(wörtliches Transkript, Hörverständnisfehler vorbehalten)
Ralf Roggenbruck [00:00:00] Mein Name ist Ralf Roggenbuck. Ich fange immer damit an, dass ich vier Kinder habe, verheiratet bin mit derselben Frau, diese vier Kinder habe. Und von Beruf bin ich Staatsanwalt und hab‘ verschiedene Funktionen auch in der Justiz innegehabt und bin jetzt als Staatsanwalt bei der Staatsanwaltschaft Potsdam tätig. Das bin ich seit 30 Jahren. Jetzt im September sind es 30 Jahre. Darüber hinaus bin ich seit über zehn Jahren, zehneinhalb Jahren Vorsitzender des Deutschen Beamtenbundes, Landesverband Brandenburg. Das ist eine Spitzen-Organisation des öffentlichen Dienstes. Das bedeutet, es sind 28 Einzelgewerkschaften, die einen Verband bilden. Das ist sozusagen … ich bin der Vorsitzende des Ober-Verbandes. Da sind ganz unterschiedliche Berufsgruppen des öffentlichen Dienstes vertreten. Wir sind, kann man sagen, der größte Verband des öffentlichen Dienstes im Land Brandenburg. Über diese Funktion bin ich vom Hauptvorstand des dbb in den Rundfunkrat gewählt worden. Der Rundfunkrat hat für den Deutschen Beamtenbund Berlin und Brandenburg einen Sitz, der sozusagen wechselt. Die Berliner sind jetzt wieder dran. Das heißt also, ich bin seit 2019 im Februar im Rundfunkrat und werde diesen im Februar 2023 wieder verlassen. Dann wird mein Berliner Kollege oder meine Kollegin, das werden wir noch sehen, wieder den Sitz übernehmen. Das ist eine missliche Situation. Darüber haben wir heute auch gesprochen. Man fragt sich, der eine hat Berliner Interessen, der andere Brandenburger Interessen, ob man nicht vielleicht den Rundfunkrat vergrößern sollte. Da haben wir heute darüber beraten und sind zum Ergebnis gekommen – ich glaube, das ist auch Konsens – wir können jetzt einfach nicht in diesen Zeiten, wo auch Geld gespart werden muss, ein Gremium wieder aufblähen. Ich meine, es wird Aufwandsentschädigung gezahlt. Es müssten größere Räume dafür verwendet werden. Das ist nicht zeitgemäß. Also das ist sozusagen zu meiner Person: Staatsanwalt, seit 30 Jahren, Vorsitzender des Deutschen Beamtenbundes und ja glücklicher Vater von vier Kindern.
Jörg Wagner [00:01:57] Da sind Sie ja als Staatsanwalt sicherlich angeschlossen an die Untersuchung der Generalstaatsanwaltschaft Berlin. Oder tauscht man sich da nicht aus?
Ralf Roggenbruck [00:02:03] Nein, ich bin bei der Staatsanwaltschaft Potsdam, das ist keine … es gibt keine länderübergreifenden Gespräche. Das ist auch nicht vorgesehen. Und ich würde auch in dem Fall, mich von den Ermittlungen abziehen lassen, weil ich denke, das muss dann unabhängig geschehen. Muss aber sagen, dass ich viele Jahre als Staatsanwalt im Wirtschaftsstrafrecht tätig gewesen bin und mir … dachte ich bis vor wenigen Monaten eigentlich … auch möglich ist, Unterlagen zu werten, auch 500 seitige Abschlüsse mir anzugucken und da festzustellen, was da nicht dran stimmt oder was vielleicht ungewöhnlich ist. Und das ist das Faszinierende bei der ganzen Sache. Ich bin als Staatsanwalt auch im Wirtschafts- und Finanzausschuss und all das, was ich aus der Zeitung jetzt erfahren habe, habe ich aus den Unterlagen, obwohl ich als Staatsanwalt wirklich geschult bin, nicht ersehen können. Das bedeutet, es ist nicht offengelegt worden.
Jörg Wagner [00:02:58] Sind Sie auch getäuscht worden?
Ralf Roggenbruck [00:03:00] Getäuscht ist immer so eine … es ist …
Jörg Wagner [00:03:02] Na, das ist ein aktiver Vorgang, dass man etwas verschleiert, um den Rundfunkrat milde zu stimmen. Oder sind Sie da auch vielleicht möglicherweise in eine Kommunikationsfalle getappt?
Ralf Roggenbruck [00:03:13] Ich würde es noch anders formulieren. Also Sie müssen mal sehen, dass man, wenn man ein Amt innehat und sozusagen Vorgaben bekommt, wie das Ganze ablaufen soll und das muss man wirklich sagen, das ist hier sehr starr gewesen. Hier wurde immer gesagt, das haben wir immer schon so gemacht und das ist eben … es ist kein Vorwurf, aber es war eben eine Vorsitzende und ein Stellvertreter, die seit vielen Jahren diese … diese Abläufe immer gleich gemacht haben und immer mit dem Hinweis: Das haben wir immer schon so gemacht … das Ganze haben ablaufen lassen. Und bevor man überhaupt sich mit den ganzen Sachen auseinandergesetzt hat, ist schon eine ganze Zeit vergangen. Und ich muss wirklich sagen, es wird die Aufgabe des nächsten Rundfunkrats sein, sich am Anfang ganz intensiv mit zu beschäftigen, was machen wir eigentlich hier? Eine Fortbildung zu machen. Wir schlagen jetzt zwei Tage vor, es kann auch länger sein. Es ist wirklich so, man kommt völlig bar jeder Ahnung an. Man liest ein bisschen sich ein, aber es vergeht so lange Zeit, bis man überhaupt weiß, was dieses Gremium überhaupt bedeutet. Und jetzt, um hier auf Ihre Frage zurückzukommen. Auch wenn ich jetzt viel rede, fühle ich mich getäuscht oder bin ich getäuscht worden? Wäre ich getäuscht worden, hätte ich sicherlich darüber nachgedacht, das strafrechtlich aufzuarbeiten. So wie ich das jetzt gehört habe … aber das ist jetzt sozusagen hier nur … ist getäuscht worden. Das ist allerdings eher im Bereich des Verwaltungsrats geschehen, und da muss dann das Ganze auch, ich denke, meine Berliner Kolleginnen und Kollegen werden sich das eine oder andere noch angucken müssen.
Jörg Wagner [00:04:53] Es gab ja öffentliche Rundfunkratssitzungen in der Coronazeit, die per Teams und online übertragen wurden. Und da ist mir eine sehr starke Nähe aufgefallen zwischen der Intendanz, zwischen der Geschäftsleitung und dem Rundfunkrat, was aich schon dokumentierte in so einer Art Duz-Kumpanei. Müsste man nicht als Rundfunkrat grundsätzlich sehen, wie man mehr Distanz bekommt?
Ralf Roggenbruck [00:05:17] Das ist eine interessante Frage. Natürlich ist mir das hinter den Kulissen auch aufgefallen. Sie sprechen jetzt das Duz-Verhältnis zwischen den beiden Vorsitzenden, Stellvertretern und der Intendantin und auch insgesamt ein sehr vertrautes Miteinander. Ich kann das nicht bewerten. Also mir ist das …
Jörg Wagner [00:05:34] Es soll sogar Nebenabsprachen gegeben haben vor so einer Sitzung.
Ralf Roggenbruck [00:05:37] Also das habe ich alles, ich habe alles aus … was Sie jetzt alles erzählen, habe ich alles aus der Presse entnommen. Darüber ist auch nie später gesprochen worden. Es ist mir aufgefallen und es ist mir teilweise eben auch für mein persönliches Verständnis negativ aufgefallen, dass man hier teilweise das Gefühl hat, dass man nur erwartet, dass man Dinge abnickt, also dass gar keine eigene Meinung gefragt worden ist, sondern auch Vorgaben gegeben worden sind. Man gesagt hat, das machen wir jetzt mal so und das ist aber dann auch sehr schnell … das hat schnell dazu geführt, dass so eine Abwehrhaltung auch bei dem Rundfunkrat größer geworden ist, sich genau anzugucken, was für Vorlagen man bekommt. Also in diesem internen Verhältnis hat das schon begonnen, dass man sich so gefragt hat, warum kommt eine Presseerklärung, wird kurz vorgelesen und dann soll man sagen, das haben wir jetzt alle abgestimmt. Das kennen wir aus unserer Arbeit nicht so! Wenn ich mit meinem Gremium zusammen Pressearbeit mache, dann will ich auch die Meinung einfangen. Und dann kann es auch sein, dass ich die Pressearbeit dann beende, wenn ich feststelle, die haben eine andere Meinung als ich. Also das ist schon, ist mir sehr aufgefallen, diese Nähe. Jetzt kommen wir auf die Nähe wieder zurück. Gut, ich meine, aus der Presse habe ich dann auch das eine oder andere entnommen. Ich glaube, der Gedanke des neuen Rundfunkstaatsvertrages, dass es bestimmten Zeiten … Zeitbegrenzung geben muss. Mir fällt das in allen Bereichen auf, dass ab einem bestimmten Zeitpunkt ein Wechsel stattfinden muss. Also wenn man zu lange Dinge tut, nimmt man die Dinge auch nicht mehr als problematisch war, sondern nimmt das alles so hin. Ich glaube, es gibt viele, die sagen, es ist doof, dass immer wieder ein Wechsel stattfindet im Rundfunkrat. Ich finde es sogar gut so, das sage ich mal, weil immer Neue, so wie ich reinkommen und sich das dann angucken und mich ja jetzt auch zu Verfügung gestellt habe, zu sagen, da müssen wir was ändern, das ist so nicht richtig gelaufen. Und es muss immer wieder Wechsel stattfinden, denn sonst ist passiert das, was Sie da zurecht beschreiben, dass diese Nähe dann möglicherweise auch zu groß wird.
Jörg Wagner [00:07:41] Der nächste Wechsel ist ja schon geplant. In fünf Monaten, im Februar gibt’s einen neuen Rundfunkrat, weil es turnusmäßig so vorgesehen ist. Aber Sie haben eben verdammt wenig Zeit, fünf Monate, um die eigene Rolle aufzuarbeiten als Gremium und dann noch den rbb zu kontrollieren. Wo setzen Sie denn jetzt die Schwerpunkte bei der rbb-Kontrolle?
Ralf Roggenbruck [00:08:01] Gut, ich meine, wir werden noch mehr Sitzungen durchführen. Das ist zwar teilweise eben auch kostenintensiv, aber notwendig. Sie sehen, dass wir sogar einen ganzen Tag jetzt am 20. Oktober sitzen werden und wir werden auch nicht, das ist glaube ich, das, was viele auch nicht verstanden haben, wir auch im Dezember nicht aufhören. Es ist ja so, das … das ist ja schon das Komische an der ganzen Sache, dass im Januar und Februar, bevor der neue Rundfunkrat anfängt, gar keine Sitzungen mehr sind, also sozusagen zwei Monate unkontrolliert ins Land gehen. Und Sie können davon ausgehen, das haben Sie heute hier in der öffentlichen Wahrnehmung wirklich gesehen, dass alle bereit sind, mitzuarbeiten, alle Mitglieder dieses Gefühl, was ich Ihnen jetzt mitgeteilt habe, mit mir teilen und auch bereit sind, der Intendantin zu helfen, Änderungen durchzuführen, Änderungen, auch wirklich fundamentale Änderungen. Jetzt ein Beispiel: Der Verwaltungsrat, das kann ich jetzt vielleicht ja mal im Radio sagen, hat uns vorgeschlagen, nur noch eine Intendantin und einen Stellvertreter zu installieren. Heute wurde dieser Vorschlag öffentlich nicht mehr wiederholt. Das wundert einen dann in dem Moment. Das ist … sind so diese Fragen. Ich bin der festen Überzeugung und ich habe das jetzt auch immer wieder im Fernsehen gesagt, ich bin der festen Überzeugung, hier sind zu viele Leute zu gut bezahlt und das müssen wir ändern. Die, die unten arbeiten, die brauchen mehr Unterstützung. Hier oben hat sich ein Wasserkopf entwickelt, der einfach nicht mehr zeitgemäß ist und der im Zeitraum der vollen Kassen vielleicht noch irgendwo wachsen konnte. Es wird schwierig werden, den abzubauen, aber auch da wird die Intendantin gut beraten sein, das zu machen. Denn wenn sie es nicht tut, werden wir in einem Jahr dann wieder auf die nächste Suche gehen müssen.
Jörg Wagner [00:09:54] Sie haben gesagt, Sie sind hauptberuflich Staatsanwalt, also Anwalt des Staates. Nun ist ja der Rundfunk staatsfern. Wie kriegen Sie das persönlich hin?
Ralf Roggenbruck [00:10:04] Sehen Sie, ich bin ja hier nicht als Staatsanwalt, sondern ich bin als Landesvorsitzender des Deutschen Beamtenbundes. Ich finde, das ist zum Beispiel … jetzt habe ich gestern gesagt, und da stehe ich auch dazu, dass ich der Meinung bin, dass wir die Besoldung oder die Bezahlung im öffentlichen Rundfunk, dem öffentlichen Dienst anpassen sollen. Ich vertrete, das müssen Sie mal so sehen. der öffentliche Dienst hat ungefähr 5 Millionen Beschäftigte in der Bundesrepublik. Ich bin sozusagen ein gesellschaftlicher Vertreter dieses … ja Berufsstandes ist vielleicht, das sind ja ganz unterschiedliche Berufe … dieses, dieses gesellschaftlichen Teils dieser Gesellschaft, der ein riesengroßer ist und dafür stehe ich, ich bin … als Staatsanwalt arbeite ich, und wenn ich meine staatsanwaltschaftliche Tätigkeit beende, dann sitze ich im Rundfunkrat als Vertreter des Deutschen Beamtenbundes und kann natürlich …
Jörg Wagner [00:10:54] … auch als Nutzer des rbb? Also gucken Sie mit Interesse mehr als andere und hören mehr als andere die Programme des rbb?
Ralf Roggenbruck [00:11:01] Also ich kann Ihnen sagen, ich habe vier Kinder, der jüngste hat gerade Abitur gemacht, die gucken alle gar kein Fernsehen. Also das ist … die Zeiten sind vorbei. Ich muss mich outen, ich gehöre noch zu der Generation … meine Eltern haben jeden Abend die Abendschau gesehen, das „Macht’s gut Nachbarn!“ war sozusagen dann Zeit für mich, ins Bett zu gehen, für mich.
Jörg Wagner [00:11:24] Hans-Werner Kock.
Ralf Roggenbruck [00:11:25] … von Hans-Werner Kock. Das war für mich sozusagen Gesetz, das hat man gemacht. Man wollte wissen, was in Berlin los ist. Und meine Eltern, beide sind leider tot, haben sich wirklich das als sozusagen als ihre Zeiten … ich bin sozusagen ein großer Fan und gewachsener Zuschauer. Nein, ich sage Ihnen das ganz ehrlich: Ich schaue den rbb im Fernsehen gar nicht. Ich höre Radio und das gerne. Und so oft ich auch im Auto unterwegs bin. Also bei mir läuft immer das Radio und ich bin sogar, obwohl ich schon älteren Kalibers bin, auch höre gerne Fritz. Also ich glaube auch, dass das ein Teil der Zukunft des rbb sein wird. Im Radio gibt es ja überhaupt gar keine Probleme. Das ist hier sehr, sehr gut aufgestellt. Wir werden, glaube ich, erkennen können, dass das lineare Fernsehen irgendwann mal auslaufen wird. Also das ist zwar jetzt sozusagen der Hauptkostenfaktor, aber ich glaube, dass trotzdem ein öffentlich-rechtlicher Rundfunk, der ja immer noch als Rundfunk bezeichnet wird, ganz, ganz essenziell wichtig ist und gerade in der heutigen Zeit essenziell wichtig ist. Und das ist auch übrigens einer meiner Motivationen, warum ich mich bereit erklärt habe. Ich will nicht Sendezeit haben und alle sagen: Haste toll gemacht und hab‘ ich jetzt im Fernsehen gesehen. Für mich ist … meine, meine Arbeit und das als Staatsanwalt, auch als Gewerkschaftler ist immer so, meine Überzeugung … ich muss von Dingen überzeugt sein und ich bin fest überzeugt, dass das, was wir hier machen, ganz, ganz wichtig ist. Und wir müssen auf Teufel komm raus versuchen, das hier zu sichern, denn ich glaube, dass wir, wenn wir weiter so machen, wie ich das jetzt hier so sehe, irgendwann Existenzprobleme bekommen werden. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk wird irgendwann mal hinterfragt werden. Und ich sage das auch mal klar. Ich habe das vorhin im Fernsehen nicht gesagt, ich hätte es aber gesagt. Ich … meine 18,36 Euro – das sage ich ganz klar – will ich nicht, dass davon Boni gezahlt werden. Ich halte das für völlig falsch. Und ich glaube, dass der Ansatz, dass man glaubt, dass es hier ein Wirtschaftsunternehmen, dass der total falsche ist. Das ist ein wichtiger Faktor. Aber wir, der rbb, wir leben von den Beitragszahlungen und denen sind wir gegenüber verpflichtet. Und die können nicht verstehen, dass man 40.000 € Bonus an irgendjemand zahlt. Wofür denn? Und das zweite bei diesen … bei diesem Boni-Wesen, was wirklich auch in der Wirtschaft genutzt wird. Das ist ja auch ein Druckmittel. Der, der Ihnen am Ende des Jahres sagt, ob Sie die Boni bekommen oder nicht, der ist der oder die ist diejenige, die auch ein gewisses Druckmittel in der Hand haben. Das ist in der öffentlichen Wirtschaft klar, dass das auch als Druckmittel verwendet wird. Das ist falsch, das muss abgeschafft werden. Und ich bin ehrlich gesagt, aber das ist die Aufgabe der Intendantin, sich damit auseinanderzusetzen. Ich frage mich, wie … dass eben die Leute, die jetzt trotzdem noch darauf bestehen, finde ich schon etwas merkwürdig und ich denke, das … das wird … man wird sich die merken, die das trotzdem noch mitnehmen, obwohl wir jetzt gesagt haben, das gibt es nicht mehr. Also ich glaube, irgendwann muss man auch den Schuss gehört haben. Aber vielleicht ist es auch so, dass man glaubt, dass einem das zusteht. Ich halte das für einen ganz großen Fehler und ich glaube auch, das bricht möglicherweise dann auch dem Gesamten das Genick, wenn das weiter so geht, dass man der Bevölkerung nicht erklären kann, dass das kein Selbstbedienungsladen ist. Und das ist für mich ein Zeichen von Selbstbedienung.