Friederike von Kirchbach: Zu Medienvorwürfen von Vetternwirtschaft beim rbb

Friederike von Kirchbach | Foto: © Jörg Wagner


Wer:
* Friederike von Kirchbach, rbb-Rundfunkratsvorsitzende
* Jörg Wagner, Freier Medienjournalist
Was: Telefoninterview zu Medienvorwürfen von Vetternwirtschaft beim rbb
Wann: rec.: 16.07.2022, 11:00 Uhr, veröffentlicht im radioeins-Medienmagazin am 16.07.2022 um 18:09 Uhr und in einer gekürzten Fassung im rbb Inforadio, 17.07.2022, 10:43 Uhr/17:43 Uhr/22:43 Uhr

Vgl.:
* Medienaffäre: Spielte der Rundfunkaufseher dem Ehemann der ARD-Chefin einen lukrativen Berater-Auftrag zu?, Business Insider, 25.06.2022 (aktualisierte Fassung – Erstveröffentlichung 23.06.2022)
* Fragwürdiges Beratungsgeschäft bei der Messe Berlin, Der Tagesspiegel, 24.06.2022
* Rundfunk Berlin-Brandenburg weist Vorwürfe zurück, Der Tagesspiegel, 05.07.2022
* Gab es bei Henner Mahlstedt einen Interessenkonflikt?, Der Tagesspiegel, 06.07.2022
* Verschwendung von Gebührengeldern? Spesen für Dinnerabende und dubiose Beraterverträge bringen ARD-Chefin Patricia Schlesinger in Bedrängnis, Business Insider, 10.07.2022 (aktualisierte Fassung – Erstveröffentlichung 06.07.2022)
* Nach Recherchen von Business Insider: ARD-Anstalt will Vorwürfe gegen Intendantin Patricia Schlesinger untersuchen lassen, Business Insider, 08.07.2022
* Berater-Affäre beim RBB: Interne Dokumente und Aussagen des Chefaufsehers erschüttern die Glaubwürdigkeit der ARD-Vorsitzenden Patricia Schlesinger, Business Insider, 14.07.2022
* 72.000 Euro für „Mediencoaching“: Vertrauliche E-Mails enthüllen fragwürdige Beauftragung des Ehemanns der ARD-Chefin Schlesinger, Business Insider, 18.07.2022


(wörtliches Transkript, Hörverständnisfehler vorbehalten)

(Anmoderation live)

Jörg Wagner In dieser Woche, am Dienstag und Freitag tagten die Aufsichtsgremien des rbb in nichtöffentlichen Sitzungen zu den in verschiedenen Medien in den letzten drei Wochen erhobenen Vorwürfen über Vetternwirtschaft beim rbb. Seit der Erstveröffentlichung im Portal Business Insider mit Nachfolgerecherchen u. a. beim Tagesspiegel steht der Verdacht im öffentlichen Raum, dass es durch den – eigentlich den rbb kontrollierenden – Verwaltungsratsvorsitzenden Wolf-Dieter Wolf, der zudem auf dem Feld der Immobilien, des Baus, Wirtschafts- bzw. Finanzberatung unterwegs ist und gleichzeitig Aufsichtsratschef der Messe Berlin GmbH ist, Interessensüberschneidungen und ein „System aus gegenseitigen Gefälligkeiten“ gegeben habe, die zu Begünstigungen der rbb-Intendantin und ARD-Vorsitzenden Patricia Schlesinger und ihrem Ehepartner geführt haben sollen, andererseits Wolf-Dieter Wolf für sich und sein Umfeld Vorteile erwarten konnte bei Räumlichkeiten der Messe Berlin und beim Bau eines Digitalen Medienhauses am Berliner rbb-Standort. Das soweit die kompakte Zusammenfassung von mir.

Ich konnte vor der Sendung mit der rbb-Rundfunkratsvorsitzenden Friederike von Kirchbach telefonieren und sie zunächst fragen, da der Rundfunkrat normalerweise öffentlich tagt, warum man sich diesmal intern beraten habe:

Friederike von Kirchbach [00:00:00] Das ist eigentlich ziemlich eindeutig. Wir brauchen … oder wir sind berechtigt, nicht öffentlich zu tagen, so quasi vom Gesetzesgeber auch richtig aufgefordert, nicht öffentlich zu tagen, wenn es um Persönlichkeitsfragen, also um die Fragen von einzelnen Fällen einzelner Personalangelegenheiten geht. Und das ging ja in diesem Fall, Sie hatten es in Ihrem … jetzt auch schon angesprochen, es ging um Herrn Wolf und seine persönliche Angelegenheit und es ging dann auch in der Weiterführung um Vorwürfe gegenüber der Intendantin. Das erschien uns jetzt angemessen, in nichtöffentlicher Runde zu besprechen. Es war auch der einzige Tagesordnungspunkt.

Jörg Wagner [00:00:32] Ist dennoch ungewöhnlich? Gab es das schon mal in Ihrer Gremienarbeit?

Friederike von Kirchbach [00:00:36] Ja. Schauen Sie, die Drei-Stufen-Teste, die jetzt aufgrund des europäischen Auftrags, dass wir auch unsere digitalen Angebote auf die Rechtmäßigkeit zu überprüfen haben. Da muss der Rundfunkrat tatsächlich ohne die Geschäftsleitung nichtöffentlich tagen und die Entscheidung zu den Drei-Stufen-Testen fällen. Das sind sehr gründliche Prozesse, die wir mit den digitalen Angeboten in der ganzen ARD entweder in der Mitberatung oder in der federführenden Beratung durchzuführen haben. Und da ist eigentlich jetzt in den letzten Rundfunkratssitzungen jedes Mal ein Teil nichtöffentlich gewesen. Es gibt auch nichtöffentliche Teile, wenn es um Personalangelegenheiten geht. Die gab es auch schon zuvor. Es gibt zum Beispiel auch einige Phasen der Findung, als wir Frau Schlesinger, dann am Ende als Intendantin gewählt haben. Da haben wir auch phasenweise nichtöffentlich getagt.

Jörg Wagner [00:01:18] Aber es gab diese Sondersitzung. Die nächste reguläre Sitzung ist im September. Hatten Sie den Eindruck, dass Sie als Kontrollgremium jetzt Flagge zeigen müssen?

Friederike von Kirchbach [00:01:27] Ja, das ist … also es gibt auch eine Regel, dass, wenn 1/4 der Mitglieder des Rundfunkrates eine Sondersitzung wünscht … ich denke, dieses Viertel wäre auch zustande gekommen. Ich habe es aber aufgrund meiner eigenen Entscheidungen, aufgrund der Zuspitzung, die in der Situation entstanden war, nachdem der Verwaltungsrat sich entschieden hat, wir machen jetzt eine Sondersitzung mit diesem Fall, den Sie angesprochen haben, dann war es notwendig, den Rundfunkrat, der auch jetzt informiert werden musste, einzuberufen.

Jörg Wagner [00:01:55] Am Dienstag tagte der Verwaltungsrat nichtöffentlich. Das ist der normale Modus?

Friederike von Kirchbach [00:01:59] Ja. Das ist der normale.

Jörg Wagner [00:02:01] Aber wenn meine Informationen stimmen, hat der von Medienvorwürfen mitbetroffene rbb-Verwaltungsratsvorsitzende Wolf-Dieter Wolf erst bei Ihnen drei Tage später in der Rundfunkratssitzung erklärt, ich zitiere in einer schriftlichen Stellungnahme: „sein Amt im Kontrollgremium des Senders bis zum Abschluss der Aufklärung ruhen zu lassen, um jeden Anschein einer Einflussnahme auf die vollständige Aufklärung der Vorwürfe zu vermeiden.“ Zitatende. Brauchte es dafür den Druck aus dem Rundfunkrat?

Friederike von Kirchbach [00:02:29] Also ich glaube, das ist ein Prozess, den auch Herr Wolf durchlaufen hat. Es war der Wunsch vom Verwaltungsrat, dass die beiden, die zuständig sind für die Aufklärung, also der Verwaltungsrat, wird die Aufklärung, die ja durch die Compliance-Beauftragte des rbb jetzt angeregt und eingeleitet wurde, die wird vom Verwaltungsrat ebenfalls natürlich eng begleitet. Und die beiden, die da den Kontakt haben, das sind die stellvertretende Vorsitzende und ein weiteres Mitglied des Verwaltungsrates. Und beide haben sich auch gewünscht, dass Wolf sich an dieser Stelle zurückhält. Ich denke, es ist dann auch ein eigener Prozess, den er durchlaufen hat, dass er gesagt hat, also es geht jetzt um Aufklärungsfragen. ‚Ich selber versichere, dass die Vorwürfe gänzlich unbegründet sind‘, und er spricht auch von seiner persönlichen Verletzung, die sich damit verbinden. Und ich glaube, es war einfach der Punkt für ihn erreicht, dass er sagt: ‚So, jetzt ziehe ich mich da zurück. Soll die Aufklärung erst mal stattfinden. Ich bin der festen Überzeugung, dass mit der Aufklärung dann auch die Unbegründetheit der Vorwürfe klar wird.‘

Jörg Wagner [00:03:27] Wenn Wolf-Dieter Wolf nun sein Amt ruhen lässt, aber auch ja Vorwürfe die Intendantin betreffen, muss Patricia Schlesinger dann nicht auch diesen Schritt gehen, diesen Prozess durchmachen?

Friederike von Kirchbach [00:03:38] Ich glaube, dass für Wolf als Verwaltungsratsvorsitzenden im Ehrenamt eine komplett andere Situation entstanden war und dass er auch eine Diskussion im Verwaltungsrat hatte, die ihn gebeten haben, sich bei der Aufklärung jetzt erst mal zurückzuhalten, damit die wirklich objektiv stattfinden kann. Das ist eine komplett andere Situation, als es für Frau Schlesinger sich darstellt. Ich finde es sehr wichtig, dass sie jetzt sehr präsent dabei ist.

Jörg Wagner [00:04:03] Etwas irritierend, sicher nicht nur für mich, war die Aussage des rbb beim Zurückweisen von Vorwürfen, ein Berater des rbb hätte vor seinem Auftrag keinen persönlichen Kontakt zu dem rbb-Verwaltungsratsvorsitzenden und Immobilienunternehmer Wolf-Dieter Wolf gehabt. Diese Aussage wollte Wolf-Dieter Wolf nicht bestätigen. Der rbb musste seine Aussage dahingehend korrigieren, Zitat gegenüber dem Portal Business Insider: „Die Feststellung des rbb, dass Herr Wolf Herrn L. – also den Berater – erst im Zuge seiner Tätigkeit für den rbb persönlich kennengelernt hat, entsprach dem Kenntnisstand des Senders bis gestern.“ Wurde da der rbb angelogen?

Friederike von Kirchbach [00:04:46] Herr Wagner, das gehört für mich jetzt tatsächlich schon zum Aufklärungsprozess und ich möchte zu … in diesem Interview gar nichts zu den Inhalten, auch der Aufklärung, den Inhalten der Vorwürfe sagen. Wir haben ja jetzt aus meiner Sicht eine wirklich sehr kompetente Anwaltskanzlei und die Compliance-Beauftragte beantragt. Die wird sich mit allem befassen und wir brauchen jetzt einfach ein bisschen Geduld, ehe wir wissen, was nun wirklich wann, wie und mit welcher Fehlerhaftigkeit stattgefunden hat. Und ich äußere mich deswegen zu solchen Einzelsachen gar nicht mehr, bis wir es genauer wissen.

Jörg Wagner [00:05:18] Sie sprechen Geduld an. Nun sind die Vorwürfe in den letzten drei Wochen immer mit neuen Anschuldigungen angereichert worden. Wie bewerten Sie denn die Aufklärungsarbeit des rbb?

Friederike von Kirchbach [00:05:29] Also ich bewerte die … wir haben gestern … ich bewerte die sehr gut. Ich bin zufrieden damit. Wir haben gestern eine … eine intensive Diskussion dazu gehabt. Der Rundfunkrat, der sich da auch stark eingebracht hat, teilt mit mir die Überzeugung, dass jetzt wirklich Aufklärungsarbeit so passiert, wie sie passieren muss. Und was heißt Geduld? Diese Anwaltskanzlei Abel wird in den nächsten Wochen sehr intensiv darangehen und uns nicht über die Gebühr strapazieren mit der Erwartung des Ergebnisses. Ich hoffe, dass wir bis zum Ende des Sommers da schon größere Klarheit haben.

Jörg Wagner [00:06:03] Wie ist Ihre Einschätzung? Ist das eine Medienkampagne gegen den rbb? Oder muss der Rundfunkrat investigativem Journalismus vielleicht sogar dankbar sein, weil er mithilft bei der Kontrolle durch den Rundfunk- und Verwaltungsrat?

Friederike von Kirchbach [00:06:15] Also wissen Sie, eigentlich beides. Es ist … oder beides nicht. Ich finde, dass solche Prozesse, so schmerzhaft sie sind, am Ende auch immer eine gute Seite haben, weil nach Innen auch eine Reinigung, eine Veränderung angestoßen wird, auch vielleicht auch eine erhöhte Aufmerksamkeit, die dem ganzen Unternehmen wirklich dienen kann. Und das andere ist: Ich bin jetzt Gremienvorsitzende der Gremienvorsitzendenkonferenz der ARD. Und ich erlebe schon in der Öffentlichkeit, auch in den Medien, dass nicht immer freundliche Töne gegenüber dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk angeschlagen werden. Und das ist jetzt noch sehr nett formuliert. Und nun zu denken, dass all die Medienberichte damit gar nichts zu tun haben, dass es auch wirklich eine starke Konkurrenz und auch einen ziemlichen Kampf gegeneinander gibt, das schaffe ich nicht jetzt das völlig außen vor zu lassen. Aber ich möchte keine direkten Verdächtigungen aussprechen. Dazu habe ich keinen Beleg.

Jörg Wagner [00:07:06] Wie sehen jetzt die nächsten Schritte aus? Gibt es Fristen? Werden Sie einbezogen?

Friederike von Kirchbach [00:07:10] Ja. Es gibt die Frist, dass diese Aufklärung zeitnah erst natürlich an den Verwaltungsrat wieder unter der Leitung der Stellvertreter von Herrn Wolf den Prozess begleiten wird und dann auch an den Rundfunkrat gegeben wird, der Rundfunkrat sich dann damit befasst. Und wenn es zu Ergebnissen kommt, die die Vorwürfe als berechtigt darstellen lassen, dann werden wir über Konsequenzen nachzudenken haben. Und wenn nicht, dann … dann entspricht die Versicherung beider, Frau Schlesinger und auch Herrn Wolf der Wahrheit, wovon ich ausgehe, und das ist auch meine Aufgabe, davon auszugehen. Das ist meines Erachtens die Aufgabe jedes Menschen zu diesem Zeitpunkt. Und wenn es nicht so ist, dann müssen wir weiterarbeiten. Wir haben sehr, sehr viel zu tun.

Jörg Wagner [00:07:51] … meint die Rundfunkratsvorsitzende Friederike von Kirchbach. Vielen Dank.

Friederike von Kirchbach [00:07:54] Danke schön, Herr Wagner.






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