozusagen, da geht es auch um eine sozusagen … Beachtung natürlich der Länder.
[00:06:04]
Jörg Wagner: Vielleicht noch eine ganz kurze Antwort auf eine komplexe Frage, was Ihren Staatsvertrag angeht, Herr Krückels. Der Justiziar des Mitteldeutschen Rundfunks, Jens Ole Schröder, findet Ihren Entwurf zum Teil verfassungswidrig. Schaffen Sie hier einen zweiten Fall zum Rundfunkrecht für Karlsruhe?
[00:06:20]
Malte Krückels: Naja, wir finden ihn nicht verfassungswidrig. Ich meine, es waren immerhin viele Juristen in den drei Staatskanzleien beteiligt und es ist sozusagen … bei uns auch das Justizministerium, weil wir ja die Federführung hatten. Deshalb haben wir es nochmal rechtsförmlich prüfen lassen und da gab’s diese Bedenken überhaupt nicht. Insofern … wir sehen das nicht, haben diese Auffassungen nicht und gehen auch nicht davon aus, dass es irgendwie da jetzt beklagt werden würde. Das müsste ja erst mal jemand beklagen und sagen, das sei verfassungswidrig. Aber ich sehe das nicht, dass das irgendwie kommen könnte oder so …. würde.
[00:06:55]
Daniel Bouhs: … meint Malte Krückels, Medien-Staatssekretär des Landes Thüringen. Vielen Dank für Ihre Zeit.
[00:07:00]
Malte Krückels: Sehr gerne.