Gastbeitrag von Kai Ludwig
Ein einschneidendes Ereignis für den Hörfunkempfang in Südbrandenburg und Ostsachsen war der Brand, der am 26. April 2011 zum Ausfall des Senders Calau führte. Eine provisorische, am Betonschaft montierte und am 9. Juni in Betrieb genommene UKW-Antenne vertritt voraussichtlich noch bis Anfang 2012 die eigentliche Antennenanlage. Derzeit werden die Leitern im Turm erneuert, um dann die verbrannten Reste der bisherigen Installationen entfernen und den Turm neu ausstatten zu können [1].
Die Havarie in Calau wirkt jedoch harmlos gegen das, was am 15. Juli in den Niederlanden passierte (Video oben). Es geht ebenfalls um Brände in Sendern – und zwar innerhalb eines Tages in gleich zwei wichtigen UKW-Anlagen.
Mit einer völligen Zerstörung endete es beim Sender in Hoogersmilde, einem Ortsteil der Gemeinde Smilde, etwa 40 km südwestlich von Groningen.
Diese 1959 in Betrieb gegangene Sendeanlage war von einer eher ungewöhnlichen, fast schon skurril anmutenden Bauart: Auf einem etwa 80 Meter hohen Betonturm saß ein mit 220 Metern viel längerer Antennenträger, der sich natürlich nicht mehr selbst halten konnte, sondern abgespannt war. Die gesamte Konstruktion war 303 Meter hoch und „schrumpfte“ 2006/2007 auf 294 Meter, als die Antennen der analogen Fernsehsender entfernt wurden.
1968 war es für den Sender Hoogersmilde schon einmal brenzlig geworden, als ein US-amerikanisches Kampfflugzeug eines der Abspannseile streifte. Im Gegensatz zu einem ähnlichen Vorfall, der 1978 zum Einsturz der Hauptantenne des Langwellensenders Oranienburg-Zehlendorf [2] und dessen Wiederaufbau unter besonderen Umständen [3] führte, blieb es in Hoogersmilde seinerzeit bei einem reparablen Schaden [4].
Nicht mehr glimpflich ging es hingegen aus, als am 15. Juli 2011 gegen 13.50 Uhr in etwa 180 Meter Höhe ein Feuer ausbrach: Gegen 15.30 Uhr kollabierte der Antennenträger. Menschen kamen dabei nicht zu Schaden, nachdem die Feuerwehr sich wegen der zu groflen Hitzeentwicklung aus dem Turm zurückgezogen hatte. [5]
Die Frequenzen von Radio 1 bis 4, der landesweiten Programme des öffentlich-rechtlichen Rundfunks (91,8, 88,0, 88,6 und 94,8 MHz), wurden kurzfristig auf dem Sendeturm Tjerkgaard/Spannenburg aufgeschaltet. Diesen Standort nutzen ansonsten fünf kommerzielle Veranstalter, deren Sendernetze anders strukturiert sind und deshalb keine oder nur leistungsschwache Frequenzen in Hoogersmilde umfassen.
Der Sendeturm Tjerkgaard ist jedoch nur 145 Meter hoch und befindet sich 40 km westlich von Hoogersmilde. Dieser Notbetrieb ist – wenig überraschend – in Groningen auch ein reiner DX-Empfang, der keine brauchbare Versorgung für Hörer mehr darstellt. [6]
In Groningen selbst provisorisch in Betrieb genommen wurde die Frequenz 90,8 MHz des öffentlich-rechtlichen Radio Drenthe. Die dortige UKW-Sendeanlage nutzt der öffentlich-rechtliche Rundfunk sonst nur für sein dortiges Lokalprogramm Radio Noord auf 97,5 MHz.
Ebenfalls an anderen Standorten aufgeschaltet wurden die bislang aus Hoogersmilde betriebenen Frequenzen verschiedener Privatsender. Einzelheiten sind hierzu bislang nicht bekannt. Empfangsbeobachtungen [7] zeigen wiederum Tjerkgaard als derzeitige Herkunft der Frequenz 100,4 MHz (Q Music) auf, während auf 101,0 und 103,2 MHz (Sky Radio bzw. Radio Veronica) jetzt aus Jirnsum, reichlich 10 km südlich von Leeuwarden, gesendet wird.
Von der Zerstörung des Senders Hoogersmilde betroffen ist auch das digitale Antennenfernsehen DVB-T. Gegenüber dem UKW-Hörfunk sind die Folgen hier geringer, da für DVB-T unter anderem eine gesonderte Sendeanlage in Groningen in Betrieb ist. In den Niederlanden wird DVB-T kommerziell betrieben und im System Conax verschlüsselt; der Betreiber verlangt für eine Freischaltung einmalig 25 Euro und je weitere 9 Euro pro Monat [8]. Nicht kommuniziert wird dabei die unverschlüsselte Ausstrahlung der Fernseh- und Hörfunkprogramme des öffentlich-rechtlichen Rundfunks.
Als vorläufiger Ersatz für den Sender Hoogersmilde wird ein 100 m hoher Notmast zum Einsatz kommen, und zwar in einer Kaserne in Asseln [9] – anscheinend ein juristischer Kunstgriff, mit dem das Problem umschifft werden kann, keinerlei Baurecht für eine solche Konstruktion zu haben. In Hoogersmilde selbst hatte der Fernmeldekonzern KPN bereits eine fahrbare Mobilfunkanlage eingerichtet, wie sie sonst bei Großveranstaltungen zum Einsatz kommt.
Damit nicht genug: Auch die Sendeanlage in Ijsselstein, einige Kilometer südwestlich von Utrecht, ist vorerst ausgefallen. Frequenztabellen führen sie häufig unter dem Namen der benachbarten Gemeinde Lopik, auf deren Gemarkung sich ein grofler Teil der AM-Sendeanlagen befand, die bis nach 1980 der wichtigste Mittel- und Kurzwellenstandort in den Niederlanden waren und noch heute für die Verbreitung des katholischen Radio Maria Nederland auf 675 kHz sorgen. Der 1961 in Betrieb genommene UKW- und Fernsehsender in Ijsselstein ist von ähnlicher Bauart wie die jetzt zerstörte Anlage in Hoogersmilde, nur mit einem noch längeren Antennenträger und damit einer Gesamthöhe von jetzt 367 Meter. Bekannt ist er durch die seit 1992 mehrfach im Dezember realisierte Beleuchtung als „größter Weihnachtsbaum der Welt“ [10].
In der Nacht zum 15. Juli kam es nun auch in Ijsselstein zu einem Feuer im Bereich der Antennenanlage. Gegen 11.30 Uhr wurde die Feuerwehr hinzugezogen, die es wegen der vermuteten Freisetzung giftiger Dämpfe und der elektromagnetischen Felder der Sender ablehnte, am Brandherd einzugreifen, der von selbst wieder erloschen war. Zu einem nachhaltigen Ende der Gelassenheit führten dann die dramatischen Bilder aus Hoogersmilde. Unter deren Eindruck wurde um 16.30 Uhr entschieden, die leistungsstarken, über eine Antenne in 320 Metern Höhe abgestrahlten UKW-Frequenzen abzuschalten, bis die Ursache des Feuers geklärt ist.
Davon betroffen sind wiederum die landesweiten öffentlich-rechtlichen UKW-Programme sowie die Privatsender BNR Nieuwsradio und Q Music. Einen Ersatz gibt es vorerst nur für die Frequenz 98,9 MHz von Radio 1; sie wurde kurzfristig auf dem Fernmeldeturm im Medienpark von Hilversum in Betrieb genommen. Für die Abendstunden des 17. Juli wurde schließlich die erneute Einschaltung der Sender in Ijsselstein in Aussicht gestellt, scheint sich aber weiter zu verzögern.
Übergreifenden Ersatz für den UKW-Empfang seiner Informationswelle Radio 1 schuf der öffentlich-rechtliche Rundfunk, indem er sie seit dem 15. Juli, 17.00 Uhr, wieder über die Mittelwelle Zeewolde (Flevoland) 747 kHz ausstrahlt [11]. Zuvor lief hier seit 2001 das Mittelwellenprogramm Radio 5 [12], das seinen primären Verbreitungsweg damit vorerst verloren hat.
Kritisch hinterfragt wird in den Niederlanden jetzt die Aufteilung der Zuständigkeiten für die Sendeanlagen, die dort noch über die hiesige Konstellation aus dem Grundstückseigentümer DeTeImmobilien, dem Turmeigentümer Deutsche Funkturm und dem inzwischen von der Deutschen Telekom an TÈlÈdiffusion de France (TDF) verkauften Sendernetzbetreiber Media Broadcast hinausgeht.
Bei den Sendeanlagen in den Niederlanden gehören die Grundstücke weiterhin KPN, einem analog zur Deutschen Telekom aus der früheren Postverwaltung hervorgegangenen Konzern. Die Türme befinden sich jetzt hingegen im Besitz von Alticom, einem erst vor kurzem von TDF an einen Finanzinvestor verkauften Unternehmen [13]. Die auf ihnen montierten Antennenträger liegen wiederum in der Zuständigkeit der eigens hierfür gegründeten Gesellschaft Novec [14], einer Tochter des staatlichen Unternehmens TenneT, das die Hochspannungsleitungen in den Niederlanden unterhält. Bei der eigentlichen Sendetechnik treten dann in der Regel zwei miteinander konkurrierende Sendernetzbetreiber auf; zum einen KPN Broadcast Services [15], zum anderen das Unternehmen Broadcast Partners [16], dessen Versuche, auch in den deutschen Markt einzusteigen, bislang erfolglos blieben. Hinzu kommen noch Betreiber weiterer Funktechnik, insbesondere von Mobilfunknetzen.
Ein dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk vorliegendes [17] Papier des Turmeigentümers Alticom aus dem Jahre 2007 dokumentiert eine Einschätzung, wonach die Sicherheit nicht in vollem Umfang gewährleistet sei. Teilweise würden die Betreiber unangemeldet an ihrer Technik arbeiten und seien dann über die Anwesenheit der Mitarbeiter anderer Unternehmen überrascht. Der Schutz gegen Abstürze und Stromschläge sei mangelhaft. Moniert wurde auch die Verstopfung der Antennenträger durch die von den einzelnen Betreibern verlegten Antennenkabel. Darüber hinaus gehe von deren Anlagen eine hohe Wärmeentwicklung aus, über die es keinen Gesamtüberblick gebe.
[1] Lausitzer Rundschau am 14.07.2011 zum Sender Calau
[2] Flugzeugverluste der GSSD: Zehlendorf
[3] Baustelle Zehlendorf als exterritoriales Gebiet
[4] Beschädigter Antennenträger in Hoogersmilde, 1968
[5] Aktuelles Bildmaterial zum Sender Hoogersmilde
[6] Forenbeitrag vom 17. Juli 2011, 21.09 Uhr
[7] Forenbeitrag vom 16. Juli 2011, 13.40 Uhr
[8] Digitenne.nl
[9] Noodmasten in Assen … (Daagblad van hed Norden, 16.07.2011)
und Noodzendmast arriveert … (meternieuws.nl, 17.07.2011; mit Video)
[11] Radio 1 via 747 AM
[13] Infracapital acquires 100% … Alticom (TDF-Mitteilung vom 08.06.2010)
[14] Internetauftritt von Novec
[17] Rapport: chaos op zendmasten (NOS Nieuws, 16.07.2011)
[Fotos: Wikipedia-User „Vijverln“ (CC-BY-SA), NOS, Wikipedia-User „China Crisis“ (CC-BY-SA)]
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