Markus Lanz – Unterhaltungsjournalist 2020

Markus Lanz | Foto: © Jörg Wagner

„Nie zuvor wurde seine Moderationsfähigkeit auf eine so harte Probe gestellt wie im Marathon zum Thema Corona. Fast durchgehend werktäglich diskutierte Markus Lanz mit ExpertInnen und WissenschaftlerInnen in seinem ZDF-Talk, unter Bedingungen, die sich faktisch, organisatorisch und auch mental immer weiter verschärften. Er zeigte sich dabei stets exzellent vorbereitet und hielt mit kritischen, aber fairen Nachfragen nicht zurück. Trotz der Dramatik das Menschliche, ja auch das Unterhaltende nicht aus dem Blick zu verlieren – das gelang niemandem im Fernsehen so gut wie ihm.“

Begründung der Jury der Fachzeitschrift „mediummagazin“.

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Was: Interview am Rande der Auszeichnungsveranstaltung „Journalistinnen und Journalisten des Jahres“ der Fachzeitschrift mediummagazin
Wer:
* Markus Lanz, Journalist, Presenter der ZDF-Talkreihe „Markus Lanz“
* Jörg Wagner, Freier Medienjournalist
Wann: 02.08.20021, 15:53 Uhr
Wo: Berlin, Hotel Oderberger
Vgl.: Alle Hauptpreisträgerinnen und -träger: mediummagazin.de



(wörtliches Transkript, Hörverständnisfehler vorbehalten)

Jörg Wagner [00:00:00] Ich würd‘ Sie erst mal bitten, sich vorzustellen. Es ist jetzt zwar ein bisschen blöd, weil man kennt Sie landauf, landab.

Markus Lanz [00:00:05] Ja, nicht schlimm.

Jörg Wagner [00:00:05] Aber vielleicht haben Sie ja eine andere Erklärung, wer Sie sind?

Markus Lanz [00:00:09] Gott ja. Ich bin Markus Lanz. Aber … es stimmt schon, es gibt so ’ne … es gibt so ’ne Medienfigur. Dann gibt es den, der manchmal so neben sich steht und sich wundert, was da eigentlich alles gerade so passiert. Dazu muss man wissen, dass ich so aus einem kleinen Bergdorf in den Dolomiten komme, ja.

Jörg Wagner [00:00:24] Südtirol.

Markus Lanz [00:00:25] Südtirol. Ja, genau. Und deswegen steht man da manchmal staunend davor und fragt sich, wie das Leben eigentlich so ist und was das Leben alles spielen kann. Ja, und immer wenn du denkst, jetzt … jetzt ist Schicht, dann geht plötzlich eine neue Tür auf.

Jörg Wagner [00:00:43] Ich hab‘ tatsächlich kürzlich einen Schnipsel gefunden, da waren Sie bei RTL noch und haben irgendso’n Banane-Beitrag anmoderiert. Ist das noch etwas, was Sie …

Markus Lanz [00:00:52] Banane-Beitrag?

Markus Lanz [00:00:52] … mit Würde tragen? Also, ich meine so ein Thema, was man schnell wieder vergisst, was dazu da ist, um Boulevard-Bedürfnisse zu befriedigen, womit man aber nicht in die Fernsehgeschichte wahrscheinlich eingeht.

Markus Lanz [00:01:03] Geht man schon, aber halt eher ‚unteres Regal‘. Ich … naja, die Frage war, ob ich dazu stehe oder ob ich … ob mir das unangenehm ist? Also beide Male, einmal ja und nein. Ich könnte es mir einfach machen und sagen: Ich war jung und brauchte das Geld. Es ist aber vor allen Dingen eine sehr gute Schule gewesen. Ich hab‘ da viel gelernt und man sollte nie den Fehler machen, sozusagen die, die’s machen, mit denen zu verwechseln, was sie da tun. Also, das sind zum Teil sehr, sehr, sehr gute Kollegen, die ich da kennengelernt habe. Viel … ich sage mal, auch das öffentlich-rechtliche System ist, glaube ich, durch das Privatfernsehen und durch den Privatrundfunk nicht unbedingt schlechter geworden, sondern im Zweifel schneller geworden. Da findet eine Überprüfung statt. Das hat uns besser gemacht. Also insofern ist mir da irgendwie eine gewisse Überheblichkeit … von der bin ich sehr, sehr weit entfernt.

Jörg Wagner [00:01:57] Aber weil Sie sagten, man weiß nicht, ist das der Mensch, den man dort sieht, tatsächlich der, der man ist. Haben Sie denn inzwischen beim ZDF Ihre Rolle gefunden?

Markus Lanz [00:02:06] Das müssen natürlich andere beurteilen. Ich …

Jörg Wagner [00:02:07] Nee, nee. Aus Ihrer Perspektive. Sie stehen ja auch bestimmt neben sich und gucken Sie sich auch mal zu.

Markus Lanz [00:02:12] Man ist ja da immer leicht befangen, wie Sie sich vorstellen können. Ich gucke mir im übrigen auch nie selber zu. Ich …

Jörg Wagner [00:02:18] Ich frage anders, fühlen Sie sich wohl beim ZDF?

Markus Lanz [00:02:20] Ja, genau. Wenn das die Frage ist, ja. Und wenn Sie sagen, ‚die Rolle gefunden‘, würde ich sagen: Ja. Das war ja eine lange Entwicklung über zehn, fast 15 Jahre. Und ich sage mal so: Wir haben beim Wendler begonnen und sind jetzt bei Olaf Scholz. Und das ist jetzt nichts, was … was mir nicht gefällt.

Jörg Wagner [00:02:38] Ja, Sie können auch stolz sein. Sie werden ja jetzt ausgezeichnet wieder als „Journalist des Jahres“ zum zweiten Mal. Fühlen Sie sich eigentlich in erster Linie als Journalist? Also ist das die Kategorie, die Sie möglicherweise im Hotel eintragen, wenn Sie dort einchecken?

Markus Lanz [00:02:50] Tatsächlich ja. Dieser Beruf des Moderators, das ist einer, den ich nie angebe. Ich erzähle auch nie, was ich mache, weil mir der bis heute suspekt ist. Es ist ein komisches Wort. Ich kann damit nicht so richtig etwas anfangen. Allein schon deshalb, weil der Akt des Moderatorwerdens, ist ein sehr willkürlicher. Irgendjemand pickt sie und sagt: Mach du das jetzt mal! Aus welchen Gründen auch immer. Und deswegen darf man halt umgekehrt dann auch nicht sauer sein, wenn dann irgendwann einer kommt und sagt: Pass auf, dich möchte ich jetzt aber nicht mehr. Das ist beides gleichermaßen okay. Das muss man sich klarmachen. Das ist, das ist sozusagen der Deal, den man da eingeht. Aber die, die Rolle oder der Beruf des Journalisten ist einer, der mir Spaß macht. Ich mag keine Ideologie. Deswegen finde ich, haben wir als Journalisten da schon auch eine echt wichtige Funktion. Wir müssen immer nochmal ein bisschen genauer hinhören, ein bisschen genauer hinsehen, uns wirklich fragen, ob die Dinge so sind, wie sie vermeintlich erscheinen und so weiter. Gerade auch in der heutigen Zeit, in dieser polarisierten, aufgeheizten Stimmung, wo immer sehr schnell klar ist, was schwarz und was weiß, ist. Mir das immer suspekt. Auch deswegen, weil ich weiß: Überall da, wo Ideologie ist, ist das Geschäftsmodell meistens nicht weit. Und insofern haben wir da eine wichtige Funktion. Das andere ist natürlich das ganze Thema der Plattformen. In dem Maß, wie wir geflutet werden von Informationen, die überall und jederzeit verfügbar ist, ist Klarheit – und die müssen wir schaffen und herstellen – ist Klarheit ein Wert an sich für mich. Und dieser Wert wird immer wichtiger, je größer diese Informationsflut wird und je mehr sich da an steiler Welle aufbaut. Auch deshalb, weil ja die großen Plattformen, speziell jetzt Alphabet, also Google, Facebook und wie sie alle heißen, ja sich der eigentlichen journalistischen Verantwortung ja entziehen. Also die bieten den Leuten eine Plattform und sagen: Du bist jetzt dein eigener Sender, aber was du da machst, damit habe ich nichts zu tun. Ich finde, das ist ein sehr schlanker Fuß, den die sich da zum Teil machen, der nicht nur Journalismus bedroht, der auch unser Modell ganz massiv bedroht, sondern der auch mit der Gesellschaft was macht. Und insofern ist diese Transformation, also das Zeitalter der Informationstechnologie, an dem wir jetzt gerade wirklich sind und in das wir wirklich eintreten, ist ein spannender, aber auch ein sehr gefährlicher Punkt.

Jörg Wagner [00:05:09] Nun ist vielleicht heute nicht der richtige Tag, um auch nach selbstkritischen Reflexionen zu fragen, weil Sie ausgezeichnet werden. Aber vielleicht ist ja gerade ein guter Ausgleich, dass ich jetzt frage, ob Ihnen das immer gelungen ist, was Sie selber für Ansprüche an sich selbst stellen. Ich sage mal, das wohl Auffälligste, was ich erlebt habe, weil es auch Auswirkungen gab tatsächlich in der Glaubwürdigkeit, war das Interview mit Sahra Wagenknecht. Da gab’s dann anschließend eine Gründung eines Vereins „Publikumskonferenz“. Bis heute sind die noch sehr aktiv und erheben den Anspruch aus der Tatsache, da sie Rundfunkbeitrag bezahlen, dass sie mitreden dürfen. Aber vielleicht war das auch nur eine Ausnahme und Sie gehen immer nach Hause und sagen: Das war heute schon – und da würde ich mich mit anschließen – immer wieder ein neues Suchen nach der Wahrheit. Und das provoziert auch Reibung natürlich.

Markus Lanz [00:06:02] Ja, also dieses Sahra-Wagenknecht-Ding … über das ist ja schon oft und sehr ausführlich und erschöpfend gesprochen worden. Aus heutiger Sicht ist ganz interessant, wenn man … es war, ich glaube, es war 2012. Es ist lange her, weil wir haben 2021. Wenn Sie sich das heute anschauen, dann würde ich sagen, war das in der Konstellation unglücklich. Also ich bleib‘ eigentlich bei der Bewertung, bei der ich immer war, das Gefühl, das da entsteht, zwei Männer gegen eine Frau und so weiter, das kann man definitiv besser machen. Von dem Interview an sich jetzt was – ich kann ja nur über meinen Part sprechen – muss ich immer wieder drauf … Wert darauf festlegen, dass das, worum es eigentlich ging – und das ist auch etwas, was ich auch gerne zurück spiele – worum es eigentlich ging, das wurde nicht wirklich wahrgenommen, nicht wirklich rezipiert. Also wenn Sie … meine Frage war, es ging um das Programm der Linkspartei zur Europawahl und in dieser Präambel wurde die EU als eine diktatorische, militaristische Veranstaltung beschrieben. Sagen wir es mal ganz neutral. Und das war etwas, was ich nicht verstanden habe. Zumal da jemand erstens vor mir saß, der selber im EU-Parlament war. Sahra Wagenknecht war dort. Ist das eine. Und das andere war halt, ich hatte einfach Schwierigkeiten mit diesem Wort „diktatorisch“. Aus diversen Gründen und unter anderem auch mit Blick auf die Linkspartei. Sie können sich vorstellen, warum. Und das ist das ganze Ding. Interessanterweise beim Parteitag wenig später in Hamburg ist genau das aus dieser Präambel verschwunden. Und insofern haben wir da auch was bewirkt. Das heißt aber nicht, dass das ein optimales, perfektes interview war. Gar keine Frage. Zwischen mir und Sahra Wagenknecht, um das auch nochmal jetzt endgültig und für alle Zeiten zu sagen, ist auch nichts von übrig geblieben. Ich schätze die unheimlich. Schätze sie, ehrlich gesagt, gerade in den letzten Jahren auch nochmal in publizistischer Weise sehr. Lese wahnsinnig gerne Ihre Kolumne. Es ist ganz präzise, penibel recherchiert. Das ist bester Journalismus und insofern: Sahra Wagenknecht fachlich, qualitativ und ehrlich gesagt auch als Kollegin an dem Punkt ist jemand, den ich über alle Maßen schätze.

Jörg Wagner [00:08:03] Und um wieder eigentlich zum heutigen Höhepunkt zurückzukommen zur Journalistenpreisverleihung, Sie bekommen den ja wegen außergewöhnlicher journalistischer Leistungen und Sie haben bestimmt auch mitbekommen, dass in der ARD- Programmdirektion, Sie so was wie eine Benchmark sind.

Markus Lanz [00:08:17] Ja, habe ich gelesen. Ja.

Jörg Wagner [00:08:17] Wie fühlt man sich da?

Markus Lanz [00:08:22] Wissen Sie, tatsächlich gehört das Nachdenken sozusagen darüber, wer man selber ist oder was man selber macht und so weiter. Das ist jetzt nicht das, womit ich mich von morgens bis abends beschäftige. Sondern mein Job ist in erster Linie sozusagen über andere nachzudenken. Widersprüche …

Jörg Wagner [00:08:38] Sie haben keine Strategie, was Ihren beruflichen Weg anbelangt, was Sie erreichen wollen?

Markus Lanz [00:08:42] Nicht wirklich.

Jörg Wagner [00:08:42] Was Sie für ein Ziel haben pro Sendung zum Beispiel? Dass Sie kaum Urlaub machen in diesem Jahr zum Beispiel.

Markus Lanz [00:08:48] Nee, das ja. Das überlegen wir uns natürlich, weil wir einfach das Gefühl haben, das ganze Rad dreht sich so schnell und dass man es sich irgendwie gerade in diesem Jahr: Bundestagswahlkampf, eine Ära endet, die Ära Merkel und so weiter, nicht wirklich leisten kann, wochenlang einfach vom Schirm zu sein. Und tatsächlich war es ja auch so. Es ist unglaublich viel passiert allein in den letzten Wochen. Und … aber das ist jetzt kein strategisches Ding, das man sich jeden Tag hinsetzt und überlegt: Wo will ich in genau fünf Jahren sein? Das ist etwas, was ich auch im Laufe der Jahre gelernt habe, wenn es Dinge gibt, die sich nicht planen lassen, dann genau diese. Dann passiert, verrutscht ihnen irgendein Interview und dann ist ihre schöne Lebensplanung plötzlich komplett eine andere. Dann sind Sie übermorgen auch draußen. Das geht ja auch. Also insofern: Mein Hauptjob ist es, über andere nachzudenken, Widersprüchlichkeiten aufzudecken, Phrasen zu entlarven, Leute aus dem Tritt zu bringen, die eigentlich auserzählt sind, weil sie jeden Tag nicht nur ein Interview, sondern ein halbes Dutzend geben und die auf alles vermeintlich eine gute Antwort haben. Dann muss man halt dranbleiben und hellwach sein. Das gelingt manchmal, manchmal aber auch nicht.

Jörg Wagner [00:09:53] Ich versuch’s nochmal anders. Es gibt so ein Buch, ich hab‘ den Titel nicht mehr genau im Kopf, aber sinngemäß: „Die tausend Orte, die du besucht haben musst, bevor du stirbst.“ Gibt’s noch jemanden, den Sie interviewen wollen, der Sie reizt, der Sie neugierig werden lässt, wo Sie sagen: Den brauche ich noch, um auch für mich vielleicht klar etwas zu justieren?

Markus Lanz [00:10:13] Es gibt … ach, es gibt … da gibt’s einige. Wenn man jetzt mal einfach nur in Deutschland bleibt, ich würde z.B. gerne mal eine Stunde oder gerne auch anderthalb, mal mit Sigmar Gabriel über Außenpolitik sprechen. Das würde mich interessieren, weil ich das Gefühl habe, er ist der letzte, der wirklich auf dem Schirm hatte, was z.B. im Verhältnis zu China passiert, was das große Seidenstraßenprojekt wirklich ist, was 17 plus 1 wirklich bedeutet. Wer die 12 Länder sind in Europa, die die identifiziert haben als die Staaten, von denen man sagt: Da können wir ran. Was Merkel meint, wenn sie sagt zu Xi Jinping: Sie müssen nicht nur mit den armen Ländern in Europa reden. Sie können auch mit ganz Europa sprechen. Und er ignoriert sie einfach. Also was ist da die Strategie dahinter? Da hab ich immer das Gefühl, Sigmar Gabriel war einer der letzten, der das wirklich auf dem Schirm hatte. Und irgendwie reden wir aber stattdessen die ganze Zeit über Gendersternchen und alles Mögliche und die wirklich großen Themen – und das ist auch ein Ärgernis finde ich – auch in diesem Wahlkampf, die fallen wirklich hinten über.

Jörg Wagner [00:11:13] Ich kann Ihnen verraten, Sie standen auf meiner Liste der noch zu interviewenden Menschen.

Markus Lanz [00:11:17] Wirklich? Wirklich? Ach Quatsch.

Jörg Wagner [00:11:17] Ich bedanke mich dafür, dass Sie zur … Ja! Natürlich. Klar. Vor zwei Jahren ist es mir leider nicht gelungen. Da mussten Sie schnell weg, glaube ich. Und ansonsten sind Sie ja, glaub ich, auch sehr stark eingebunden.

Markus Lanz [00:11:26] Das stimmt.

Jörg Wagner [00:11:26] Und ich nutzte gerne die Gelegenheit jetzt. Ja.

Markus Lanz [00:11:29] Das freut mich. Ich mache ja nicht oft Interviews, weil ich lieber selber welche mache. Und insofern freut mich, dass das geklappt hat.

Jörg Wagner [00:11:37] Herzlichen Glückwunsch zum Journalisten des Jahres!

Markus Lanz [00:11:39] Danke schön. Danke.








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