Schertz, Christian

Christian Schertz (dienstlich) | Foto: © Jörg Wagner
Christian Schertz (dienstlich) | Foto: © Jörg Wagner

Der Rechtsanwalt Dr. Christian Schertz warnt mit seinem Kollegen Dominik Höch vor der zerstörerischen Kraft des Internets und der Medien. So zumindest der Untertitel des gerade erschienenen Buches „Privat war gestern“ aus dem Ullsteinverlag: „Wie Medien und Internet unsere Werte zerstören.“ Im Vorgespräch zu einem Interview mit dem Staranwalt Schertz wird klar, dass Buchtitel vereinfachen und Aufmerksamkeit erregen sollen.


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Wer: Prof. Dr. Christian Schertz, Medienanwalt
Was: Interview zur Buchveröffentlichung „Privat war gestern“
Wo: Berlin
Wann: rec.: 12.09.2011, veröffentlicht im radioeins-Medienmagazin (rbb) vom 17.09.2011

Vgl.:
* „Privat war gestern“ | Ullsteinverlag | Aktualisiert und erweitert – mit neuem Kapitel zur NSA-Affäre (11.04.2014)

Buchcover 2011 | © Ullstein
Buchcover 2011 | © Ullstein


(Wörtliches Transkript, Auszug)

00:00
Jörg Wagner: Privat war gestern. Herr Schertz, aber privat gestern ist wieder anders, als privat heute. Gegen welchen Privatbegriff gehen Sie vor oder welchen wollen Sie bewahren?

Dr. Christian Schertz: Sicherlich ist der Begriff der Privatsphäre ein dynamischer und die Gesellschaft versteht heute die Privatsphäre anders als noch vor 30 Jahren, wo schon ein Kuss im öffentlichen Straßenraum aufgeregt hat. Ich glaube, dass Privatsphäre als Wert, damit meine ich die Möglichkeit des Rückzugs des Individuums, dass der Mensch die Möglichkeit hat, in seinen eigenen vier Wänden mit sich zu sein, nachzudenken, auch Dinge wie körperliche Bedürfnisse, Sexualität, eine Krankheit kurieren etc. – all‘ diese Dinge gehören für mich zur Privatsphäre und da beschreibe ich mit meinem Co-Autor in dem Buch, dass wir auch durch das Internet, aber auch durch die Print- und Fernsehlandschaft dort Gefahr laufen, dass dieser Wert vollständig aufgegeben wird.

00:52
Jörg Wagner: Gefahr heißt ja, dass möglicherweise das, was sich da auflöst, einer bestimmten Bewertung unterliegt, dass also ich selbst oder Teile der Gesellschaft dieses Auflösen der Privatheit als mögliche Bedrohung empfinden. Was ist so bedrohlich daran, wenn ich Bilder im Internet veröffentliche und zeige, ich hatte Spaß, ich habe einen Sonnenuntergang beobachtet und twittere, dass ich gerade bei einem Kaffee sitze und genieße?

Dr. Christian Schertz: Also, erst einmal ist dagegen gar nichts einzuwenden und wir sind auch hier keine Internet-Basher oder Boulevardpresse-Basher, die praktisch nur anklagen, sondern wir wollen sensibilisieren. Ich finde es problematisch, von sich alles ins Netz zu stellen, weil Sie damit praktisch all das, was eigentlich für Sie geschützt ist, preisgeben. Die Gerichte in Deutschland sagen, jeder hat den Anspruch, dass seine Privatsphäre beachtet wird und geschützt wird. Wenn man sich dessen aber begibt, wie die Juristen sagen, verliert man diesen Rechtsschutz. Deswegen warnen wir davor, sich genau zu überlegen, was man tut. Weil mit dem ins-Netz-stellen oder mit dem die-Tür-aufmachen, wie ich immer sage, kriegt man sie halt schwer wieder zu. Und man muss berücksichtigen, natürlich ist erstmal das Foto von mir auf einer Party nicht so schlimm, wenn es jetzt im Netz steht. Wenn ich aber mich dann fünf Jahre später irgendwo bewerbe und natürlich auch inzwischen die Personalabteilung die Leute auch so scannen, was haben die denn früher gemacht in ihrer Vergangenheit, kann das natürlich auch dazu führen, dass ich den Job nicht kriege.

Oder ich habe auch leider in der anwaltlichen Praxis Fälle, wo Leute ihre Fotos und ihre Biografie und ihre Lieblingsessen etc. ins Netz gestellt haben, dann kam es zu einem Unglücksfall, ich sage nur die Amokläufe, und dann haben gerade die Boulevardmedien, die Möglichkeit ganz einfach auf diese sozialen Netzwerke zuzugreifen und sie können große Geschichten über die Opfer machen, weil sie alle Informationen haben, die diese Opfer früher selbst ins Netz gestellt haben. (…)








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