Daniel Bouhs [00:00:00] Wie ist denn der Sachstand jetzt? Stichwort: Auftragsreform.
Heike Raab [00:00:03] Also wir haben in der Rundfunkkommission sehr gute und konstruktive Beratungen gehabt und arbeiten an einem Diskussionsentwurf zur Novelle des Medienstaatsvertrages, der Auftrag und Struktur des öffentlich-rechtlichen Rundfunks in den Blick nimmt. Und ich muss dann ein Stück weit zurückspringen und auf den März schauen. Denn wir haben die Reform des öffentlich-rechtlichen Rundfunks in zwei Phasen gegliedert und wir haben verständlicherweise mit Blick auf die noch ausstehende Entscheidung aus Karlsruhe die zweite Phase der Finanzierung hinten angestellt. Und deshalb will ich heut‘ gern einen kurzen Sachstand zur ersten Phase geben. Und in der ersten Phase geht es um die Themen: Auftragsdefinition des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, also wie sieht der Auftrag des öffentlich-rechtlichen Rundfunks aus? Warum brauchen wir den öffentlich-rechtlichen Rundfunk? Er soll alle Generationen erreichen. Er soll die wichtigen Bereiche Bildung, Kultur, Information, aber auch Unterhaltung in dem Sinne „entertain to inform“ oder „entertain to educate“, wie es auch in der BBC bei den matters of concern niedergelegt ist, darstellen, also den Markenkern des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, klar … haben wir hier noch besser formuliert. Und weil viele Menschen heutzutage auch einfach fragen: Warum gibt’s den öffentlich-rechtlichen und das finden wir, ist jetzt sehr gut gelungen in den neuen Formulierungen zum Thema „Auftrag“.
Daniel Bouhs [00:01:46] In dieser Synopse war ja auch die Rede davon von „Sachlichkeit“. Ist das jetzt auch mit aufgenommen worden?
Heike Raab [00:01:52] Ja, wir sind erstens mal in einem Diskussionsentwurf und noch nicht in einem fertigen Staatsvertrag. Und das wird auch alles noch diskutiert. Und das mit der Sachlichkeit und der Wahrheit, das entspricht ja auch dem, was in den journalistischen Sorgfaltspflichten gewünscht wird. Und da verweise ich auf den Medienstaatsvertrag, auf den § 6, das sind Sorgfaltspflichten, die gelten für alle und nicht nur für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Da geht es um Berichterstattung, Informationssendungen und die anerkannten journalistischen Grundsätze und so weiter und so fort. Und hier stehen auch, die gebotene „Sorgfalt auf Wahrheit und Herkunft zu prüfen. Kommentare sind von der Berichterstattung deutlich zu trennen und unter Nennung des Verfassers als solche zu kennzeichnen.“
Daniel Bouhs [00:02:37] Aber ist das nicht ein Risiko z. B. für Satire? Also gilt das „sachlich sein“ für alle Genres?
Heike Raab [00:02:42] Nein. Wir werden also … wir sind – das ist ein Diskussionsentwurf – und wir sind jetzt dabei zu prüfen, ob jeder Begriff natürlich so drin ist. Wir haben gerade über den Begriff der Sachlichkeit auch diskutiert. Wir haben erkannt, dass man den zumindest ausführlich in der Begründung erklären müsste, wenn er so drin stehen bleibt. Man muss ja auch sehen, woran ist das hier geknüpft. Und dieser Paragraph … es geht ja hier um diesen Absatz 2 und es geht um den § 26 (1) den „Auftrag“. Und hier geht es darum, dass die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten bei der Erfüllung des Auftrags eben journalistische Standards, Grundsätze, Wahrheit, Sachlichkeit und Achtung … und Sachlichkeit ist nicht so gemeint, dass satirische Formate oder Kommentar- und Meinungsfunktionen in den Nachrichtensendungen oder Magazinen nicht mehr stattfinden können. Aber wir haben da Anführungsstrichchen dran gemacht und entweder muss es sorgfältig begründet werden oder wir finden noch einen besseren Begriff.
Daniel Bouhs [00:03:45] Okay, Sie sagen ja auch das ist ja alles noch in der Diskussion. Sie wollen ja jetzt auch öffentlich diskutieren lassen. Vielleicht erklären Sie mir einmal kurz noch: Wie ist der Sachstand jetzt, was den Entwurf angeht beim Stichwort Auftragsflexibilisierung? Welche Sender werden nach aktuellem Stand noch konkret beauftragt und wo greift dann die Flexibilität?
Heike Raab [00:04:06] Also der Sachstand grundsätzlich zu der ersten Phase ist der, dass wir alle diese Überlegungen auch mal mit den Anstalten jetzt ventiliert haben, dass wir gestern ein paar Punkte identifiziert haben. Einer von den genannten ist in dem § 26 (2) das Vokabular der Sachlichkeit. Ein zweiter ist auch noch verbunden mit der Flexibilisierung der Progammbeauftragung. Und wir kommen gleich noch zu weiteren, zu dem Thema: Wie misst man Qualität im öffentlich-rechtlichen Rundfunk? Wir haben uns gestern noch zu ein paar sehr konkreten Fragestellungen Arbeitsaufträge erteilt. Diese werden auch im Lichte der gestrigen Erörterungen von den Rundfunkreferenten bearbeitet. Und wir haben noch vor, bevor wir in die parlamentarische Sommerpause gehen, dass wir dann einen abgestimmten Staatsvertragsentwurf in die Anhörung geben können. Ich sag mal, wir reden da jetzt über so eine Zeitkorridor von bis 4 Wochen, die wir möglicherweise einfach jetzt noch brauchen, weil wir wollen, was in die Anhörung und in die Teilhabe-Runde jetzt geben, was dann auch klar ist in der Sprache und wo wir nicht wie bei „Sachlichkeit“ dann solche Sachen erklären müssen, sondern, wo wir das gut hinkriegen. So, wo sind wir bei der Programm-Beauftragung? Wir haben bei der Programm-Beauftragung ganz klar festgestellt, immer wieder bekräftigt Erstes Programm und Zweites Programm werden weiterhin linear beauftragt und natürlich auch die Dritten Programme und natürlich auch die, wo wir internationale Staatsvertragsverpflichtungen haben wie Arte und 3sat. Und es ist ein aufeinander zubewegen da bei … bei den Gemeinschaftsprogrammen KiKa und Phoenix. Und am Ende des Lebens steht immer ein Kompromiss. Und da sage ich auch ausdrücklich, hat sich Rheinland-Pfalz ein Stück bewegt. Wir haben aber auch ganz klar gesagt, was passiert, wenn nicht mehr linear beauftragt wird, heißt das nicht, dass linear abgeschaltet wird. Es heißt nur mit anderen Worten: Es besteht die Möglichkeit, dass hier Angebote im nonlinearen Bereich weiterhin geschaffen werden, aber vielleicht irgendwann Zeitpunkte da sind, dass man über linear und nonlinear in dieser Phase eben auch entscheiden kann. Beispiele verdeutlichen, um was es geht. Ein Beispiel ist der Spartenkanal ARD Alpha beispielsweise. Hier geht es um früher Telekolleg oder Schulfernsehen. Hier kann man sich ja sehr gut vorstellen – und da haben wir schon oft drüber gesprochen – braucht man hier die Linearität noch? Hier kann man sich sehr gut vorstellen, dass im Rahmen einer Wissensplattform Wissensvermittlung auch auf Abruf, on demand in den Mediatheken und eben auch im reinen Online-Bereich sehr gut funktionieren können. Und bei der Programm-Beauftragung geht es ja nicht vorne nur um die Aufzählung der Linearität, sondern es geht ganz besonders darum, das ist in dem Absatz 5 zu lesen, wie die Überführungen auch stattfinden. Dazu gehört die gemeinsame Plattform-Strategie. Da haben uns die Anstalten jetzt auch aufgezeigt, dass sie sehr weit sind in den Gedanken, wie sie diese Aufgabe auch erfüllen wollen. Und es geht dann auch darum, dass wir im Bereich der Telemedien-Konzepte nicht nur den Probebetrieb ermöglichen wollen, sondern wir auch hier ganz dezidiert Anmerkungen gemacht haben in einem neuen § 32 A zur Überführung und zum Austausch von Programmen, wie dies funktionieren kann, welche Rolle die Gremien dann einnehmen werden und wie eben die Einbindung in eine Plattform-Strategie dann erfolgt.
Daniel Bouhs [00:08:14] Phoenix und der KiKa werden also künftig auch weiter beauftragt konkret?
Heike Raab [00:08:18] Nein. Wir sind bereit, auch Phoenix und KiKa in die Flexibilisierung zu geben.
Daniel Bouhs [00:08:22] Also die klassischen Spartensender plus Phoenix und KiKa könnten nach jetzigem Stand in die Flexibilisierung gehen. Wie leicht ist es, vielleicht noch eine Einschätzung, aus Ihrer Sicht diesen Kompromiss auch zu finden? Sind ja einige Jahre jetzt schon Diskussionen gelaufen. Die Länder geben da ja auch ein Stück weit Macht ab, gerade was die Beauftragung angeht. Wie hart wird da gerungen?
Heike Raab [00:08:46] Es geht hier nicht um Machtverhältnisse und es geht auch darum wir arbeiten auf der Basis eines Eckpapiers, was schon 2019 konsentiert war. Und da war ein Punkt die Teil-Flexibilisierung. Wir hatten … Das, was wir jetzt in zwei Phasen aufgeteilt haben, war damals ein Gesamtpaket mit Auftrag, Programm-Flexibilisierung, Plattform-Strategie plus der Vorstellung einer Teil-Indexierung mit einer starken KEF, aber auch einer Verstetigung der Beitragsentwicklung. Dieses ist gescheitert. Und das Thema, was uns damals gehindert hat, dem Staatsvertrag zuzustimmen, das ist jetzt ja im Moment aktuell nicht in der Diskussion und da warten wir alle auf Karlsruhe. Insofern sehe ich es hier als eine Riesenchance, dass wir den öffentlich-rechtlichen die digitale Transformation ermöglichen wollen, dass sie alle erreichen, auch jüngere Generationen, die nicht mehr die linearen Nutzer sind, sondern eher die nonlinearen Nutzer, dass man auch neue kreative Angebote machen kann.
Beispiel ist: „Mein Name ist Sophie Scholl“. Das ist ein ARD onlyonline-Produkt, was über Insta, glaube ich, verbreitet wird oder TikTok/Insta. Das sind solche neuen Formate, die einfach gut funktionieren. Und was jetzt mit dieser neuen – ich subsumiere das unter der Thematik Plattform-Strategie – geschaffen wird mit dieser Vernetzung der Mediatheken, das wird ein absoluter Mehrwert für die Nutzerinnen und Nutzer mit einem starken Bezug. Und ich kann mir als Koordinatorin des Vorsitzlandes der Rundfunkkommission auch vorstellen, dass wir in eine Negativliste gehen. Dort hat man ja gewisse interaktive Formate aus dem Gamesbereich ausgeschlossen. Aber wir denken da nicht an die Ego-Shooter oder Ballerspiele, sondern auch daran, dass es wissensbasierte Sendungen gibt, die man auch mit interaktiven Formaten, mit wissensspielerischen Elementen – in dem Fall wären das Serious Games – auch untermauern kann. Das ist für mich auch ein konsequentes Weiterentwickeln dieser ganzen Idee.
Und ich glaube, dass wir damit auch in dieser ganzen aufgeheizten Debatte in der Bundesrepublik Deutschland seitens der Länder ein klares Bekenntnis zu einem modernen, zeitgemäßen öffentlich-rechtlichen Rundfunk in der digitalen Welt abgeben können. Das, was jetzt vorliegt, ist aber auf den ersten Blick etwas, was genau nur das in den Blick nimmt und was jetzt aber eine andere Debatte, die in der Bundesrepublik Deutschland auch kursiert: Wo ist die Spardose?, nicht in den Blick nimmt. Wir haben aber mit den Intendantinnen, Intendanten auch darüber gesprochen, wo könnt ihr Kostentransparenz darstellen? Wie greift ihr diese Elemente auf, die die KEF immer kritisiert? Zu hohe Produktionskosten, zu hohe Verwaltungskosten? Muss man wirklich die Stühle noch selber bauen oder kann man die nicht woanders herbekommen? Also das haben wir ganz klar gefordert. Und deshalb haben wir auch noch einen weiteren offenen Punkt, den ich gerne ansprechen möchte. Und das ist der Punkt, den möchte ich überschreiben mit der Thematik „Qualität in den Medien“, auf der einen Seite und auf der anderen Seite Kostentransparenz und Effizienz. Und da haben wir in der Synopse mal Formulierungen versucht, in dem § 31. Aber die wollen wir noch ganz klar schärfen. Hier geht es ja … welche Berichtspflichten hat man? Qualität und Quantität der Aufträge. Wir haben uns mit hohem, großem Interesse angeschaut, dass es in der Schweiz ein Jahrbuch der Qualität der Medien gibt. Das ist etwas, was wir uns gut vorstellen können. Und die Beitragszahler wollen ja auch wissen, wofür geben die überhaupt das Geld aus? Sie glauben gar nicht, wenn wir … wir kriegen körbeweise Eingaben als Vorsitzland der Rundfunkkommission. Das hat so zugenommen in den letzten zwei Jahren. Und da sehen wir, was sind das für Fragen, die da kommen. Und die einen betreffen das Programm. Und da sagen wir natürlich Programmautonomie. Aber Programm muss auch qualitativ hochwertig sein. Deshalb diese tolle Idee aus der Schweiz. Und zweitens mal Kostentransparenz ist eine Grundvoraussetzung, wenn man eben aktiv ist. Und da wünschen wir uns mehr.